Von unserem Autor Andreas Pecht
Überall im Haus brummt, summt, wuselt es noch internationaler als gewöhnlich schon. Vorwiegend junge Gäste aus aller Herren Länder nehmen umstandslos Fühlung zueinander auf. Sie plaudern, fachsimpeln, proben, lachen, feiern in jenem Sprachenmischmasch, das typisch ist für Tänzerinnen und Tänzer rund um den Erdball. Ein Transparent an der Frontseite des Großen Hauses verkündet „23. März bis 1. April: Tanzmainz Festival #2”.
Erste Auflage vor zwei Jahren war ein Coup
2015 hatte die neue Intendanz um Markus Müller das Festival unter Ägide des Mainzer Tanzdirektors Honne Dohrmann aus der Taufe gehoben. Und damit einen Coup gelandet. Der auf wenige Tage konzentrierte, ganz dem zeitgenössischen Tanzkunstgeschehen verpflichtete Reigen von Gastspielen hochkarätiger internationaler Compagnien stieß auf so von kaum jemandem erwarteten Publikumszuspruch aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet. Das mit Sonderzuwendungen des Kulturministeriums und Sponsorengeldern finanzierte Festival ist auf einen Zwei-Jahres-Rhythmus angelegt. Und wie im ersten Durchgang sind nun auch im zweiten viele der 18 Vorstellungen von Compagnien aus neun Ländern bereits vorweg ausverkauft.
Voll besetzt ist auch das Große Haus des Staatstheaters am Eröffnungsabend des Festivals mit der Compagnia Aterballetto, einem der wichtigsten Tanzensembles Italiens. Drei Arbeiten von drei verschiedenen Choreografen werden vorgestellt. Nach der letzten – „Bliss” vom Schweden Johann Inger – gibt es im Saal kein Halten mehr: Die Zuseher springen auf und danken für ein beglückendes Erlebnis mit Jubelovationen. Die hier als deutsche Erstaufführung ertanzte Glückseligkeit (englisch: bliss) ist ohne ein einziges Wort, ohne irgendeine direkte Bezugnahme zum aktuellen Weltgeschehen dennoch auch ein hochpolitischer Beitrag.
Voller Lebensfreude und Lebenslust
Da entfalten zur gefühlvollen Klavier-Elegie von Keith Jarretts legendärem Konzert in der Oper Köln aus dem Jahr 1975 ein Dutzend junger Leute von heute ihr ureigenes Lebensgefühl. Und das besteht vor allem aus Lebensfreude und Lebenslust; aus Sinnlichkeit und Besinnlichkeit; aus Neugier aufeinander, Vertrauen zueinander, offenherzigem bis freundschaftlichem Miteinander – über alle individuellen, kulturellen, geschlechtlichen, stilistischen Unterschiede und Orientierungen hinweg.
Diese Jugend findet eine eigene Bewegungs-/Tanzweise, die mit Vergnügen auch allerhand Volkstanzelemente aus Orient und Okzident mit Twist, Swing, Disco, Jazz-/Streetdance und Neoklassik vereint. Kurzum: Wie hier mit betörender Leichtigkeit bis hin zur Verspieltheit selbst bei höchsten technischen Anforderungen der Geist von Jarretts Musik eigenständige tänzerische Ausdeutung findet, das ist das genaue Gegenteil von verbiesterter Aggressivität, von hasserfüllter Abgrenzung und Ausgrenzung.
Tanzmainz Festival #2: Auf gut Glück an die Abendkasse
Viele Veranstaltungen im Tanzmainz Festival #2 sind bereits seit Wochen ausverkauft. Ein Besuch an der Abendkasse lohnt sich nach Angaben des Staatstheaters aber dennoch – kurzfristig frei gewordene Plätze sind dann wieder verfügbar.
Die Abendkasse öffnet eine Stunde vor der Veranstaltung am jeweiligen Spielort.
Weitere Informationen sowie die Programmbroschüre des Festivals gibt es unter www.staatstheater-mainz.de
Der Eröffnungsabend hat begonnen mit „Antitesi”, einer Choreografie des Griechen Andonis Foniadakis über Gegensätze wie schnell/langsam, hart/weich, abstrakt/konkret. Das ist eine ungemein dichte, sehr schnelle Bewegungsflut, die dem Auge allerdings kaum Halt gewährt und den Betrachter deshalb rasch erschöpft.
Klassischer Tanz und neue Stile in faszinierender Fusion
Ganz anders der kurze Mittelteil „#hybrid” des jungen deutschen Choreografen Philippe Kratz. Ein hinreißender Pas de Deux, bei dem Martina Forioso und Valerio Longo etwas tun, das man so kaum je sah: Klassischer Tanz auf Spitze und Streetdance nebst ein paar anderen Modern-Dance-Elementen werden nicht einfach abwechselnd geboten, sie fusionieren in diesem Fall vielmehr zu einem neuartigen Tanzstil mit faszinierenden Möglichkeiten. Die Anforderungen an Tanztechnik und -ausdruck sind extrem; an diese Art sollten sich nur wirkliche Könner wagen – von denen wir beim Tanzmainz Festival #2 bis 1. April noch etliche weitere zu sehen hoffen.