Es ist ein ganz besonderes Musikdrama, das sich das Theater Koblenz für seine neue Produktion zu Gast in der Kulturfabrik im Stadtteil Lützel ausgesucht hat: In „Through Roses“ geht es um einen jüdischen Geiger, der ein NS-Vernichtungslager überlebt hat und sich später in einer traumatischen Spirale der Erinnerungen wiederfindet. Der US-amerikanische Komponist Marc Neikrug (Jahrgang 1946) hat das kaum eine Stunde lange Werk in den Jahren 1979 bis 1980 im Auftrag eines jüdischen Kultur- und Gemeindezentrums in New York geschrieben – und damit einen weltweiten Nerv getroffen. Seither wurde „Through Roses“ in elf Sprachen übersetzt und in mehr als 15 Ländern aufgeführt – nun ist am Sonntag, 15. Juni, Premiere der Koblenzer Neuproduktion.
Die Geschichte, die in dem Stück nicht linear, sondern eher in bruchstückhaften Erinnerungen erzählt wird, beruht auf tatsächlichen Berichten aus den Vernichtungslagern: Zahlreiche jüdische Musikerinnen und Musiker, die dort in Gefangenschaft gehalten wurden, mussten vor anderen Insassen oder zur Unterhaltung der Lagerleitung musizieren. In einigen Lagern fanden regelmäßige Musikvorführungen statt, so unglaublich das angesichts der allgegenwärtigen Grausamkeiten auch wirken mag.
Zitate aus der Musikgeschichte
Der Komponist Neikrug lässt Erinnerungen an das Musizieren im Lager immer wieder in mehr oder weniger veränderten Zitaten aus der deutschen Musiktradition aufscheinen, die in seine eigene zeitgenössische, die Tonalität erweiternde Musiksprache eingebunden sind. So tauchen aus den verschiedenen Klangflächen etwa Bruchstücke aus Werken von Bach, Beethoven, aus Wagners „Tristan und Isolde“ oder auch aus Haydns „Kaiserquartett“ von 1796 auf, dessen Melodie über „Gott erhalte Franz, den Kaiser“ später unter dem Schlachtruf „Deutschland, Deutschland über alles“ über die Welt kommen sollte.
Über dieser beziehungsreichen und eng geknüpften musikalischen Grundlage erklingen die gesprochenen Texte, die teils aus klassischer Dichtung inspiriert sind, teils die Biografie des Geigers grob skizzieren – und die Liebe zu einer Frau, die offenbar im selben Lager wie er lebte und dort zu Tode kam, was er während eines „Auftrittes“ durch Rosen hindurch („through roses“) erkennen konnte.
Erinnern an Realitäten
Für die Neuproduktion des Theater Koblenz hat sich Regisseur Leon Kohlstadt zuerst einmal der Grundlagen vergewissert, auf denen das Stück entstanden ist – und sich die Frage gestellt, warum man „Through Roses“ auch oder gerade heute spielen muss. Seine Antwort: „Das Stück kann einen aus der relativ trockenen Gedenkroutine herausholen, die man heute vielfach hat und kennt und die niemanden mehr wirklich berührt.“ Dabei sei wichtig, dass wir mit dem Geiger auf eine Figur treffen, einen Überlebenden, „der uns schonungslos damit konfrontiert, wie es ihm geht“. Er habe den Eindruck, dass die deutsche Gesellschaft oft lieber den Überlebenden zugehört habe, die einen eher versöhnlichen Ton anschlugen. Das sei auch ein gewichtiger Teil der Wahrheit, aber: „Vielen ging es eben ganz anders, sie sind niemals über ihre Erlebnisse hinweggekommen und mussten nach dem Krieg unter elenden Bedingungen leben.“ Das Erinnern an diese Realitäten hält der junge Regisseur für wichtig – „gerade in unserer heutigen Zeit, in der sich viele Menschen ihres Geschichtsbildes nicht mehr so sicher sind und einige Leute das auch bewusst ändern wollen.“
Wie vom Komponisten für das Stück vorgesehen, wird auch in Koblenz die Aktion des Schauspielers mit dem achtköpfigen Ensemble von Musikerinnen und Musikern verzahnt sein. Geleitet werden sie von Felix Pätzold, dem Ersten Kapellmeister des Koblenzer Theaters. Er verabschiedet sich mit dieser Produktion vom Koblenzer Publikum – ebenso wie Regisseur Leon Kohlstadt, der nach vier Jahren Tätigkeit als Regieassistent seine Tätigkeit beim Koblenzer Theater beendet.
Tickets für die Premiere am Sonntag, 15. Juni, sowie für zehn weitere Termine bis zum 2. Juli unter www.theater-koblenz.de