Die laufende Spielzeit 2024/2025 ist bekanntermaßen eine außergewöhnliche für das Theater Koblenz: Wegen der Generalsanierung des historischen Großen Hauses ist der Spielbetrieb der Großproduktionen ins Theaterzelt auf der Festung Ehrenbreitstein und in die Rhein-Mosel-Halle verzogen. Die kleinste und jüngste Sparte des Theaters, das Puppentheater, bleibt hingegen in der Stadt - und erkundet außergewöhnliche Spielorte. Wie etwa in der Neuproduktion „Aus dem Rahmen gefallen“ von Spartenleiter Stephan Siegfried, die - spätestens der Untertitel „Puppencomedy in 10 Bildern“ lässt es erahnen - mit Kunst zu tun hat, und das im Mittelrhein Museum.
Stephan Siegfried war bei der Gründung der Puppentheatersparte in Koblenz vor zehn Jahren dabei, später anderweitig engagiert, um dann als Spartenleiter zurückzukehren. Seine schier endlose Fantasie, wenn es darum geht, auch die ausgefallensten Dinge zu beleben, kommt im Stück „Aus dem Rahmen gefallen“, für das Christof von Büren Bühne, Kostüme und Puppenbau verantwortet, voll zum Zug. Denn wieder einmal wird die Vorstellung dessen, was alles Puppen-, oder doch besser gesagt, Figurentheater sein kann, gesprengt und erweitert.

Aber der Reihe nach: Ein übersichtlich großes Publikum darf sich nach Ende der öffentlichen Öffnungszeiten im Mittelrhein-Museum einfinden. Diese Schar wird dann noch einmal auf zwei „Museumsführer“ aufgeteilt, die ihre Kleingruppen auf unterschiedlichen Wegen durch die Sammlung führen und zwischendurch bei den Spielstationen Halt machen.
Das ist kein geringer logistischer Aufwand - und wohl auch aus diesem Grund ist der Abend erst ab 14 empfohlen: Trotz der Spielsituation darf man nie vergessen, dass man sich zwischen oftmals sehr wertvollen Exponaten hindurchbewegt, und dass weder Anlehnen noch Anfassen gestattet ist. Wer clever ist, nimmt sich einen der im Museum bereitstehenden Klappstühle mit, um dem Spiel bequem folgen zu können.

Was an den zehn Stationen zu sehen ist, ist nichts weniger als ein Fest der Figuren-Fantasie: Nur an zwei von ihnen ist anzutreffen, was man gemeinhin als Spiel mit Puppen bezeichnen würde, die anderen fächern ein Kaleidoskop von Möglichkeiten auf. Im Regelfall verschwindet der „Museumsführer“, manchmal verstärkt durch weitere Puppenspieler (im Einsatz sind Dietmar Betram, Tanja Linnekogel, Isabel Mascarenhas und Sophia Wallner), hinter den Repliken mehr oder weniger bekannter Kunstwerke, um diese zum Leben zu erwecken.
Das kann dann beispielsweise so aussehen, dass in Leonardo da Vincis „Mona Lisa“ nur die Pupillen ein wenig verschoben werden müssen, um ein angebliches Forschungsergebnis zu beglaubigen, nach dem einem der Blick der Abgebildeten immer und überall hin zu folgen scheint. Eine solche, fröhlich erfundene Wissenschaft bildet auch den Gesamtrahmen der Handlung, demzufolge man mit einer neuen Methode aus den alten Farbschichten Klangspuren entziffern und somit die Bilder tatsächlich zum Reden bringen könne.
Vier Selbstbildnisse als Gesprächskreis
Das führt dann unter anderem dazu, dass gleich vier Selbstbildnisse des Malers Vincent van Gogh, die so manipuliert wurden, dass man die Gesichter zum „Reden“ bewegen und einander anblicken lassen kann, in einen lebhaften Plausch miteinander verfallen. Bis auf das eine, bemitleidenswerte Selbstporträt, das den Künstler mit abgetrenntem Ohr zeigt und folglich dem Gespräch nur schleppend folgen kann.
Ein bisschen kann man es diesem Hörgeschädigten nachfühlen an der größten Station, an der alle Puppenspielenden zum Einsatz kommen: Im Puppentheaternachbau von da Vincis „Letztem Abendmahl“ versenden sich einige der frechen Dialoge rund um Neid und Missgunst unter den Jüngern und Fake News der örtlichen, neutestamentarischen Tageszeitung in der sehr halligen Akustik des Mittelrhein-Museums.
Also heißt es vorne sitzen, wenn man denn überhaupt noch einen Platz ergattert - denn die geplanten Vorstellungstermine sind bereits allesamt ausverkauft, es sollen aber bald neue nachgemeldet werden.
Infos unter www.theater-koblenz.de