Zauberhafte Inszenierung: Theater Koblenz zeigt Shakespeares Komödie unter freiem Himmel in einer früheren Festungsanlage
Reizender "Sommernachtstraum" voll süßer Versprechen
Im Innenhof der Feste Franz in Koblenz lässt das Theater Koblenz das Schloss und den Zauberwald aus Shakespeares „Sommernachtstraum“ mit einfachen Mitteln entstehen – und mit viel Liebe. Foto: Matthias Baus/Theater Koblenz
Matthias Baus für das Theater Ko

Koblenz. Wenn Sommer ist, zieht es auch das Theater hinaus zum Spiel unter freiem Himmel, Wetterrisiko inklusive. Glück für die Premiere von „Ein Sommernachtstraum“ in Koblenz: Der Abend war warm, erst zum Finale träufelte es einige Regentropfen. Langer Beifall, vergnügte Gesichter – man hat auf dem Vorplatz der Feste Franz bei einer reizenden kleinen Produktion kurzweilige 90 Minuten erlebt.

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Shakespeares Zauberkomödie über Wirrungen der Liebe bietet viele Möglichkeiten des Zugriffs. Die jetzige Gemeinschaftsproduktion von Theater Koblenz und dem Landesverband professioneller freier Theater Rheinland-Pfalz (laprofth) setzt nicht auf opulentes Märchenspektakel. Regisseurin Sarah Klöfer baut vielmehr auf die Intimität der von Mauerruinen und wucherndem Grün umfassten Spielstätte.

Schon zum offenen Beginn werden die ihren Plätzen zustrebenden Besucher mit einem Geschenkpäckchen begrüßt. Es herrscht noch ein reges Durcheinander: Irgendein Jürgen findet den Weg zur Festung nicht, die Musiker fehlen auch noch. Wann, wie und ob es losgeht, scheint keiner zu wissen. Doch da stecken wir unmerklich bereits drin im Spiel – wirken als Hochzeitsgäste mit in der Ankunftsszene am Vorabend der Fürstentrauung. Der Übergang zwischen Spielfläche und Zuschauern bleibt fließend, wie auch die folgenden Übergänge zwischen den Szenen, zwischen Realität, Zauberei und Traum.

Sandra Lindes Bühnenbild besteht überwiegend aus Holzpaletten, Obstkistchen, Kissen und vier übergroßen, das Worte Love bildende Buchstaben als optischem Leitmotiv. Sämtliche Utensilien sind in strahlendem Einheitsgelb gehalten, über dessen symbolische Bedeutung man lang wie vergeblich sinnieren könnte.

Die doppelten Pucks

Gelb ist jedenfalls die Lieblingsfarbe von Fürstin Hippolyta und setzt vor die im Abendlicht dunkelnde Färbung von Mauern und Buschgrün einen hübschen Kontrast. Mit einigen Handgriffen werden die Kisten vom Schloss zum Zauberwald, und weil das per se niemand erkennt, sagen es die beiden Pucks uns einfach: „Denkt euch ...“ Zwei Pucks? Die Konstellation erweist sich bald als feine Idee: Stephen Appleton und Fridjof Bundel können sich als gedoppelter Kobold keck die Schabernack- und Narreteibälle zuspielen.

Auf eigene Weise närrisch treten die sieben Akteure aus diversen laprofth-Gruppen auf. Ihnen fällt hier die Doppelrolle der schauspielerisch dilettierenden Handwerker sowie einer Hochzeitsmusikband zu. Mit Fidel, Klampfe, Quetschkommode, Klapper spielen sie auf. Immer wieder stimmen sie von Fridjof Bundel kombinierte Lovesongs aus Rock und Pop an, die vom übrigen Ensemble aufgegriffen werden. Auf Folkstil getrimmte Titel unterstreichen atmosphärisch, was gerade geschieht.

Poetische Beiträge

Die Grenze zum gefälligen Musicaleinschlag liegt nahe, wird aber kaum überschritten, eher der Abend mit einer klingenden Poesiegirlande geschmückt. Überhaupt möchte man die Beiträge der LaProfth-Akteure als poetisch kennzeichnen, auch und gerade dort, wo sie liebenswerte Trottel geben. Die Regie bindet deren Stärken in Pantomime und leiser Clownerie schön ein. Leichtfüßig, humorig, teils übermütig verkünstelt, teils wie improvisiert spontan wirkend, tanzt dieser klug verkürzte „Sommernachtstraum“ durch den Abend – und bezirzt den Zuseher mit einer großen Fülle raffinierter, sinniger und sinnlicher Momente gerade im Kleinen der Schauspielkunst.

Dorothee Lochner feindet als Titania hier ihren Gatten Oberon (trefflich depperter Gott: Jan Sabo) giftig an, schnurrt bald wollüstig in den Armen des zum Esel verwandelten Zettel. Christof Maria Kaiser gibt einen verzogen pedantischen Lysander, Ian McMillan einen bubenhaft schwärmerischen Demetrius. Beide zusammen werden unter Einfluss von Pucks Zauberblume zum die schöne Helena umflatternden Mannsduo. Während die Hermia von Shantia Ullmann auf ihren Begierden sitzen bleibt und schmollend die Welt nicht mehr versteht, schwankt Magdalena Pirchers Helena zwischen unschuldiger Entrüstung und des Leibes Lockung, sich vielleicht doch beide Jünglinge zur Brust zu nehmen und die Hermia womöglich obendrein.

Das alles ist zauberhaft gemacht – nicht zuletzt weil der ewige Doppelsinn des Shakespeare‘schen Love-Begriffs aus Herzensliebe und Fleischeslust hier keine fette Frivolität bemüht, sondern als süßes Versprechen durch Blicke, Haltungen und Betonungen flirrt.

Karten und weitere Informationen im Internet unter www.theater-koblenz.de

Von unserem Autor Andreas Pecht