Der Blick geht angstvoll nach oben: Wird das Wetter halten? Egal, das treue Mayener Burgfestspielpublikum ist auf alles vorbereitet. Als nach der Pause in der zweiten Vorstellung der Neuproduktion von „Sonny Boys“ aus vereinzelten Tröpfchen ein stetiger Regen geworden ist, sitzt das Publikum verpackt in Regenponchos bestens gerüstet im Burghof. Und: Es lohnt sich, dass man bleibt. Denn das Ensemble der „Sonny Boys“ hält nicht nur das Tempo weiter durch – sondern schaltet zum Regenintermezzo auch in den passenden Modus, hat entsprechende Witzeleien und Änderungen des Textes parat, die das bis dahin ohnehin schon in Sachen Lachen zu hoher Betriebstemperatur aufgelaufene Publikum bis zum Ende entzücken.
Zeitgemäße Inszenierung
Intendant Alexander May hat das 1972 in New York uraufgeführte Schauspiel, das zu den meistaufgeführten des Boulevardgenres gehört, witzig und mit kleinen Retuschen am Text im zweckdienlichen Bühnenbild von Caroline Neven Du Mont zeitgemäß inszeniert. Die Story ist natürlich im Grunde dieselbe wie immer: Willie und Al waren als Komikerduo über 43 Jahre lang hoch erfolgreich – hatten sich aber hinter den Kulissen nichts zu sagen und mochten sich auch nicht wirklich. Eines Tages sagte Al ohne Vorwarnung Adieu zu dieser Zweckgemeinschaft – und versetzte so beide Komödianten in den Ruhestand.
Während Al sich zur Familie seiner Tochter auf dem Land zurückgezogen hat, vegetiert Willie zunehmend ungepflegt in einer kleinen Suite vor sich hin – und träumt trotzdem noch von neuen Erfolgen, auch, wenn seine Nichte und Managerin ihm da nur wenig Hoffnung machen kann. Doch eines Tages kommt ein Angebot: Für eine Nostalgieshow soll das einstige Erfolgsduo noch einmal auftreten, ein gewaltiges Honorar lockt – doch das Wiedersehen läuft alles andere als harmonisch.
Mit unzähligen Kalauern lässt „Sonny Boys“ manchmal vergessen, dass es im Kern um sehr traurige, allzu menschliche Probleme geht in diesem Stück. Denn oft wird hier über Probleme des Alterns gelacht, die wohl keinem Menschen erspart bleiben. Doch die Mischung macht es: Wenn das Tempo stimmt wie in Mayen, wird aus dem mehrfach für Kino und TV verfilmten Stück ein gut zweistündiger, humorvoller Abend.
Dabei hängt natürlich alles am Ensemble: In Mayen ist die Position von Willies Nichte mit Alexandra Marinescu außergewöhnlich stark besetzt. Sie versucht alles, um die beiden Streithähne zur Versöhnung wieder zusammenzubringen, sorgt rührend für ihren Onkel besorgt – und verstrickt sich in diesem Gespinst aus Verantwortlichkeiten in zahllose herrliche Fremdschammomente, die zu wahren Kabinettstückchen geraten.
Auch etwas Improvisation ist gefragt
Und auch die beiden titelgebenden Sonny Boys haben ihre guten Momente in dieser Produktion, die nach sehr routiniertem Slapstickhandwerk ebenso verlangt wie nach vielen messerscharf servierten Repliken – sowie nach einiger Improvisationskunst im Einbeziehen des Publikums und seiner Reaktionen und auch, wie erwähnt, des Wetters.
Michael Ophelders hat nicht nur alle diese Fähigkeiten zur Verfügung – sondern auch mit Mitte 60 das geeignete Spielalter für seine Darstellung des Al. Womit wir bei einer zentralen Frage der Produktion stehen: Ist Thorsten Hamer als sein Widerpart Willie nicht deutlich zu jung? Mit Schminke und Perücke lässt sich bekanntlich einiges machen – doch auch Maskenbildnerkunst lässt den 1982 geborenen Mimen im zumeist hellen Sommerabendlicht eher nach einem gerupften Vampir aussehen als nach einem rüstigen Bühnenrentner. Auch das anfängliche Implementieren von Alterswehwehchen in den Bewegungsablauf hilft nicht weiter, wenn es bald aufgegeben wird im agilen Spiel.
Keine Frage: Thorsten Hamer kann die Rolle spielen, er setzt die Pointen gekonnt und beherrscht den Umgang mit Publikum außerordentlich gut. Wenn man aber zurecht klagt, dass es so wenige gute Rollen für reifere Darsteller (und vor allem für Darstellerinnen) gibt, ist es durchaus schade, die wenigen großen „Altersrollen“ dann mit jugendfrischen Quereinsteigern zu besetzen. Dem grundsätzlichen Spaß bei dieser Produktion, die sich als wetterfest und somit als umfassend freilufttauglich bewiesen hat, tut das allerdings wenig Abbruch.
Termine und Tickets online: www.burgfestspiele-mayen.de