Wer mit Karp ein bisschen plaudert über dessen Biografie, findet sich schon nach wenigen Worten wieder in einer Aufzählung der größten Künstler, die die Musikbranche in den vergangenen Jahrzehnten hervorgebracht hat: Mit AC/DC, Michael Jackson und den Rolling Stones hat der in Koblenz aufgewachsene Musikfotograf in seiner Karriere ebenso zusammengearbeitet wie mit Sting, Tina Turner oder Phil Collins, 1988 und 1992 wurde er für seine Aufnahmen mit dem renommierten „Music Photographer of the Year“-Award ausgezeichnet, hat bis heute die Coverfotos für mehr als 1000 Musik-CDs und -DVDs geliefert, darunter sowohl das der weltweit meistverkauften Single, Elton Johns „Candle in the Wind“ (1997), als auch das der weltweit meistverkauften Musik-DVD, „Robbie Williams – Live at the Albert“ (2001).
Weshalb es kaum zu hoch gegriffen scheint, wenn Karp gleich zu Beginn des Gesprächs vorwegschickt: „Auch wenn Sie meinen Namen nicht kennen sollten – ein Foto von mir haben Sie bestimmt bei sich zu Hause.“
Mit Thomas Anders zum ersten Cover
Dass der Wahl-Amerikaner eine Karriere mit derartiger Ereignisdichte gern in „echte Meilensteine“ – oder eben „Guido-Geschichten“ – unterteilt, ist somit nur sinnvoll, der besseren Überschaubarkeit wegen. In kleinere Meilensteine wie die ersten ausgestellten Fotoarbeiten im Koblenzer Haus Metternich oder die in der Rhein-Zeitung abgedruckte Aufnahme von Otto Waalkes, damals war Karp gerade 12 respektive 13 Jahre alt, aber auch größere wie seine Freundschaften zum Werbefotografen Hans Joachim Bischoff – Karps langjähriger Mentor – oder Schlagerstar Thomas Anders, zu dessen Schallplatte „Ich will nicht dein Leben“ er 1982 im Übrigen auch sein erstes Plattencover beisteuerte.
Daneben dürfen in einer solchen Aufzählung natürlich auch die ersten Gehversuche als Freelancer nicht fehlen, Mitte der 1980er-Jahre beim Out-in-the-Green-Festival in Gießen, wo Karp, seinerzeit schon ganz Geschäftsmann, einen leeren Truck zum Fotostudio mit Partycharakter ummodellierte, auf diese Weise Künstler wie BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken oder Blueslegende Joe Cocker anlockte und über sie schließlich erste wichtige Kontakte in die Musikszene knüpfte. „Damals“, blickt Karp zurück, „habe ich verstanden, wie die Branche tickt – und von da an hat alles aufeinander aufgebaut, es kam eins zum anderen.“
Mit den Backstreet Boys in die USA
Was sich inhaltlich zwar durchaus nachvollziehbar anhört, in der Gesamtbetrachtung allerdings ein wenig zu unspektakulär für das, was Karp in den folgenden Jahrzehnten erleben sollte: Nach seiner ersten Konzerttour für Elton John 1986 in Australien, begleitete er dort im selben Jahr auch Cyndi Lauper, bewährte sich, wurde zum gefragten Tourneefotografen für Megastars wie Genesis, die Dire Straits oder Bon Jovi, arbeitete daneben etwa auch für die (anfangs noch wenig bekannten) Backstreet Boys, deren Aufbau Karp Mitte der 1990er zunächst in Europa maßgeblich mitgestaltete, nach dem Überschwappen der Erfolgswelle dann ab 1999 auch in den USA, wo der Musikfotograf heute in Los Angeles lebt.
Mehr als 300 Shows pro Jahr, erzählt Karp, habe er zu Spitzenzeiten fotografiert, im Schnitt 250 Nächte im Hotel verbracht, wobei sein Erfolgsrezept weniger in der hier durchscheinenden Ausdauer liege, auch nicht in der qualitativ hochwertigen Fotokunst, wie er sagt, sondern vielmehr im Umgang mit den Künstlern selbst: „Wir betrachten Stars oft als der Welt entrückte Maschinen“, erklärt der 61-Jährige, „aber am Ende sind auch sie nur Menschen, die zwar gute Fotos wollen, zugleich jedoch auch Leute in ihrer Umgebung, mit denen die Zusammenarbeit funktioniert, die sie verstehen.“
Es passieren doch immer wieder Dinge, die man für unmöglich hält, und irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich Erlebnisse dieser Art anziehe.
