Thomas Anders im Interview
Mit Modern Talking vom Lackschuh zum Welterfolg
Vor 40 Jahren begann seine internationale Karriere -- jetzt hat der in Koblenz lebende Sänger Thomas Anders (62) die sechs Modern-Talking-Alben neu aufgenommen.
Claus Ambrosius

1985 begann für Modern Talking mit „You’re My Heart, You’re My Soul“ eine international beispiellose Karriere – der in Koblenz lebende Modern-Talking-Sänger Thomas Anders hat zum 40-Jahres-Jubiläum alle sechs Alben der Band neu aufgenommen.

Dass ein Pop-Künstler sein komplettes „Frühwerk“ neu aufnimmt, kommt nicht häufig vor – heute kommt das erste Album von Modern Talking neu auf den Markt. Komplett eingesungen, wie auch die restlichen Alben der Mega-Erfolgsband, von Thomas Anders. Doch ganz allein geht der charmante Koblenzer, der ganzjährig national und international in Sachen Musik unterwegs ist, nicht allein auf Werbetour für die Neuaufnahme: Über Modern-Talking-Hits damals und heute und den gar nicht so einfachen Weg spricht Thomas Anders im RZ-Interview.

Wenn man das Cover von „Thomas Anders … sings Modern Talking: The 1st Album” sieht, sieht man Sie doppelt. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Ich stehe da neben meinem jüngeren Ich, und wir haben für die insgesamt sechs Alben, die ich neu aufgenommen habe, auch ein paar Videos produziert, wo „wir beide“ uns umarmen oder ansehen und so weiter. Das ist eine unglaublich aufwendige Sache, weil ich das zuerst im Fotostudio vor einem Greenscreen aufnehme und mir der Fotograf sagt: „Dreh dich ein bisschen zu Seite, guck mal in diese Richtung, jetzt lächeln…“, und dann muss jedes einzelne Detail stimmen. Aber das Ergebnis ist schon toll geworden.

Als ich die neu aufgenommenen Songs zuerst gehört habe, war ich auch stutzig: Das klingt ja auch – fast – wie früher! Die Instrumentalarrangements sind etwas anders, es sind auch flotte Remixes zusätzlich dabei – aber Sie klingen wie frisch von 1985 herübergebeamt.

Daran finde ich erstaunlich, dass ich viele Titel – und viele davon habe ich wirklich seitdem nicht mehr gesungen – nach 40 Jahren intuitiv genau so interpretiert habe wie damals. Darauf hat mich mein Produzent Christian Gellert aufmerksam gemacht, und das war auch für mich die größte Überraschung bei der Produktion.

Hat sich Ihre Stimme gar nicht verändert?

Oh, doch! Aber das muss man ja nicht beim Zuhören mitbekommen. Bei den höheren Titeln, die früher „einfach so“ gingen, muss ich mich dann heute schon mal eine halbe Stunde einsingen. Und dann haben wir im Studio bei den Aufnahmen halt mit tief gesungenen Parts angefangen und uns dann im Lauf der Zeit nach oben hin gesteigert.

Einige Hits haben Sie von Anfang an immer wieder auf den Bühnen der Welt interpretiert – aber wir reden ja von sechs Modern-Talking-Alben. Hatten Sie alle Titel noch 100 Prozent parat?

Nun, da waren zugegebenermaßen schon ein paar Songs dabei, die ich vergessen hatte. Aber auch die haben wir jetzt alle wieder aufgenommen, auch wenn ich manchmal dachte: „Mann, dieser Text – das geht so eigentlich nicht.“ Da habe ich auch mitunter unser etwas falsches Englisch korrigiert.

Kritiker von Modern Talking haben sich gern über die Texte mokiert – wie stehen Sie dazu, jetzt, wo Sie sich einmal komplett durch Ihr Frühwerk gesungen haben?

