Premiere Burgfestspiele
„Süßes Gold“: Ein Bienenmusical mit Happy End
Das neue Musical "Süßes Gold" bei den Burgfestspielen Mayen hält uns Menschen unterhaltsam und melodiensatt den Spiegel vor.
Rico Rossival

Ein Bienenstaat hält im neuen, pfiffigen Musical von Tom von Hasselt uns Menschen bei den Mayener Burgfestspielen den Spiegel vor – und erinnert an die Kraft des Miteinanders, die gerade in diesen Tagen gebraucht wird wie lange nicht mehr. 

Lesezeit 6 Minuten

Fleißige Bienen, mürrische Drohnen, starke Songs und eine flotte Geschichte: Die Aufzählung der Inhaltsstoffe des Musicals „Süßes Gold“, das jetzt seine Uraufführung auf der Mayener Burg feierte, klingt in dieser Aufzählung womöglich sehr harmlos. Aber weit gefehlt: Hinter dem unterhaltsamen Abend aus der Feder von Tom van Hasselt verbirgt sich eine starke Satire – und zugleich Eintauchen in die Theater- und sogar in die Demokratiegeschichte.

Denn das, was wir heute unter Demokratie verstehen, entwickelte sich im fünften vorchristlichen Jahrhundert in der griechischen Antike zusammen mit dem Theater: Derselbe Rahmen, in dem sich freie (männliche) Bürger zusammenfanden, um politische Entscheidungen zu treffen, wurde mit Bühnenstücken auch als öffentlicher Diskursraum genutzt, bei dem es nicht nur um Unterhaltung ging, sondern bei dem auch gesellschaftliche, politische und moralische Fragen verhandelt wurden.

Claudine, die Amme (Mirjam Smejkal, links) erinnert sich: Als Simina (Pauline Schubert) noch eine kleine Larve war, ist sie in den Topf mit dem "Süßen Gold" (gemeint ist das Gelee Royale der Bienen) gefallen. Ähnlich kennt man diese Idee aus den Comics über Asterix und Obelix.
Rico Rossival

Allzu deutliche Anleihen an lebende Mächtige und aktuelle Geschehnisse konnten dabei gefährlich sein – ganz anders sah es mit mythologischen Stoffen aus, oder noch besser: mit Tiergeschichten, die in Form von Fabeln, Allegorien oder Satiren menschliches Verhalten und gesellschaftliche Missstände problemlos und für jedermann verständlich erzählen konnten. Diese Tradition zieht sich seitdem durch die gesamte Kulturgeschichte, findet ihren Niederschlag auch immer wieder in der Literatur, etwa 1945 in George Orwells berühmter Dystopie „Die Farm der Tiere“. Darin übernehmen die Schweine die Macht von den Menschen – und einer ihrer berühmten Kernsätze lautet: „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher.“

Und eben dieser Satz findet sich, ergänzt um „Alle sind reich, aber manche sind reicher“, abgewandelt auch im Musical „Süßes Gold“. Keine Angst: Tom van Hassel zeigt hier keinen Diskurs in die Theatergeschichte, sondern einen amüsanten Blick auf uns Menschen – und das mit einem hoffnungsfrohen Ausgang, den man gerade in diesen, von reihenweise schlechten Nachrichten geprägten Tagen sehr genießt.

Mayen ist Bienenstadt

Ausgerechnet Bienen als Stellvertreter der Menschen zu nehmen: das mag daran liegen, dass Mayen Sitz des Fachzentrums für Bienen und Imkerei ist, dem eine wichtige Rolle bei Zucht, Forschung und Beratung rund um Bienenschutz in Rheinland-Pfalz zukommt, außerdem ist hier unter anderem auch das Projekt „Bienenfreundliches Mayen“ angesiedelt. Ganz unabhängig davon aber bildet ein Bienenstaat viele gesellschaftliche Strukturen ab, die wir auch bei Menschen wiederfinden, und das macht ihn für die kreative Ausschmückung natürlich interessant: In „Süßes Gold“ haben die streng in Berufsgruppen eingeteilten Bienen einen anstrengenden Arbeitstag, sei es als Baubienen, als Kundschafterinnen, Sammlerinnen, Wächterin oder als Amme der frisch geschlüpften Larven. Die Männer – also die Drohnen – hingegen gehen keiner dieser Arbeiten nach, ihr einziger Zweck ist die Paarung mit der Königin, nach der bekanntlich ihr Leben endet.

