Größte Plattform der Baukultur bietet am letzten Juniwochenende wieder live die Möglichkeit, beispielhafte Projekte zu erkunden
Präsident der Architektenkammer im Interview: „Im Dialog mit der Umgebung arbeiten“
Eine der spektakulären Stationen beim Tag der Architektur am letzten Juniwochenende: die Erweiterung des Hilda-Gymnasiums in Koblenz, für die die Fries Architekten aus Vallendar verantwortlich zeichnen.
Brüning Interiors, Höhr-Grenzhau

Wie beeinflusst der Ukraine-Krieg die Arbeit von Architekten? Was macht mehr Spaß - Um- oder Neubauen? Der Koblenzer Architekt Joachim Rind ist Präsident der rheinland-pfälzischen Architektenkammer. Zum baldigen Tag der Architektur spricht er mit der RZ über Lieferengpässe und nachhaltiges Bauen.

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Eine der spektakulären Stationen beim Tag der Architektur am letzten Juniwochenende: die Erweiterung des Hilda-Gymnasiums in Koblenz, für die die Fries Architekten aus Vallendar verantwortlich zeichnen.
Brüning Interiors, Höhr-Grenzhau

Gäbe es den Tag der Architektur noch nicht – man müsste ihn glatt erfinden. Als größte PR-Aktion des Bauwesens laden am letzten Juniwochenende Aberdutzende private und öffentliche Bauherren bundesweit ein, ihre Projekte ganz aus der Nähe kennenzulernen – nach zwei improvisierten Corona-Jahren mit zuerst komplett auf Video umgeschwenkter und im Vorjahr hybrid angebotener Präsentation endlich wieder als Präsenzveranstaltung.

Eine perfekte Gelegenheit, sich über Trends und Möglichkeiten zu informieren – noch dazu zwanglos, mit fachkundigen Ansprechpartnern im jeweiligen Objekt. Das nahmen vor der Corona-Pandemie auch in Rheinland-Pfalz jährlich Tausende Interessierte wahr – und auch für dieses Jahr hat die Architektenkammer RLP als Veranstalterin zahlreiche Projekte im ganzen Land ausgewählt, die am 25. und 26. Juni bereitwillig ihre Pforten öffnen. Motto ist in diesem Jahr „Bauen für die Zukunft“ – doch zunächst sind es die überaus bewegten Zeiten, in denen wir leben, die das Bauwesen vor große Aufgaben stellen. Darüber sprachen wir mit dem Koblenzer Architekten Joachim Rind, der der Architektenkammer RLP seit Februar als Präsident vorsteht.

Herr Rind, der Tag der Architektur hat in den vergangenen beiden Jahren beispielsweise mit Videoporträts die Fahne oben gehalten, jetzt kann man die Bauten wieder live und persönlich erkunden. Die Pandemie ist aber offensichtlich auch für das Bauwesen alles andere als vorbei?

Ja, die Kollateralschäden der Pandemie sind nicht zu leugnen. Wir haben von ihrem Beginn an Engpässe bei Baustoffen erlebt, wenn zum Beispiel in Italien die Produktion etwa von Lüftungsgeräten eingestellt wurde. Und diese Situation ist noch nicht vorbei, wenn wir nach China blicken. So etwas hatten wir zuvor noch nicht erlebt. Und jetzt stehen wir aktuell mit dem Ukraine-Krieg vor weiteren großen Herausforderungen.

"Wir müssen keinen Granit aus China importieren, wenn wir mit heimischem Sandstein arbeiten können": Architekt Joachim Rind über nachhaltiges Bauen
Architektenkammer Rheinland-Pfal

Erzeugt der Krieg solche wie von Ihnen beschriebenen Lieferengpässe – oder ist vielmehr die aktuelle Zinsentwicklung ein Bremser für das Bauen?

