Neuntes Anrechtskonzert
Mozart und Mahler für einen bewegenden Abschied
Die Erinnerung an den ganz besonderen Dirigierstil von Benjamin Shwartz wird bleiben: Nach nur drei Jahren legt der US-Amerikaner sein Amt als Chefdirigent des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie nieder. In der Rhein-Mosel-Halle verabschiedete er sich beim neunten Anrechtskonzert des Musik-Instituts Koblenz vom Koblenzer Publikum.
Arek Glebocki

Große Gefühle und ebensolche Dankbarkeit des Publikums beim neunten Anrechtskonzert des Musik-Instituts Koblenz: Der Dirigent Benjamin Shwartz beendet nach nur drei Jahren sein Wirken als Chefdirigent der Rheinischen Philharmonie.

Das neunte Anrechtskonzert beim Musik-Institut Koblenz war ein Abend des Abschieds: letzter Auftritt von Benjamin Shwartz mit der Rheinischen Philharmonie. Ein paar Tage später wird er in seine US-amerikanische Heimat zurückkehren. Der Chefdirigent des Koblenzer Staatsorchesters hatte aus persönlich-familiären Gründen um vorzeitige Aufhebung seines Vertrages gebeten. In einem mit Dank verbundenen Farewell-Gruß  resümiert die Instituts-Spitze: „In nur drei gemeinsamen Spielzeiten hat Benjamin Shwartz die Anrechtskonzerte mit seinen eleganten, kultivierten und intensiven Dirigaten und seinem enormen Spektrum von Ludwig van Beethoven bis Mason Bates in einer Weise bereichert, die noch sehr lange nachklingen wird.“

Seinen Ausstand gibt Shwartz mit zwei Werken, die schon äußerlich markante Änderungen in gut 100 Jahren Musikkultur augenfällig machen. Vor der Pause tritt das auf 40 Instrumente reduzierte Orchester an, um Wolfgang Amadeus Mozarts 30-minütiges Klarinettenkonzert A-Dur von 1791 zu spielen. Hernach füllen fast dreimal so viele Musizierende für Gustav Mahlers 1906 uraufgeführte und beinahe eineinhalb Stunden dauernde 6. Sinfonie die Bühne prall. Es sind extrem unterschiedliche Klang- und Gefühlswelten zu erleben: Mozart zwischen Leichtigkeit und schlichter Innigkeit, Mahler zwischen gewaltiger Schicksalsdramatik und tiefschürfender Innerlichkeit.

Weil es des Dirigenten letzter Auftritt in Koblenz ist, schauen wir noch einmal gern auf die Eigenarten seines Stab-Wirkens. Da sind beim Mozart die leichte Hand; Anflüge von Tänzeln; Impulssetzungen mit den Fingerspitzen; das dezente Öffnen der Arme, wenn der Klang weiter werden soll. Da ist das Vorbeugen des Oberkörpers, Neigen des Kopfes, als wolle Shwartz sich lauernd anschleichen an besonders geheimnisvolle oder auch humorige Stellen. Und da ist, was ihn in den vergangenen drei Jahren immer wieder auszeichnete: Sein feines Gespür für die Intentionen der Solisten, in diesem Fall des Soloklarinettisten der Wiener Philharmoniker, Daniel Ottensamer.

Mit feinem Gespür für die Intentionen begleitet Dirigent Benjamin Shwartz bei seinem letzten Konzer als Chefdirigent der Rheinischen Philharmonie in Koblenz den Klarinettisten Daniel Ottensamer.
Arek Glebocki

Der Österreicher entfaltet bravourös, was Mozart an dem zu seiner Zeit noch jungen Instrument Klarinette so geschätzt hatte: den warmen Ton, den Reichtum an Klangfarben, die Geschmeidigkeit und virtuose Beweglichkeit. Ottensamer führt, Shwartz baut ihm mit dem Orchester einen sehr schön korrespondierenden Klangraum. Gemeinsam verströmen sie im ersten Satz muntere Luftigkeit, sparen im Finalsatz nicht mit Witz – und erzeugen mit dem Adagio dazwischen in einer quasi hoch romantischen Interpretation spürbare Ergriffenheit beim Auditorium. Dieses dankt Ottensamer mit Begeisterungsrufen und Klatschmarsch, einer Anerkennung, die hier nicht jedem Sologast zuteil wird.

Dann Mahlers „Tragische“, wie die 6. Sinfonie oft genannt wird. Ob dieser Titel vom Komponisten stammt oder ihm aufgedrückt wurde, darüber streiten die Gelehrten. Überhaupt ist manches Rätsel um dieses Werk bis heute nicht ausdiskutiert und gehen die Meinungen teils weit auseinander. Richard Strauss etwa befand über den letzten Satz schnippisch: „überinstrumentiert“.

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Arek Glebocki

Shwartz hat nun einen gewaltigen Musizierapparat zu führen, der obendrein nicht nur aus der ihm vertrauten Rheinischen Philharmonie besteht, sondern um zahlreiche Gäste verstärkt ist. Entsprechend „nachdrücklich“, möchte man sagen, fällt sein Dirigat über manche Strecke aus. Aber auch das kennen die Koblenzer Konzertabonnenten von ihm schon: Die Größe der Klänge, die Wuchtigkeit der Rhythmen, die Dramatik der Stimmungen spiegeln sich fast eins zu eins im körperlichen Agieren des Dirigenten wider. Dem Mittvierziger ist ein kraftvolles wie – rücksichtslos gegen sich selbst – kräftezehrendes Ganzkörperdirigat zu eigen.

Ob „heftig, aber markig“ das Allegro energico des ersten Satzes; ob zwiespältig melancholisch das Andante des zweiten; ob „wuchtig“, aber zugleich ironisch das Scherzo; schließlich die pathetische Melange aus all dem im Finalsatz: Mal treibend, mal bremsend, mal aufputschend, mal besänftigend, mal lange Spannungsbögen bauend, mal knallhart zuschlagend leitet Shwartz das Orchester ebenso stramm wie einfühlsam differenziert durch den Mahler’schen Kosmos. Das Publikum jubelt – und zollt ihm zum Abschied stehend Respekt, Anerkennung, Dankbarkeit für drei bemerkenswerte Jahre.