Sehr positiv! Und ich sage Ihnen auch gern, wieso. Die Texte sind eben auch ein Geheimnis des weltweiten Erfolges von Modern Talking. Das ist ein Englisch, das auch Leute mitsingen können, die von der englischen Sprache noch nicht viel gehört haben. Das hat Dieter Bohlen damals absolut korrekt und super gemacht. Er hat Titel ausgesucht, die so leicht nachzusingen sind, dass das in jedem Alter funktioniert und auch in jedem Kulturkreis, in dem wir uns befinden. Diese Texte blieben im Kopf.

Thomas Anders 1995 trifft Thomas Anders 2025: Am 7, März erscheint das neue Album "Thomas Anders ... sings Modern Talking".
Edel Records

Dann haue ich noch gleich ein weiteres Stereotyp über die Songs von Modern Talking raus: „Die Sachen klingen doch alle gleich, das ist eigentlich immer wieder dasselbe Lied.“ Richtig oder grundfalsch?

Das war eben unser Musikstil. Und ich finde es für eine Popgruppe absolut erstrebenswert, dass man eine Art musikalische ID entwickelt, damit der Konsument nach den ersten Takten im Radio weiß: Das ist dieser oder jener Künstler. Sicher hätte ich mir auch gewünscht, dass beispielsweise unsere Ballade „Give Me Peace On Earth“ vom vierten Album noch erfolgreicher gewesen wäre – aber man muss doch auch realistisch sein. Das ist nun einmal der Schreibstil von Dieter Bohlen gewesen, den er ja auch nach Modern Talking gepflegt hat, und das ist doch absolut legitim. Da fängt man doch nicht an, ein bisschen dran herumzuschrauben, um vielleicht „künstlerisch wertvoller“ zu sein und dafür aus den Charts zu rutschen. Das macht doch kein Mensch!

Man weiß ja auch im Vorhinein nicht, wie lange das Karrierehoch andauern wird. Hätten Sie für Modern Talking jemals damit gerechnet, wann wussten Sie, dass dieses Projekt dermaßen einschlagen würde?

Um Himmels willen, damit hätte niemand gerechnet. Auch bei der Plattenfirma nicht. Wir hatten im Herbst 1984 „You’re My Heart, You’re My Soul“ herausgebracht. Zwei, drei Monate später habe ich mal zaghaft bei der Plattenfirma angerufen, und da waren gerade mal 6000 Singles verkauft. Heute wäre das viel, aber damals war das gar nichts und jeder dachte: Okay, vergessen wir es. Und einen Monat später rief ich noch mal an: „Ich rufe Sie gleich zurück, da muss ein Fehler in den Zahlen sein“, hieß es als Antwort. Es war kein Fehler: Aus irgendeinem Grund waren auf einmal 60.000 Singles weggegangen – und dann begann der Wahnsinn, und der Rest ist Musikgeschichte.

Damals haben Sie noch Musikwissenschaft in Mainz studiert, richtig?

(Lacht) Sagen wir mal so: Ich war eingeschrieben und habe fünf Semester studiert. Ich wollte mich aber als Sänger und Musiker 100 Prozent auf die Musik konzentrieren – und machte dann mit meinen Eltern den Deal, dass ich, bis ich 25 Jahre alt bin, das Studium pausiere und versuche, ob ich als Musiker mein Geld würde verdienen können. Mein Traumziel: Es einmal in die Top 75 schaffen und genug verdienen, um eine Familie zu ernähren.

Da hatten Sie schon einen Plattenvertrag und auch die ersten sechs Singles auf dem Markt – allerdings mit deutschen Titeln. Wie kam es dann zu Modern Talking?

Die deutschen Schlager, die auch schon Dieter Bohlen produzierte, waren nicht erfolgreich. Ich wollte unbedingt  Englisch singen – und so nahmen wir „Catch Me I’m Falling“ von der australischen Gruppe Real Life als Cover auf. Da der Titel dann aber als zweite Single dieser Gruppe gerade in Deutschland von unserem Label veröffentlicht wurde, haben wir das nie herausgebracht. Deswegen freue ich mich, es jetzt endlich als Zugabe mit dem ersten „… sings Modern Talking“-Album veröffentlichen zu können.