Guido Karp
Er selbst, ergänzt Karp, habe den Fokus daher von Beginn an auf die Interessen der Künstler gelegt, habe beispielsweise nie Fotos veröffentlicht ohne die Freigabe der Abgebildeten, oft auf viel Geld verzichtet, das ihm Verlage für den Verkauf gefragter Aufnahmen offerierten.
Ein Arbeitsethos, das ihm Anfang der 1990er schließlich auch die Tür aufstieß zu den Bee Gees, die Karp bei einem Konzert auf der Loreley kennenlernte. „Ich war dort damals als Gast“, erinnert sich der 61-Jährige, „habe ein paar Fotos von den spielenden Kindern der Bandmitglieder geschossen und den Bee Gees diese Bilder dann geschickt. Wovon sie erst mal nicht sonderlich begeistert waren, aber als ich ihnen erklärt habe, dass ich solche Fotos – entgegen ihrer Erwartung – nie an die Yellow Press verkaufen würde, fanden sie das ziemlich geil.“
Scheinbar derart, dass Karp wenig später gar zum Probearbeiten bestellt wurde von jener Band, die in der Branche seinerzeit als äußerst kompliziert und anspruchsvoll galt, von Hunderten Fotos nicht selten kein einziges freigab. „Ich habe sie dann also bei einer Show fotografiert“, leitet Karp über zur nächsten „Guido-Geschichte“, „und bin mit einer Auswahl von 80 Aufnahmen zu ihrem Manager, der daraufhin nur laut gelacht und mich zu den Bee Gees in die Garderobe geschoben hat mit den Worten: ,Guckt euch den an: Der denkt, er könnte euch 80 Fotos zur Freigabe vorlegen.‘“
Das Lachen allerdings war kurz darauf bereits verstummt, als das Brudertrio um Barry, Maurice und Robin Gibb alle 80 angebotenen Bilder absegnete. „Das hatte es vorher noch nie gegeben“, sagt Karp, „die Bee Gees waren auf Touren, zu denen kein Programmheft erscheinen konnte, weil ihnen keines der vorgelegten Fotos gefiel.“ In der Folge sei er „the man“, „der Mann“, gewesen, der Kontakt zu den Bandmitgliedern und deren Familien indes nie mehr abgerissen, selbst nach dem Tod von Maurice (2003) und Robin Gibb (2012) nicht.
Ritterschlag von König Charles
Wozu dann auch passt, dass es der Sohn des Erstgenannten war, der auf Royal-Mail-Anfrage ein Foto Karps auswählte für die eingangs erwähnte Sonderbriefmarke seines Vaters. Der Postdienst des Vereinigten Königreichs habe sich kurz darauf bei ihm gemeldet, berichtet der Fotograf, und um eine Auswahl von Bildern gebeten, die dann wiederum König Charles vorgelegt wurden. Mit dem Ergebnis, dass sich der Royal schließlich nicht wie sonst üblich für eine der Aufnahmen entschied, sondern gleich für alle acht – auch das ein Unikum. „Mit den Briefmarken“, erklärt Karp, „ehrt die Royal Mail bereits seit einigen Jahren verstorbene Künstler aus dem Königreich für ihre Verdienste, aber normalerweise wird immer nur ein Bild eines Fotografen aus dem Commonwealth ausgewählt.“
Womit es sich auch hierbei ganz unzweifelhaft um eine „Guido-Geschichte“ handeln dürfte, um ein weiteres Kapitel im Leben eines Mannes, der mit zwei Schlaganfällen und einer letztlich zwar aufgehobenen, aber doch teuren Anklage wegen Steuerhinterziehung keineswegs immer auf der Sonnenseite des Lebens stand.
Neue Meilensteine
Auf die Frage, was einen nach all den Erlebnissen und Erfolgen noch antreibt, antwortet Karp: „Wissen Sie, das mit den Briefmarken ist eine wunderbare Anerkennung, und es geht einem schon nah, aber letztendlich ist auch das ein Meilenstein, der für mich nicht emotionaler ist als mein erstes Foto in der Rhein-Zeitung – auch das war für mich zu seiner Zeit sehr wichtig.“ Neue Ziele, unerreichte Meilensteine gebe es somit auch noch nach vier Jahrzehnten Vorzeigekarriere. Denn: „Es passieren doch immer wieder Dinge“, sagt Karp, „die man für unmöglich hält, und irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich Erlebnisse dieser Art anziehe. Das sind eben solche ,Guido-Geschichten‘.“