Beim neunten Anrechtskonzert des Musik-Instituts Koblenz finden Chorklang und Quartett der Vokalsolisten nicht zu gewohnter Form
Neuntes Anrechtskonzert des Musik-Instituts Koblenz: Der Wille kann nicht immer Wunder vollbringen
Antonín Dvorák mit seiner Familie 1893 in den USA: Nach dem Tod seiner ersten drei Kinder wurde er noch sechsmal Vater.
www.antonin-dvorak.cz

Wer an Musik Freude hat und an Antonín Dvorák denkt, hat dabei womöglich die neun Sinfonien im Sinn, vor allem die finale „Aus der neuen Welt“. Oder aber das Cellokonzert, womöglich auch die Oper „Rusalka“ mit ihrem berührenden „Lied an den Mond“. Dabei war es ein Werk der Sakralmusik, das dem Komponisten den Weg zu internationalem Ruhm ebnete: Mit dem „Stabat Mater“ von 1880 öffneten sich dem tschechischen Komponisten die Tore zur Welt und zu einer beachtlichen internationalen Erfolgslaufbahn.

Antonín Dvorák mit seiner Familie 1893 in den USA: Nach dem Tod seiner ersten drei Kinder wurde er noch sechsmal Vater.
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Dass der Weg gerade zu diesem Werk über drei einschneidende persönliche Verluste geführt hat, ist Musikgeschichte mit tragischem Hintergrund: Recht kurz hintereinander starben die drei Kinder Dvoráks, unter diesem Eindruck entstand das „Stabat Mater“, dessen Text die Trauer Marias über den Tod Jesu behandelt. Doch es wurde kein Werk des Klagegesangs oder der Trostlosigkeit. Bei jeder Aufführung des Werkes kann man nur staunen über die Kraft der Hoffnung, mit der es endet – eingefangen in kraftvolle Ausrufe des Chores, in sich steigernde Aufschwünge, in dynamische Girlanden des siegessicheren „Amen“: Es ist ein erhebendes Werk, das im Mittelweg aus Empfindsamkeit und großer Emphase die beiden Welten, Konzertsaal und Kirche, treffend beschrieben im Programmheft des neunten Anrechtskonzerts des Musik-Instituts Koblenz, in vielerlei Hinsicht vereint.

Zu wenig Masse in den A-cappella-Akkorden

Die Anforderungen an die Ausführung verlangen nach entsprechenden Kräften, und genau damit konnte das zweite Chorkonzert dieser Spielzeit nicht – wie zuletzt gewohnt – punkten. Zu den größten Entwicklungen, die Prof. Mathias Breitschaft seit Übernahme der Leitung des Chores 2014 erreicht hat, gehört ein sehr kultivierter Klang gerade in den Lagen, und dort vor allem im Chorsopran. Dieser Vorzug war auch uneingeschränkt in Dvoráks „Stabat Mater“ zu erleben, das gerade zum Schluss des rund eineinhalbstündigen Werkes noch einmal nach üppigen Kraft- und Höhenreserven verlangt – und von den Frauenstimmen auch klangschön geboten bekam.

Wo allerdings (zu) wenig Masse vorhanden ist, kann auch kultivierter Klang dieses zwar verblenden, aber nicht auffüllen: Gerade in den A-cappella-Akkorden des Chores im „Quando corpus morietur“ war einfach zu wenig Tenorklang aufgeboten, um einen einheitlichen Eindruck zu schaffen, der hier nur Effekt erzielt, wenn er aus triumphierender Fülle entspringen kann.

Dieser aus zahlreichen Chören landauf und landab bekannte Tenormangel war die eine Sache beim neunten Anrechtskonzert – das Solistenquartett die andere. Eigentlich hätte dieses „Stabat Mater“ bereits im März 2020 aufgeführt werden sollen – die Pandemie vereitelte sowohl diesen Termin als auch die angepeilten neuen in den Folgespielzeiten.

Emotionskurven fallen flacher aus als erhofft

Die geplanten Solistinnen und Solisten, die terminlich zur Verfügung standen, waren, soweit möglich, auch jetzt verpflichtet – wobei die Sopranistin Vida Mikneviciute, die gerade eine Weltkarriere macht, terminlich nicht zur Verfügung stand, und Christof Fischesser (Bass) kurzfristig absagen musste. Der für ihn einspringende junge Bariton Frederic Mörth erfüllte seinen Part mit sympathischer Stimme und guter Auslotung auch ihrer tiefen Passagen. Die Sopranistin Sabine Goetz hat man zuletzt aus Haydns „Schöpfung“ 2018 in Koblenz in allerbester Erinnerung, sie singt auch im „Stabat Mater“ tadellos – ob man für diese Partie einen ausladenderen Stimmtyp verpflichten würde, ist dem persönlichen Geschmack überlassen.

Das könnte auch für die Besetzung der Tenor-Solopartie mit Markus Schäfer gelten, der noch dazu zum „Stabat Mater“ entweder keinen guten Abend erwischt hat oder sich im Karriereverlauf von dieser Partie entfernt hat. Und dem schließt sich auch die Betrachtung von Renée Morloc an, die in der Alt-Partie über weite Strecken kaum zu hören ist, obwohl Dirigent Breitschaft am Pult das Staatsorchester Rheinische Philharmonie schon auf einer Schonstufe hält.

Dermaßen auf Zehenspitzen musiziert, fallen einige Emotionskurven, die in den überzeugenden Tempi und Klangsteigerungen im Orchester durchaus anzuheben beginnen, dann deutlich flacher aus als erhofft: Die Umrisse des Werkes wurden allesamt skizziert, allein im Ausmalen hätte es kräftigerer Farben bedurft.

Infos zur Reihe online unterwww.musik-institut-koblenz.de