Zurück ins Jahr 1985: Sie hatten den Wahnsinnserfolg mit „You’re My Heart, You’re My Soul“ – aber weder einen Bühnenpartner noch ein Album. Was tun?

Das musste alles quasi über Nacht geschehen. Weil das Label sich keinen großen Erfolg mit einem unbekannten Thomas Anders versprochen hatte, waren auf dem Cover keine Personen, sondern ein Lackschuh und ein Turnschuh zu sehen. Als abzusehen war, dass „You’re My Heart, You’re My Soul“ in die Charts einsteigt, wollte die Plattenfirma für die Auftritte eine zweite Person. Da Dieter den Song komponiert und produziert hatte, sagte der Chef der Firma einfach: „Lass das doch den Dieter machen!“ Dann war also auch klar, wer der Turnschuh sein sollte – und so gingen wir raus. Und es hat durchaus auch noch gedauert, bis alle wussten, was wir da eigentlich in der Hand hatten. Nach „You’re My Heart, You’re My Soul“ hieß es: „Genießt die Nummer eins. So was ist einmalig, das kommt nicht wieder.“ Dann koppelten wir „You Can Win, If You Want“ aus – wieder Nummer eins. Auch da sagte man uns: „Ja, Zufall, aber das kommt nicht wieder.“ Doch dann ging es so weiter, Stück um Stück.

Seit 2003 gehen Sie und Dieter Bohlen getrennte Wege – und beide treten Sie immer wieder auch mit Songs von Modern Talking auf. Läuft das ganz problemlos?

Das ist überhaupt kein Problem. Dieter Bohlen und ich besitzen jeweils 50 Prozent an der Marke Modern Talking, da gibt es keinerlei Konflikt.

Für viele Menschen stehen aber vor allem Sie als Sänger für Modern Talking …

Das ist nun einmal so im Musikbusiness, dass die Leute bei Bands zuerst an den Sänger denken. Aber ich sage immer auch: Okay, der, der in der ersten Reihe steht, bekommt auch meistens die Tomaten ab.

Statt Protestgemüse bekamen Sie aber weltweit Beifall – und unter anderem eine Ehrenprofessur an der Universität Kiew.

Das ist schon ein bemerkenswertes Phänomen vor allem in osteuropäischen Ländern. Mir wurde dort früher immer wieder gesagt: „Mit deiner Musik hat sich unser Leben verändert. Unser Leben wurde lebenswert, wir hatten plötzlich das Gefühl, dass uns diese Musik den Westen ins Land bringt, und sie hat und die Hoffnung gegeben, den Anschluss zu bekommen.“ Das ist bis heute für viele Osteuropäer etwas sehr Wichtiges, was sie mit Modern Talking verbinden.

Sie haben sich dieser Zeit von vor 40 Jahren in den vergangenen Monaten im Studio gestellt: Wie fühlt es sich für Sie an, wenn Sie sich jetzt Arm im Arm mit ihrem „jungen Ich“ sehen?

Das ist schon ein skurriles Gefühl, und es berührt mich durchaus. Als würde man ein altes Fotoalbum sehen – aber eben noch einen Schritt mehr. Wenn ich jetzt sehe, wie ich mein jüngeres Ich anblicke, das so unverbraucht und unschuldig in die Kamera blickt – ja, das geht mir schon nahe.

Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich sagen wollen?

„Alles wird gut!“ Mein Gott, der Junge ahnt ja noch nicht ansatzweise, was auf ihn zukommen wird. Ich möchte ihm sagen: „Mach! Es wird schon irgendwie werden!“

Am Freitag, 7. März, erscheint das erste von sechs komplett neu aufgenommenen Alben beim Label Edel, alle sechs werden im Laufe des Jahres als Vinyl und CD in verschiedenen Ausstattungen und auch digital erhältlich sein. Am Samstag, 15. März, um 20 Uhr tritt Thomas Anders mit Band in der Kulturhalle in Ochtendung auf, Tickets an allen Ticket-Regional-Vorverkaufsstellen sowie unter www.ticket-regional.de