Die AKM rückt den Werkstoff in den Mittelpunkt ihrer aktuellen Ausstellung - und eröffnet dabei ganz neue Seiten
So spannend kann Papier sein: AKM-Ausstellung in Koblenz eröffnet neue Perspektiven auf den Werkstoff
Papier ist in der neuen Ausstellung der AKM allgegenwärtig – und das in ganz unterschiedlichen Verwendungs- und Erscheinungsformen wie etwa der „The Strange Taste Of Yellow" betitelten Collage Maren Rubens.
Stefan Schalles

Im digitalen Zeitalter wirkt Papier zuweilen wie ein Relikt aus längst vergangenen Tagen. Und doch spielt der Werkstoff auch heute noch eine kaum zu unterschätzende Rolle, begegnet uns täglich etwa in Form von Verpackungen oder als Geldschein. Die Bedeutung des ausdrucksstarken Mediums rückt die Arbeitsgemeinschaft bildender Künstler am Mittelrhein (AKM) nun in den Mittelpunkt einer neuen Ausstellung – und beweist dabei, dass Papier weit mehr sein kann als „nur“ unerlässliches Trägermaterial.

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Papier ist in der neuen Ausstellung der AKM allgegenwärtig – und das in ganz unterschiedlichen Verwendungs- und Erscheinungsformen wie etwa der „The Strange Taste Of Yellow" betitelten Collage Maren Rubens.
Stefan Schalles

Wohin die kreative Reise geht, verdeutlicht Violetta Richard anhand dreier Attribute, die, so die AKM-Vorsitzende, zugleich auch die künstlerischen Schwerpunkte der „Papier(e)“ betitelten Schau darstellten: „Materialität, Transformation und Kostbarkeit.“ Letztgenanntes vor allem auch wegen der Vielseitigkeit des Werkstoffs, der Träger von Emotionen oder Erinnerungen sein kann, ebenso als haptisches Erlebnis in Erscheinung tritt. Und: „Papier“, ergänzt Richard, „hat zudem einen spezifischen Klang, einen Geruch, und es beansprucht seine eigene bildnerische Erzählweise.“

Eben der bedienen sich nun auch die ausstellenden Künstler im Haus Metternich, die sich der Thematik in ihren Werken aus ganz unterschiedlichen Richtungen nähern und dabei doch „immer wieder in einen Dialog treten“, wie Richard betont. Da wäre beispielsweise die in Straßburg lebende Maren Ruben, die in der AKM-Schau mit vier großformatigen Collagen vertreten ist – von der Künstlerin selbst „als Überlappung von Zeichnung, Malerei, Papier und Schrift“ charakterisiert.

Eine Leinwand aus Fischhäuten

Im Zusammenspiel ähneln diese Komponenten schließlich einem Relief, das Ruben teils über Jahre durch wiederkehrende Eingriffe „auffüttert“, wie sie sagt: „Durch ständig neue Faltungen, Überlagerungen und Auslassungen“, so die Künstlerin, „erhält die Collage einen dichten, organischen Zustand mit Höhen und Tiefen, aber auch Brüchen und Störungen.“ Der „offene Prozess“, in dem die Arbeiten entstehen, wird somit auch im Bild erkenn- und nachvollziehbar, anhand feiner Lasuren oder unscheinbarer Manipulationen etwa, die Ruben als „komplementäres Modell unserer rasenden, bild- und reizüberfluteten Gegenwart“ begreift.

Valentina Jaffés „Zip-Paintings“
Violetta Richard

Das Materielle, die Plastizität, die hier im Fokus steht, zeigt sich in der Folge auch an vielen weiteren Stellen, bei Goekhan Erdogan oder Léa Barbazanges etwa: Während Erstgenannter das teils eingefärbte Papier zunächst presst und in der Folge im Bildhauerstil bearbeitet, verwendet die im französischen Rennes geborene Künstlerin Plattfischhäute als Leinwand für ihre Malerei, thematisiert auf diese Weise die „Dualität von Leben und Materie“, wie sie erklärt.