Los geht es mit mystischen Klängen, zu denen der Festspielchor – eine beachtliche große Anzahl von Darstellerinnen – das „Süße Gold“ besingt, als sei es beinahe der Beginn von Wagners „Rheingold“. Aber gleich geht es weiter zum Musical-Pop, wenn als große Eröffnungsnummer „Der perfekte Staat“ besungen wird. Von einzelnen Soli zum großen Ensemble: Wie vielen weiteren Nummern seines neuen Musicals hat Tom van Hasselt diesem geschickten Opening viel geschmeidige Eingängigkeit mitgegeben. Der Komponist beherrscht das Musicalgenre traumwandlerisch: Von den Vorstellungssongs über die leitmotivisch einhakenden Reprisen bis zum überwältigenden, revuehaften Finale bleiben auch nach nur einmaligem Anhören zahlreiche Melodien hängen. Alles ist effektvoll komponiert und für die Tonspur eingerichtet, zu der die Akteure live singen (musikalische Leitung: Tom van Hasselt und David Lentes). Und das konnte sich schon bei der für diesen Bericht besuchten Generalprobe hören lassen.

Oberdrohne Johnny (Michael Ophelders, links) hält nicht nur mit Tom van Hasselts genialem "Drohnen-Blues" die Jungdrohne Ronny (Jakob Wirnsperger) auf Kurs.
Rico Rossival
Starke Darstellerinnen: Mirjam Smejkal (von links), Sabine Brandauer, Rosaly Oberste-Beulmann und Pauline Schubert.
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Spektakel auf der Burgfestspielbühne mit den Solisten und dem Festspielchor in Mayen.
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Mirjam Smejkal (vorne) und die Damen des Festspielchors in Mayen.
Rico Rossival
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Die Uraufführung ist Chefsache: Burgfestspiel-Intendant Alexander May hat die Regie übernommen, um im wabensatten Bühnenbild von Nina Wronka für allerhand Spektakel zu sorgen, was von der Choreografie von Dominik Büttner und den cleveren Kostümen von Caroline Neven Du Mont nochmals unterstrichen wird. Mindestens ebenso wichtig ist dem Regisseur allerdings hörbar die Arbeit an der Sprache: Was in der Tierfabel leicht kindisch oder einfältig wirken könnte, wird so vorgebracht, dass es – bei aller Kürze angesichts der großen verhandelten Themen – doch überzeugend wirken kann. Denn in den gerade mal zwei Stunden geht es um nicht weniger als: alles.

Der Bienenstaat hat schon bessere Tage gesehen. Die Klimakrise zwickt und zwackt, sei es durch die Hitze im Bienenstock oder durch die in Mitleidenschaft gezogenen Blüten, zu denen die Bienen immer weiter fliegen müssen. Pestizide sorgen für Krankheiten, die alte Königin plant einen Umzug in die Stadt, wo angeblich alles viel leichter sein soll. Der bevorstehende Wechsel an der Staatsspitze sorgt für Unruhe: einmal bei Bienen, die sich schon als Nachfolgerin der greisen Königin wähnen, aber auch bei den gelangweilten Drohnen, die Morgenluft wittern.

Starkes Ensemble

Im Zentrum steht die junge Kundschafterin Simina (Pauline Schubert), die anders ist als die anderen, weit folgsameren Bienen. Sie sieht den Zusammenhang zwischen Landwirtschaft und Bienensterben und misstraut der Königin. Gemeinsam mit ihrer Freundin Philine (Rosaly Oberste-Beulmann) und unter der schützenden Hand der Amme Claudine (Mirjam Smejkal) bietet sie der strengen Zucht der Wächterin Katrine (Sabine Brandauer) Paroli, die gegen Ungehorsam drakonische Strafen verhängt. Und Simina erweckt Interesse bei Jungdrohne Ronny (Jakob Wirnsperger), der von der Oberdrohne Johnny (genial: Michael Ophelders) auf Kurs gehalten wird.

Das ausgesprochen sangesstarke Ensemble durchlebt und leidet die Geschichte vom alternden Bienenstaat über die dräuende, ungewisse Zukunft bis zur zarten Utopie. Wenn die Königin getötet wurde und sich keiner mehr findet, um die grausame alte Ordnung wiederherzustellen: Warum versuchen wir dann nicht mal etwas ganz Neues, womöglich Besseres? Diesen Funken Hoffnung verpackt „Süßes Gold“ in flottes Entertainment, und hinter vielen scheinbar einfachen Bienenweisheiten stecken große Wahrheiten: Hoffentlich wird dieses kollektive Summen auf der Mayener Burg erhört.

Vorstellungen bis zum, 14. August, Infos und Tickets online unter www.burgfestspiele-mayen.de