Neues Buch von Julia Schmitz
„Sagenhaft“: Eine Reise zu Deutschlands Mythen
Schauplatz von Sagen und Mythen war auch die Burg Eltz, wo heute noch der Geist einer längst verstorbenen Gräfin durch die Gänge wandeln soll. Diesen und viele weitere Orte in der Region hat Julia Schmitz für ihr Buch ebenfalls besucht.
Boris Roessler. picture alliance/dpa

Warum faszinieren uns alte Geschichten bis heute? Und was können wir von ihnen lernen? Das wollte Julia Schmitz bei ihrer Suche nach Mythen und Überlieferungen herausfinden. Herausgekommen ist ein überaus spannendes Buch.

Lesezeit 3 Minuten

In der Fülle von Büchern über Sagen, Märchen und Legenden ist die Neuerscheinung „Sagenhaft“ von Julia Schmitz eine bemerkenswerte Ausnahme. Wie es der Untertitel „Meine Reise zu Deutschlands Mythen und Geschichten“ erahnen lässt, hat sich die Journalistin und Literaturwissenschaftlerin quer durch die Republik auf den Weg gemacht zu Schauplätzen und Orten, wo die Sagen herkommen, wo sie spielen. Dabei besuchte sie unweigerlich auch den Rhein und die Eifel. Ihre Perspektive aus Kulturgeschichte und persönlichen Erlebnissen, die Begeisterung für den Zauber verwunschener Welten und ein zeitgemäß kritischer Blick garantieren eine spannende Lektüre.

Lange wurden Märchen und Sagen, Bräuche und Traditionen bestenfalls als Folklore belächelt, schreibt Julia Schmitz. Das hat sich verändert, vielleicht auch durch den Fantasy- und Mittelalterboom, sicherlich aber angesichts der Rückbesinnung auf überschaubare Orte, auf die Heimat, in einer globalisierten und entzauberten Welt. So treffen, lange nach den Romantikern, Märchen und Sagen wieder auf ein verstärktes Interesse.

Autorin Julia Schmitz
Studio Monbijou

Was sich hinter dieser Erzähltradition verbirgt, warum uns die alten Geschichten bis heute faszinieren und was wir von ihnen noch lernen können – das wollte Julia Schmitz bei ihrer Suche nach Mythen und Überlieferungen herausfinden. Großen Themen wie Liebe, Verrat, Tod und Trauer ist sie dabei begegnet, aber auch Hexen im Harz, dem Teufel in der Sächsischen Schweiz – und einer Nixe, die Männer ins Verderben stürzte. Von der Anziehungskraft der Lore-Ley lebt das Mittelrheintal bis zum heutigen Tag. Heinrich Heines Verse „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten …“ haben Ewigkeitscharakter.

Dass der Mythos zunächst in Bacharach spielte und Clemens Brentano mit seiner Ballade „Die Lore Lay“ den Grundstein legte, soll nicht vergessen werden. Bereits hier geht es um eine tragische (Liebes-)Geschichte, denn die Lore ist „so schön und fein“, dass alle Männer komplett ausrasten. Als „Zauberin“ soll sie erst zum Tode verurteilt, dann hinter Klostermauern verbannt werden. Heine schließlich platziert die Schöne auf den Felsgrat, wo sie sich das Haar kämmt und dabei singt. Was wiederum die Männer, in diesem Fall die Schiffer, rollig macht. Sie können sich nicht sattsehen und kentern dadurch in den Stromschnellen. „Das hat mit ihrem Singen, die Lore-Ley getan“, wie Heine dichtete.

Verführung, Liebeskummer und Tod

Zusammengefasst: Es sind nicht die geilen Kerle schuld, sondern die Frauen, denen angesichts ihrer Schönheit wahlweise Wollust, Verführungskünste, gar Zauberei attestiert wird. Ganz schön sexistisch, aber auch Ausdruck jener Zeit. Wie gut, dass solche Klischees weitgehend verschwunden sind, wie das Gespräch der Autorin mit der selbstbewussten Loreley-Repräsentantin Katharina Blanckart beweist. Man kann seine Heimat lieben, gern die Loreley verkörpern, schön aussehen und doch etwas im Kopf haben, oder? Na klar doch.

Warum uns die Loreley bis heute fasziniert? Weil die Felsennixe „elementare Themen wie Verführung, Liebeskummer und Tod“ widerspiegelt, weil es um Erotik und zugleich um Angst und Ehrfurcht geht, weiß Julia Schmitz. Und natürlich weil diese rätselhafte Story in einer zauberhaften Tallandschaft spielt, die wie keine andere den Geist der Romantik spüren lässt.

Mit dem Schwert gegen die Zwangsheirat

Nur wenige Kilometer weiter, in der Eifel, findet man auf Burg Eltz das Gegenmodell zur Loreley. Hier soll sich im 15. Jahrhundert die junge Agnes von Eltz gegen die Zwangsheirat mit einem Junker gewehrt und mit dem Schwert in der Hand im Kampf gegen den Tross des gehörnten Bräutigams heroisch umgekommen sein. Wow, so viel weibliches Selbstbewusstsein, solch ein Mut und Eigensinn im Kampf um die eigenen Rechte im Mittelalter! Die Erzählung hat was. Dass Agnes angeblich heute noch des Nachts durch die Burg geistert, na ja, ein bisschen spooky könne Sagen ja schon sein.

Julia Schmitz: „Sagenhaft“, Reclam Verlag, 256 Seiten, 22 Euro