Das Staatsorchester Rheinische Philharmonie gab am Samstag ein Sonderkonzert, das wegen der enormen Nachfrage am Sonntag wiederholt wurde. Endlich können zwei Gruppen wieder zusammenkommen, die quasi von Natur aus zusammengehören: klassische Orchestermusiker und ihr Publikum. Doch wo sich normalerweise 1200 Besucher zum großen Konzertabend versammeln, nehmen nun unter Corona-Bedingungen gerade 115 Musikfreunde diszipliniert Platz auf den mit sicheren Abständen über die Weite des Saales verteilten Einzelstühlen.
Live bleibt live
Es ist ein eigentümliches Bild und ein seltsames Gefühl. Trotzdem herrscht Vorfreude ringsum. Denn das leibhaftige Konzerterleben kann letztlich keinerlei mediale Musikvermittlung ersetzen. Zuletzt war die Rheinische in größerer Besetzung bei der Premiere der Oper „Die Liebe zu den drei Orangen“ im Theater Koblenz zu hören. Dann kam die Pandemie und mit ihr die Stille. Das liegt nun vier Monate zurück. Wie bei den beiden Konzerten am Wochenende Publikum nur in extrem reduzierter Zahl zugelassen werden konnte, so war es auch beim Orchester. Unter Leitung von Garry Walker finden auf der Bühne der Halle mit Sicherheitsabständen 25 Musiker Platz, er selbst sowie Violinsolistin Tianwa Yang inklusive. Also entschied man, den Raum für ein reines Streichorchester aus den Reihen der Rheinischen Philharmonie zu nutzen. Entsprechend fällt die Stückwahl für das 75-minütige Konzert aus. Gegeben wird die „St. Pauls‘ Suite“ von Gustav Holst in der Streicherfassung, das Konzert für Violine und Streichorchester d-Moll des jungen Felix Mendelssohn Bartholdy sowie Antonin Dvoraks Streicherserenade E-Dur.
Bei den Proben spielte im Görreshaus der Zollstock eine wichtige Rolle. Da der Saal des Philharmonie-Domizils ungefähr der Bühnengröße in der Rhein-Mosel-Halle entspricht, wurde vorab genau gemessen, gerechnet, ausprobiert, wie die Musiker unter den Vorschriften des Corona-Reglements zu verteilen sind. Dass sie ungewohnt weit auseinander und jeweils vor einem eigenen Pult sitzen, tut der Musizierqualität keinen Abbruch.
Fremde Stimmung, neue Akustik
Das Sonderkonzert ist kein halb gares Notkonzert, sondern ein fein ausgearbeiteter vollwertiger Vortrag – mit einer fabelhaften Solistin, die Virtuosität, Gestaltungskraft, Zartheit und Zupacken in ein ausgezeichnetes Zusammenspiel mit dem Orchester einbringt. Zum Phänomen wird die durch das sehr kleine Publikum veränderte Konzertakustik des Saales: Der Nachhall ist deutlich größer, der Ton des nur 25-köpfigen Orchesters wirkt erstaunlich voluminös.
Sichtliche Spielfreude der Musiker, enorme Hörlust beim reduzierten Auditorium: Mögen die Bedingungen auch eigentümlich sein, so genießen doch alle Anwesenden sichtlich, was sie über Monate vermisst haben. Dem Gros der Klassikfreunde aber ist das noch nicht vergönnt. „Der Andrang auf die beschränkte Zahl der Einlasskarten war im Vorfeld beträchtlich. Wir mussten leider sehr viele Interessenten abweisen“, erklärt Philharmonie-Intendant Günter Müller-Rogalla. Indes, ein Anfang ist gemacht. Und wenn die Gesellschaft Vernunft im Umgang mit der Seuche walten lässt, wird es bald weitere Orchesterkonzerte geben.