Koblenz
„Let's talk about Tod“: In seinem Buch beantwortet Bestatter David Roth 50 Fragen zum Thema – Lesung in Koblenz
Ob in seinem Podcast „Talk about Tod“, dem 2021 veröffentlichten Buch oder in der täglichen Arbeit als Bestatter: David Roth spricht sich für einen offeneren Umgang mit dem Thema Tod aus.
Hermann und Clärchen Baus

Was andere lieber in Schweigen hüllen, ist für David Roth seit Langem Alltag – der Tod: Der 44-Jährige leitet mit seiner Schwester das Bestattungshaus Pütz-Roth in Bergisch Gladbach, arbeitet zudem als Trauerbegleiter – und betont: „Über den Tod zu sprechen, hat auch einen positiven Einfluss auf das Leben.“ Weshalb Roth genau das tut: im Podcast mit dem Journalisten Klaus Reichert, aber auch in seinem 2021 veröffentlichten Buch „Let's talk about Tod“, das der Bestatter nun in Koblenz vorstellt.

Lesezeit 5 Minuten

Ob in seinem Podcast „Talk about Tod“, dem 2021 veröffentlichten Buch oder in der täglichen Arbeit als Bestatter: David Roth spricht sich für einen offeneren Umgang mit dem Thema Tod aus.
Hermann und Clärchen Baus

Herr Roth, der Tod ist in unserer Gesellschaft nach wie vor ein Thema, über das die meisten nicht gern sprechen. Sie hingegen schon.

Nun ja, es gehört einfach zu meinem täglichen Erleben, weil ich bei der Arbeit ständig mit dem Tod zu tun habe und mit Menschen in Kontakt komme, die ganz akut von diesem Thema betroffen sind.

Macht es das Sterben, die Trauer denn erträglicher, wenn man den Tod nicht verdrängt, sondern ihn an sich heranlässt?

Ja, definitiv. Der Grund, warum wir nicht gern über den Tod sprechen, ist, dass wir Angst haben vor Dingen, die wir nicht richtig einschätzen können. Das führt im Umkehrschluss dazu, dass der Tod uns oft überrascht und vollkommen unvorbereitet trifft. Wenn man allerdings über etwas spricht und sich damit befasst, wird das Thema beherrschbar, man kann dann damit umgehen. Den Tod, an dem wir alle nichts ändern können, macht das natürlich nicht ungeschehen, es nimmt uns auch nicht die Trauer, aber es wird vielleicht ein Stück weit erträglicher, wenn wir vorher darüber gesprochen haben. Und genau das ist der Punkt: Wenn ich mich im Vorfeld schon mit dem Thema Tod beschäftige, darüber auch mit dem Partner oder der Familie ins Gespräch finde, trifft es mich nicht so unvermittelt.

Gerade heute bieten Trauer und Abschied auch eine Möglichkeit zur Rückbesinnung, was wirklich wichtig ist im Leben, und bringen uns vielleicht auch dazu, etwas bewusster mit unserer Zeit umzugehen.

David Roth

Der Beruf des Bestatters, daran lassen Sie keinen Zweifel, ist aus Ihrer Sicht der schönste der Welt: Was fasziniert Sie so daran?

Vor allem, dass ich Menschen in einer schwierigen Situation helfen darf. Wir haben hier das große Glück, dass wir viel Zeit mit den Angehörigen verbringen können und es nicht nur ein bloßes Abklopfen von Terminen und Rahmenbedingungen ist. Ich darf die Menschen in der Zeit des Abschiednehmens begleiten und treffe sie teilweise sogar später noch mal wieder. Dabei sieht man, dass das Leben weitergeht, dass sich die Trauer auch mit einer schönen Erinnerung verbinden kann.

Inwiefern?

Wir unterstützen die Menschen dabei, ihre Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen, Wünsche zu formulieren, wie sie den Abschied gern gestalten würden, beispielsweise, indem sie dem Verstorbenen etwas Persönliches in den Sarg legen – das kann ein Talisman sein oder ein Brief, in dem man alles aufschreibt, was man sich zu Lebzeiten nicht gesagt hat. Auf diese Weise finden die Angehörigen Schritt für Schritt zurück ins Leben, realisieren, dass es dem Verstorbenen nicht schlecht geht, er keine Angst, keine Schmerzen mehr hat, und dass es einem selbst auch nicht schlecht gehen muss, man wieder anfängt, für sich zu sorgen, zu essen, zu schlafen.

Mein Vater hat früher immer gesagt, dass Trauer die vergessene Schwester des Glücks ist. Im Verlust gewinne ich wieder einen Bezugspunkt, der mich daran erinnert, was gut ist, was schön ist, was für mich eine Bedeutung hat. Gerade heute, wo wir so viel Leid sehen, bieten Trauer und Abschied auch eine Möglichkeit zur Rückbesinnung, was wirklich wichtig ist im Leben, und bringen uns vielleicht auch dazu, etwas bewusster mit unserer Zeit umzugehen.