Nicht weniger spannend sind derweil auch die „Zip-Paintings“ Valentina Jaffés, abstrakte Muster in fließenden Farben, auf Langfaserpapier gemalt und über einen Stahlbügel gehängt. „Wenn das Material ausgerollt wird und auf den Boden gleitet“, erklärt die Künstlerin, „organisiert es sich dort in immer neuen Zusammensetzungen selbst.“ Die in der Bewegung entstehenden Falten und Stapel bildeten auf diese Weise „ein experimentelles Ordnungssystem“ – und erinnern dabei an die titelgebenden Zip-Dateien, in denen Inhalte zunächst verdichtet und komprimiert werden, um sie später auf dem PC – oder in Jaffés Fall im Haus Metternich – wieder zu entfalten.

Ebendort mischen neben den genannten Gästen natürlich auch die AKM-Mitglieder mit, vier an der Zahl, darunter Elisabeth Hansen, die sich selbst gern als „Spurensucherin in der Natur“ bezeichnet, auf ausgedehnten Spaziergängen bevorzugt das „scheinbar Unscheinbare“ fotografisch einfängt, um sich hiervon in ihrer Kunst inspirieren zu lassen. In der „Papier(e)“-Ausstellung zeigt Hansen nun eine Auswahl ihrer Scherenschnitte, die sie auf eine Platte montiert, leicht abstehend, wie sie sagt, „damit die Motive auch dort wieder lebendig und organisch wirken“.

Einer der im Künstlerhaus gezeigten Scherenschnitte Elisabeth Hansens
Stefan Schalles

Wobei die fertigen Arbeiten, das betont die Koblenzerin gleich im nächsten Satz, „keine bloßen Abbildungen des Fotografierten“ seien, vielmehr „freie Arbeiten“, deren Formsprache sich aus den realen Modellen ableite. Doch: Wer weiß, dass sich Hansen bei einem Teil ihrer Bilder von Rissen im Asphalt beschädigter Straßen anleiten ließ, erkennt das Original im Bild durchaus wieder.

Weniger naturbasiert, dafür in den Raum hinein arbeitet wiederum Kyra Spieker: Die langjährige AKM-Mitstreiterin hat dort, wo heute nur noch Kapitelle die Wände zieren, aus Papier geformte Säulen errichtet – quasi als Ersatz für die steinernen Originale, die sich hier einst in die Höhe streckten. „Ich spiele sozusagen in einer ironischen Form mit den architektonischen Elementen des Raumes“, erklärt Spieker, die ihre Papiersäulen bewusst so arrangiert hat, dass sie die Kapitelle in Teilen verdecken, sich diesen „nicht unterordnen“, wie sie sagt.

Lyrik als Binärcode

Was wohl auch darin begründet liegt, dass Spiekers Werke – losgelöst vom Raum – ihre ganz eigene Botschaft transportieren, sinnbildlich für Fragen stehen wie „Wer stützt wen?“ oder „Worauf können wir bauen?“, die in den aktuellen Krisenzeiten, so die Künstlerin, noch weitaus präsenter seien als ohnehin schon. Ein philosophisch gefärbter Ansatz, der ganz gut korrespondiert mit den wenige Meter weiter aufgebauten Werken Violetta Richards: Die AKM-Vorsitzende nämlich hat von ihr verfasste Gedichte malerisch in einen Binärcode übersetzt – beides auf Papier, versteht sich, beides mit dem inhaltlichen Fokus darauf, „was Augenhöhe und Würde bedeuten und wie wir damit umgehen“, wie Richard erläutert.

Ein Stockwerk tiefer, im Eingangsbereich des Künstlerhauses, gewährt schließlich auch Nicolaus Werner Einblicke in sein Schaffen, zeigt – in doppelter Hinsicht passend – unter anderem eine M-förmige, aus zusammengefügten Papierbahnen gefertigte Installation. Eine Art „gerahmter Durchgang“, wie Werner es nennt, einer überdimensionierten Supraporte (Gemälde oder Relief über einem Portal) ähnelnd und damit zugleich das symbolische Tor in eine vielseitige Werkschau, die Papier in einem ganz neuen Licht erscheinen lässt.

Die Ausstellung wird am Samstag, 1. April, um 16 Uhr im Künstlerhaus Metternich am Koblenzer Münzplatz eröffnet und ist dort in der Folge bis zum 7. Mai zu sehen. Am Donnerstag, 13. April, ist ab 18.30 Uhr eine Performance mit den Arbeiten Valentina Jaffés geplant. Weitere Infos gibt's hier.