Versammelt sind mehr als 160 Gemälde, Zeichnungen und Radierungen des Künstlers, um einen breiten Eindruck von dem Malerstar zu geben, der im 19. Jahrhundert als Kitschmaler verdammt und erst ein Jahrhundert später rehabilitiert wurde. Die letzte große Schau fand übrigens vor 33 Jahren in der Frankfurter Schirn Kunsthalle statt. Jetzt wird Reni (1575–1642) auch vom Städel als epochaler Künstler geadelt, dessen frühe „Himmelfahrt Mariens“ schon 2014 erworben wurde, zum 200-jährigen Bestehen des Hauses. Dieser Kauf war ein Coup, setzte doch mit der kleinen Kupfertafel erst Renis Marien-Serie ein.
Die sehr erfolgreiche Serie zeichnet sich dadurch aus, dass Maria immer die Augen gen Himmel hebt – dieser „himmelnde Blick“ wurde Guido Renis Markenzeichen, das freilich auch oft kopiert wurde. Doch Reni entwarf jede Maria neu und anders, mit wechselnder Haltung oder Geste. Im Spätwerk konzentrierte er sich nur noch auf Maria und wenige Engel, alles andere ließ er weg. „Guido Reni war der Meister der genialen Einfachheit, der Meister der Ein- oder Zwei-Figuren-Bilder“, sagt Eclercy. So konnte Reni die Figuren besonders betonen, und der Betrachter sich in sie vertiefen oder gar mit ihnen identifizieren.
Elegante Manier, kräftige Farben
Renis Bilder zeigen eine entrückte Welt, aber er selbst war in seiner Heimatstadt Bologna verwurzelt, die er 1601 nur ungern zugunsten der Karriere verließ. Doch wenn es ihm zu viel mit den Aufträgen wurde, ließ er auch Päpste und Könige warten. In Rom stieß er auf seinen Rivalen Caravaggio, der völlig anders malte, sehr realistisch und im starken Hell-Dunkel-Kontrast. Reni hingegen liebte die elegante Manier und kräftige Farben. Aber er eignete sich Caravaggios Stil an, schwächte jedoch bei „Christus an der Geißelsäule“ (um 1604) den Gegensatz zwischen hellen und dunklen Partien ab. Dadurch wirkt sein Bild weicher als bei Caravaggio – soweit man das beurteilen kann, denn ein Gemälde aus dessen Hand fehlt in der Schau.
Allerdings werden Werke von Caravaggio nur selten verliehen. Renis religiöse Bilder bieten dem Betrachter noch heute ein Theater für alle Sinne mit schönen Farben und Szenen voller Emotionen. Nichts Geringeres als das Göttliche wollte Reni erfahrbar machen. So wurde er bald als „göttlicher Künstler“ gerühmt, der seine Inspiration direkt vom Himmel empfing. Seine Bilder beschrieb man als „paradiesisch“ oder wie von „einem Engel gemalt“. Den Beinamen „göttlicher Guido“ erhielt er aber auch, da er sich zuweilen sehr divenhaft gab und etliche Aufträge nur zögerlich annahm – kein Wunder, dass er dafür entsprechend astronomische Summen verlangen konnte.
Freilich verschweigt die Schau nicht, dass Guido Reni auch manchen Verkaufsschlager oft wiederholte, etwa die „Büßende Magdalena“ von 1635. Mehr als 50 Kopien aus seiner Werkstatt haben sich erhalten. Magdalena war ein gutes Vorbild für die Wandlung von der Sünderin zur Büßerin, die der katholischen Kirche gerade recht kam. Denn in Zeiten der Gegenreformation lautete der Auftrag an die Künstler, dass alles versucht werden müsse, um die abtrünnigen Protestanten wieder zum rechten Glauben zu bringen. So wurden Caravaggio und Reni zu künstlerischen Protagonisten der Gegenreformation.
Weniger bekannt sind Renis mythologische Bilder, um die es im zweiten Teil der Schau geht. Ein monumentales Meisterwerk schildert den Wettlauf zwischen „Hippomenes und Atalante“, wie das Bild von 1615-18 schlicht heißt. Hippomenes warb um die schöne Atalante, die aber nur denjenigen heiraten wollte, der schneller als sie lief. Das gelang Hippomenes dank einer List der Liebesgöttin Aphrodite. Reni zeigt dabei ein wunderbares Spiel der sich anziehenden und doch auch abstoßenden Liebenden.
Zur Person: Guido Reni
Er führte ein Doppelleben: Tags malte er, nachts verprasste er viel Geld beim Spielen. Doch er gab auch großzügig an seine Patenkinder und an Bedürftige ab, zudem war er abergläubisch und extrem ängstlich, besonders gegenüber Frauen. Kein Wunder, dass er in strenger Keuschheit lebte. Also ein Mann, bei dem man nie wusste, woran man war, zumal er fromm und attraktiv war. Und: Guido Reni (1575–1642) war ein brillanter Maler, der jeden Preis für ein Bild verlangen konnte. Wie seine Finanzen zwischen 1609 und 1612 aussahen, lässt sich in der Schau an einem Rechnungsbuch ablesen. Das legte Reni an, als er wegen Spielschulden kurz im Gefängnis saß.
Die Ausstellung ist bis zum 5. März 2023 zu sehen, weitere Infos hier.