Wir haben zum Beispiel mal eine Trauerfreier in einem Brauhaus abgehalten, weil der Verstorbene dort immer seinen Geburtstag gefeiert hat. Auf dem Sarg stand dann ein Kölsch, und alle kamen noch einmal zusammen.

David Roth

Wie wichtig ist die Rolle des Bestatters als Ansprechpartner in diesem Prozess, als jemand, der Fragen beantwortet und das Thema auf diese Weise auch enttabuisiert?

Sie ist vor allem deswegen wichtig, weil diese Aufgabe meist niemand anderes übernimmt. Ärzte haben dafür wenig Zeit, Seelsorge ist selbst im religiösen Bereich nicht mehr wirklich gegeben, weil auch die Kirchen vollkommen überlastet sind. Hinzu kommt, dass in unserer Gesellschaft viele Menschen einsam leben – und folglich auch mit der Erfahrung des Verlusts allein sind. Insofern bleibt oft nur der Bestatter, der die Angehörigen in der wichtigen Zeit zwischen der Feststellung des Todes und der Beisetzung begleitet.

In Ihrem Buch beantworten Sie 50 Fragen rund um das Thema Tod, darunter etwa, ob man an Trauer sterben kann oder auf dem Friedhof grillen darf? Was waren denn die erstaunlichsten Fragen, mit denen Sie bislang konfrontiert wurden?

Eine Frage, die ich ganz schwierig fand, war die, wie der Tod riecht. Das kann man eigentlich nur umschreiben, weil hier ganz viele Faktoren reinspielen, die jeder anders wahrnimmt. Wenn ich beispielsweise von meiner Frau ein Hemd finde, kann ich das direkt zuordnen, ich weiß, das ist ihr spezifischer Geruch – und eben den stellen auch die Angehörigen bei einem Toten als Erstes fest. Unter Umständen verändert er sich mit der Zeit durch den Verfall des Körpers, wobei ich nicht sagen kann, dass eine Leiche nach drei Wochen unbedingt nach Verwesung riecht – der Geruch ist beispielsweise nicht mit dem verdorbener Lebensmittel zu vergleichen. Aber man nimmt ihn durchaus wahr, ohne ihn so richtig in Worte fassen zu können.

Kommt es denn zuweilen vor, dass Sie selbst keine Antwort finden?

Das kann passieren, klar, schließlich gibt es rund um das Thema Tod sehr viele schwierige Fragen.

David Roths  „Let's talk about Tod“
Gütersloher Verlagshaus

Sie fordern in Ihrem Buch „mehr bürgerlichen Ungehorsam“, wenn es um die Beerdigung, das Abschiednehmen am Grab geht. Was genau meinen Sie damit?

Es geht darum, Verantwortung für das zu übernehmen, was mir in dieser Situation wichtig ist. Wenn ich den Verstorbenen beispielsweise bei mir zu Hause behalten möchte, darf ich das je nach Bundesland zwischen 24 und 48 Stunden lang. Viele nehmen dieses Recht aber gar nicht wahr, rufen stattdessen den Bestatter, der den Verstorbenen gleich mitnimmt, und man selbst hat schließlich nichts mehr, was man betrauern kann. Ein anderes Beispiel sind die Einschränkungen während der Pandemie, als viele Menschen von Bestattern zu hören bekamen, es sei nicht erlaubt, Abschied von den Verstorbenen zu nehmen, obwohl das Robert Koch-Institut so etwas nie empfohlen hat.

Es gibt einfach unheimlich viele Regeln, die wir von Zeit zu Zeit hinterfragen sollten. Wir haben zum Beispiel mal eine Trauerfreier in einem Brauhaus abgehalten, weil der Verstorbene dort immer seinen Geburtstag gefeiert hat. Auf dem Sarg stand dann ein Kölsch, und alle kamen noch einmal zusammen. In einem anderen Fall wurde die Asche einer Frau anstatt in der Urne in einer Handtasche beigesetzt, die ihr lieb und teuer war. Am Ende ist viel mehr möglich, als man denkt, und meine Aufgabe als Bestatter ist es, die Wünsche der Angehörigen mitzugestalten und sie bei deren Verwirklichung zu unterstützen.

Im Buch geht es auch um die Frage, ob der Bestatter bei der Arbeit weinen darf. Darf er?

Ja, klar, wir sind schließlich nicht aus Stein, und in unserem Beruf geht es ja gerade auch um das Menschliche, darum, die Angehörigen mit Empathie und Emotion zu begleiten.

Das Gespräch führte Stefan Schalles

David Roth: „Let's talk about Tod“, Gütersloher Verlagshaus, 320 Seiten, 20 Euro. Der Podcast „Talk about Tod“ ist auf allen gängigen Streamingplattformen abrufbar. Die Lesung wiederum findet am Donnerstag, 16. März, um 19.30 Uhr im Evangelischen Bodelschwingh-Gemeindezentrum, Bodelschwinghstraße 8, in Koblenz statt. Der Eintritt ist frei.