SofaConcerts bringt Künstler direkt in die Wohnzimmer der Fans - und lässt sich auch von Corona nicht aufhalten
SofaConcerts: In der Krise getrennt und doch nah
Über SofaConcerts können Musikliebhaber Künstler für Konzerte in den eigenen vier Wänden buchen. Da solche Auftritte in Lockdown-Zeiten jedoch nicht möglich sind, setzt die Hamburger Agentur nun auf Streamingangebote. Foto: FrauSiemersFotografiert
FrauSiemersFotografiert

Hamburg/Koblenz. Die Frage nach dem richtigen Kurs durch die Corona-Krise dürfte sich in diesem Jahr wohl so ziemlich jedes Unternehmen gestellt haben – da bildet der Kultursektor keine Ausnahme. Enger wird die Auswahl bereits, wenn man den Fokus der Rundschau auf jene Einrichtungen lenkt, deren Pandemierezepte nicht allein auf das eigene Wohl abzielen. Ein Beispiel für solche Mehrwertstrategien ist die Hamburger Künstlerplattform SofaConcerts. Auch dort suchte man nach Wegen, das eigene Geschäftsmodell Corona-fest zu gestalten – und fand schließlich Modelle, von denen auch die Künstler profitieren.

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Aus Besuchern werden Veranstalter

Die Geschichte der Hamburger Vermittlungsagentur beginnt jedoch lange vor der Pandemie: 2013 treffen sich die beiden ehemaligen Schulfreundinnen Marie-Lene Armingeon und Miriam Schütt nach Jahren auf einem Wohnzimmerkonzert wieder. Begeistert ist das Duo dabei nicht allein von der unverhofften Begegnung, sondern auch von der Idee, Künstler von der Bühne in die eigenen vier Wände zu holen. Armingeon und Schütt kündigen daraufhin ihre Jobs und gründen 2014 in Hamburg die Onlineplattform SofaConcerts. Deren Ziel: talentierte und – in den meisten Fällen – noch unbekannte Musiker mit ihren Fans zusammenzubringen, ob nun im eigenen Wohnzimmer, auf der Hochzeits- oder Geburtstagsparty.

Heute versammelt das Unternehmen rund 7000 Künstler aus 16 Ländern auf seiner Plattform. Musikliebhaber können dort den gewünschten Sänger oder die präferierte Band auswählen und eine Anfrage an SofaConcerts richten. „Auf unserer Internetseite haben Interessierte dabei auch gleich die Möglichkeit, ihre Vorstellungen hinsichtlich Gage und Auftrittsmodalitäten mitzuteilen“, erklärt Philipp Ostendorf vom SofaConcerts-Team. Die Agentur nimmt in der Folge Kontakt zum jeweiligen Künstler auf, klärt die Details und vermittelt diesen im Idealfall zur finalen Abstimmung an die potenzielle Konzertgesellschaft. Das Modell, betont Ostendorf, laufe sehr gut und sei zunehmend gefragt. Auch die Zahl der Künstler, die sich um Aufnahme ins Plattformportfolio bewerben, wachse stetig.

Mit einer Einschränkung: „Wir wollten unser Angebot in diesem Jahr eigentlich weiter ausbauen, aber dann kam Corona“, blickt Ostendorf zurück. „Unser Produkt lebt davon, Menschen in persönlicher Atmosphäre zusammenzubringen, von den Emotionen und besonderen Erlebnissen, die sich bei solch kleinen Konzerten einstellen, aber das war in der Pandemie natürlich nicht mehr umsetzbar.“ Unter den neuen Gegebenheiten habe man bei SofaConcerts daher überlegt, „wie wir die Leute trotz der Corona-Beschränkungen weiter mit Livemusik verbinden und gleichzeitig auch die Künstler unterstützen können, die unter der Krise leiden“.

Die dreigeteilte Antwort: „Wir haben daraufhin zunächst die digitalen Grußbotschaften ins Leben gerufen, die in der Corona-Krise und gerade auch jetzt in der Weihnachtszeit sehr gut angenommen werden“, erklärt Ostendorf. Das Angebot sei eine schöne Möglichkeit, die erzwungene Distanz zu überbrücken. Konkret geben Kunden ihre selbst gestaltete Grußbotschaft bei einem Künstler ihrer Wahl in Auftrag, der daraus wiederum einen persönlichen Song gestaltet – und diesen versandbereit auf Video festhält.

Alternativ dazu können Sänger und Bands auch für ein Ständchen gebucht werden – vor der eigenen Haustür oder jener von Freunden und Verwandten. „Das Konzept war im Sommer sehr gefragt, entfällt im Lockdown aber leider aufgrund der Kontaktbeschränkungen“, erklärt Ostendorf und fügt an: „Auf diese beiden Pandemieprojekte sind wir sehr stolz, allerdings ersetzen sie nicht die besonderen musikalischen Begegnungen unseres Kernprodukts.“

Um diese in der Pandemie zumindest in Ansätzen zu konservieren, wurden daher schließlich auch die Konzerte ins Internet verlegt. „Wir haben uns erst ein bisschen schwer damit getan, weil wir Bedenken hatten, dass die Emotionen und die Nähe im Stream einfach verloren gehen“, sagt Ostendorf. Dabei habe sich schnell gezeigt, dass sich durchaus auch in einer Videokonferenz ein ganz persönliches, intimes Konzerterlebnis entwickeln lasse. „Man ist zwar nicht im gleichen Raum, aber dennoch sieht man einander, unterhält sich und erlebt gemeinsam schöne Momente“, betont Ostendorf.

Neue Konzepte als Lichtblick

Von solchen weiß auch die Koblenzer Band Kyona zu berichten, die sich unmittelbar vor dem ersten Lockdown bei SofaConcerts anmeldete. „Gemütlichkeit, Lockerheit, Nähe, Verbindung, Spaß und Freude“, zählt Gitarrist Mike Crenshaw die Merkmale auf, durch die die privaten Auftritte für ihn persönlich gekennzeichnet sind. Da in der Corona-Krise fast alle Livespielmöglichkeiten wegfallen, „ist es für uns natürlich ein Lichtblick, dass es neue Ideen und Wege gibt, mit dem Publikum zu interagieren“. Schließlich lebe man als Künstler von genau diesem Miteinander. „Durch Livestreams und Musikbotschaften“, sagt Crenshaw, „halten wir die Verbindung zur Welt aufrecht und können mit unserer Musik auch weiterhin Freude bereiten.“ Wobei es nicht ganz einfach sei, sich im digitalen Raum zu behaupten, „da sich dort zurzeit sehr viele Künstler bemühen, Gehör zu finden“.

Das bestätigt auch Ostendorf: Einige Künstler, sagt er, hätten von den neuen Angeboten in der Pandemie „sehr gut leben können“, andere, gerade solche, die kaum bekannt seien oder der Musik nicht hauptberuflich nachgingen, erreichten die Maßnahmen hingegen nur selten. „Die Auswirkungen der Pandemie haben ein derart großes Loch gerissen, dass es schlichtweg unmöglich ist, alle Betroffenen zu unterstützen“, sagt Ostendorf. SofaConcerts leiste in der Krise somit nur einen kleinen Beitrag. Aber: „Wir versuchen zumindest, möglichst vielen Künstlern zu helfen.“

Bewerbungs- und Buchungsmöglichkeiten gibt es im Internet unter www.sofaconcerts.org

Von unserem Redakteur Stefan Schalles