Geschäftig geht es zu vor den Toren des Dogenpalasts: Über den Kai, von dem aus sich die Gondel gerade zurückbegibt auf die Lagune, wandeln Frauen in langen Kleidern, sitzen Männer in Arbeit versunken, drängen Passanten über die Ponte della Paglia, während der Campanile des Markusdoms die Szenerie gewohnt stoisch aus der Distanz betrachtet. Die Burg Eltz hingegen zeigt Heinrich Hartung III – im Gegensatz zu Félix Ziems Venedig-Stimmung – menschenleer in sonnenbeschienenen Hügeln, und auch auf Georg Anton Rasmussens Fjordlandschaft dominiert die Einsamkeit, treibt ein verloren wirkendes Ruderboot vor der majestätisch emporragenden Gletscherkulisse.
„Schöne Aussichten“ – so der Titel der Ausstellung – bieten sich in der Neuwieder Stadtgalerie Mennonitenkirche tatsächlich en masse. Malerische Schlösser entlang des Rheins sind auf den gut 70 gezeigten Arbeiten ebenso zu finden wie imposante Berglandschaften oder stürmische Ozeane, Werke von Künstlern aus der Region gleichermaßen wie jene des englischen Impressionisten David Cox oder des Spätromantikers Carl Spitzweg. Alle entstammen sie dabei der umfangreichen – und von der Stadtgalerie verwalteten – Sammlung des Neuwieder Ehrenbürgers Dieter Berninger (1910–1995), der über viele Jahrzehnte ganz unterschiedliche Werke zusammengetragen hat, vor allem solche aus der Zeit zwischen 1750 und 1850.

Los geht es in der thematisch aufgegliederten Schau indes ganz unaufgeregt, ja, beschaulich: Im Deichzimmer regiert die klassische Landschaftsmalerei. Der britische Romantiker John Constable etwa zeigt dort den Schäfer bei der Arbeit, der Franzose Jules Dupré wiederum lässt Kühe an einem Bachlauf grasen, wohingegen Andreas Achenbach – und bereits hier zeigt sich die große Bandbreite der Sammlungsmotive – den Blick von Südwesten aus auf die Abtei Maria Laach eröffnet, den Sakralbau vor dem glatt gezogenen See verewigt, beides malerisch einbettet in das grün gefärbte Mittelgebirgspanorama der Eifel.
Noch weitaus höher hinaus strebt die Kunst unterdessen im benachbarten Kirchsaal, der vor allem mit Abbildungen aus Süddeutschland und der Schweiz bespielt wird. Schroffe Felsformationen – mal von Schnee bedeckt, dann wieder ungeschminkt grau – sind hier omnipräsent, vor allem aber pittoreske Gebirgsseen, die Künstlern wie dem in Neuwied geborenen Gustav Rüschhoff oder dem Koblenzer Maler Georg Saal reichlich Inspiration lieferten für ihre nuancenreichen Bilder.
Schiffsmotiv trifft Biedermeier
Doch nicht nur Berge, auch das Meer erfährt in der Ausstellung seine angemessene Würdigung, steht ein Stockwerk höher im Mittelpunkt der Betrachtung. Wobei in dieser maritimen Sektion neben anderen auch ein Gemälde Franz Müller-Gossens ins Auge fällt, der die Vorlagen für seine vielfach gefertigten Schiffsmotive nicht selten im Hamburger Hafen fand, es in der Neuwieder Schau nun allerdings etwas stürmischer angeht, denn: Der hier gezeigte Dampfer ankert nicht etwa in den gezügelten Gewässern der Hansestadt, sondern scheint hiervon noch ein gutes Stück entfernt, kämpft sich mühsam durch die wild schäumende See.
Beruhigend wirkt da wiederum der Blick auf die Motive des Biedermeier, der Rückzug in die gut sortierte Behaglichkeit der eigenen vier Wände, wie sie in der Ausstellung zum Beispiel der gebürtige Neuwieder Curt Karl Rüschhoff festhält in seinem Gemälde. Oder auch Johann Jakob Vollweider, der auf einem anderen Bild das Interieur von Schloss Monrepos in Neuwied inszeniert, zu dem Berninger auf der Werkrückseite notiert hat: „Die Einrichtung ist typisch für den späten Klassizismus und den frühen Biedermeier, die sich beide in besonderer Bescheidenheit darbieten.“

Zusätzlich verstärkt werden diese Eindrücke schließlich noch durch die passenden Möbel zur Epoche, die die Exponate der bildenden Kunst – dank des Neuwieder Roentgen-Museums als Leihgeber – in der Stadtgalerie flankieren. Ein Nähtisch, Schränkchen und Stühle aus der Zeit zwischen 1830 und 1840 sind dort zu begutachten. Auch ein Kleid mit Schultertuch und Brosche wird gezeigt.
Wenngleich natürlich auch die Kunstwerke selbst (kultur-)historisch Wertvolles bereithalten, etwa das um 1830 entstandene Gemälde von Johann Baptiste Bachta, auf dem das heutige Schloss Stolzenfels noch als (erst später wieder aufgebaute) Ruine zu sehen ist, im Hintergrund (vermutlich) zudem der luxuriöse Raddampfer „Friedrich Wilhelm“, mit dem neben der „Concordia“ 1827 die Rheinschifffahrt ihren Anfang nahm. Ein richtungsweisender Teil der Geschichte, der hier mithilfe der Kunst wieder lebendig wird.
Die Ausstellung wird an diesem Donnerstag, 13. März, um 19 Uhr in der Stadtgalerie eröffnet und ist dort in der Folge bis zum 4. Mai zu sehen. Weitere Infos auch unter www.neuwied.de/galerie