An dieser Stelle kommt alles zusammen, und das macht eine Kostenkalkulation im Moment sehr schwierig und fast zur Glaskugelleserei. Aus der Ukraine und aus Russland beziehen wir normalerweise zum Beispiel Baustahl. Und bei den Dämmstoffen gibt es seit Längerem erhebliche Materialengpässe. Dazu kommt aber auch die Zinsentwicklung: Viele Bauherren, die jetzt projektieren und nächstes oder übernächstes Jahr bauen wollen, versuchen im Moment, sich einen günstigen Kredit zu sichern, was dann teils nur bedingt gelingt.

Umso besser für Sie, dass jetzt der Tag der Architektur vor der Tür steht, mit dem Sie für qualitätvolles Bauen werben können. Was stellen Sie in den Mittelpunkt?

Das ist tatsächlich die größte Aktion in Deutschland, um Architektur der Öffentlichkeit näherzubringen. Es gibt keine bessere Plattform, die man nutzen kann, um Bauprojekte der eigenen Region aus der Nähe anschauen zu können. Umso interessanter, weil man noch dazu vielerorts Führungen bekommt und meist auch Kontakt mit den Bauherren hat, die zugleich die Nutzer sind. Und natürlich auch mit denen, die das geplant haben – da bekommt man alles Hintergrundwissen, das man haben will, besonders, wenn man sich vielleicht gerade mit einem eigenen Projekt beschäftigt.

In diesem Jahr steht der Tag der Architektur unter dem Motto „Architektur baut Zukunft“, und das zielt auf Themen wie Nachhaltigkeit und den sorgfältigen Umgang mit Ressourcen. Das passt dazu, dass die Objekte des Wochenendes unsere Arbeitsrealität gut abbilden: Der Großteil dreht sich ja nicht um spektakuläre Neubauten auf der grünen Wiese, sondern um Um- und Anbauten im Bestand.

Wo schlägt Ihr Architektenherz schneller – beim Neubau oder beim Arbeiten im Bestand?

Auch Bauen im Bestand ist eine spannende Aufgabe! Ich finde, im Dialog mit einer Umgebung zu arbeiten, die Anhaltspunkte bietet, ist oft eine viel spannendere Geschichte, als zu sagen: „Ich habe da ein Nirwana auf der grünen Wiese.“ In unseren Berufen geht es meist um das Arbeiten im Bestand, womit wir regional unterschiedlich umgehen können, wenn wir beim Thema Nachhaltigkeit bleiben.

Wir müssen keinen Granit aus China importieren, wenn wir mit heimischem Sandstein arbeiten können. Oder nehmen wir an, dass eine Familie ein Haus aus den 50er-, 60er- oder 70er-Jahren gekauft hat und uns die Aufgabe stellt: Der Grundriss ist für die junge Familie nicht gut geeignet, wie können wir da im Bestehenden etwas Neues schaffen? Dabei soll natürlich auch noch die alte Heizung auf neuen Stand gebracht werden und so weiter – das alles kann viel spannender sein, als bei null anzufangen.

Sie hatten erklärt, wie sich die aktuelle Weltlage auf heimische Bauherren auswirkt. Wie können Sie diese dann noch motivieren, in Nachhaltigkeit zu investieren?

Es ist natürlich richtig: Nachhaltigkeit ist nie gratis zu haben. Aber wir erleben durchaus unterschiedliche Typen von Bauherren. Die einen haben ein grünes Herz, wollen emissionsfrei bauen und um Gottes Willen überhaupt keine fossilen Brennstoffe mehr verwenden. Andere brauchen da noch ein bisschen mehr Überzeugungsarbeit. Aber: Sicher ist, dass wir rund um Nachhaltigkeit derzeit unglaubliche Entwicklungen erleben, und wichtig ist, für jedes Projekt die individuelle gute Balance zu finden.

Tag der Architektur
Informationen zum Tag der Architektur am 25. und 26. Juni in Rheinland-Pfalz gibt es hier www.diearchitekten.org