Marksburg, Beethoven-Haus, Sayner Hütte: Die Liste deutscher Denkmale ist lang – und eindrucksvoll –, doch: Was bedeuten uns diese Meilensteine der Menschheitsgeschichte eigentlich? Werden sie von der Mehrheit geliebt oder doch eher als Last empfunden? Mit solchen Fragen beschäftigt sich nun eine neue Ausstellung in der Galerie Handwerk in Koblenz. Und der Besucher muss sich dort auch gleich selbst bekennen, vernimmt Argumente von Denkmal-Befürwortern und -Gegnern, liest Schlagworte wie „nutzlos“ oder „einzigartig“ – und wird an einem Buzzer schließlich auch zur persönlichen Stimmabgabe aufgefordert.
Liebe oder Last? Zu- oder Abneigung? Wer sich hier für Letzteres entscheidet, dürfte damit wohl auch Eva Masthoff auf den Plan rufen. Die Abteilungsleiterin im Bereich Kommunikation bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) nämlich hat die interaktive Wanderausstellung konzipiert und sagt mit Blick auf das darin aufgegriffene Spannungsfeld: „Rund um unsere Arbeit gibt es in der Gesellschaft einfach unheimlich viele Zerrbilder und Missverständnisse: weil einerseits das grundlegende Wissen fehlt, andererseits aber auch die Medien fast ausschließlich negativ über den Denkmalschutz berichten – oder in den wenigen Ausnahmefällen oft plakativ-verherrlichend.“
Risikofaktor Mensch
Mal erstrahle das fertig restaurierte Denkmal daher „in neuem Glanz“, meist gelte dessen Schutz allerdings als „kostspieliger Verhinderer“, weshalb die Ausstellung nun vor allem auch aufklären soll, die vermeintlichen Leerstellen zwischen den benannten Extremen mit wertvollen Inhalten füllt. An sechs sehr praxisnahen Stationen – hier einem gerüstummantelten Tor nachempfunden, dort einer Fabrikhalle im Sanierungsprozess – ist der Besucher dabei immer wieder auch zum Mitmachen eingeladen, soll und darf das Gezeigte anfassen, kann sich nach der Stimmabgabe aber erst einmal ein Bild davon machen, was den Denkmalbestand im Wesentlichen bedroht.
Schädlinge, Pflanzenbewuchs oder Naturkatastrophen rücken bei dieser Frage in den Fokus; in einer brusthohen Vitrine ist hierzu neben einem verwitterten Fragment der Altarkanzel aus der Kapelle Klein Linde in Brandenburg auch eine Kalkstein-Kreuzblume von der Spitze des Kölner Doms zu sehen. Wobei der größte Denkmalfeind am Ende doch der Mensch bleibt, denn: „Geschützte Gebäude werden ständig abgerissen“, erklärt Masthoff, „aus ideologischen Gründen, weil sie der Stadtplanung zum Opfer fallen oder den Geschmack der Zeit nicht mehr treffen. Die meisten denken, wenn etwas unter Denkmalschutz steht, wäre es sicher, aber das ist ein Irrtum.“

Der sich im Übrigen auch anhand überaus namhafter Beispiele belegen lässt: 1863 etwa entging das Holstentor in Lübeck nur haarscharf dem Abriss zugunsten einer Eisenbahntrasse; die Ruine der im Krieg zerstörten Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin wiederum sollte 1957 einem innovativen Neubau weichen. Und wenngleich diese Denkmale schlussendlich gerettet werden konnten – im Fall des Holstentors stimmte der Lübecker Senat seinerzeit mit einer hauchdünnen Mehrheit von nur einer Stimme für den Erhalt: Für viele andere bedeutende Bauwerke endeten vergleichbare Abrissdebatten weniger glimpflich.
Sie fielen nicht selten einem kulturhistorischen Frevel anheim, den der Besucher in Koblenz nun auch selbst begehen kann – oder besser: muss. Denn erst durch das Hinabdrücken eines Sprengschalters bewegt er sich auf dem Bildschirm durch die Geschichte fünf zerstörter Denkmale, sieht dort etwa Aufnahmen der Dresdener Sophienkirche, die auf Geheiß der DDR-Führung 1964 einer Gaststätte weichen musste, oder des Alten Plenarsaals in Bonn, der 1987, nur drei Jahre nach seiner Kategorisierung als „Kulturdenkmal allerersten Ranges“, ebenfalls pulverisiert wurde.

„Irrsinnig“ nennt Eva Masthoff solche Entscheidungen, durch die am Ende nicht nur historisch Bedeutsames verloren gehe – besagter Plenarsaal zum Beispiel war ab 1949 nicht weniger als der erste Sitz des Deutschen Bundestags –, sondern oft auch das Wissen über „tradierte Handwerkskunst, die heute kaum noch jemand beherrscht“. Eine kostbare Wissenschaft also, deren Komplexität bei einem Blick in den Werkzeugkasten der Denkmalschützer auch für den Laien greifbar wird. In Form eines Achatpoliersteins etwa, der bei der Bearbeitung von Blattgold zum Einsatz kommt, oder eines Fingerpinsels, mit dem sich Holzmaserungen täuschend echt imitieren lassen.
Es sind höchst aufwendige Prozesse, deren Ergebnisse sich in der Schau auch anhand derart restaurierter Exponate nachvollziehen lassen. Für Masthoff allerdings sind diese Gegenstände immer auch verknüpft mit Geschichte(n), die das jeweilige Denkmal in sich trage, jene hinter den kreisrunden Löchern im Fachwerk beispielsweise, die einst von Flößern ins Holz gebohrt wurden, um den Werkstoff für die Verschiffung zusammenzubinden.
„Ein Denkmal muss weder ein Gebäude noch schön sein.“
Eva Masthoff über gängige Irrtürmer
Dabei sei die „Kernaufgabe der Denkmalpflege“, eben solche „Lebensspuren“ zu erhalten, betont Masthoff, „aber dafür brauchen wir die Originalsubstanz: Sie ist für uns wie eine Urkunde, die man ja auch nicht einfach wegwirft.“ Was grundsätzlich einleuchtet – und doch nur selten auf Akzeptanz stoße, wie die DSD-Mitarbeiterin erklärt, denn: „Viele Menschen sehen nur die Auflagen, die mit dem Denkmalschutz verbunden sind, aber nicht den Zweck dahinter.“
Wenngleich zum Negativimage gleichermaßen auch die Vielzahl kursierender Irrtümer beigetragen haben dürfte, mit deren prominentesten die Präsentation nun an einer großen Stellwand aufräumt. „Ein Denkmal muss weder ein Gebäude noch schön sein“, nennt Masthoff zwei klassische Beispiele – und weist als drittes auch den Vorwurf zurück, Fachwerkhäuser seien Energiefresser. „Das wird zwar immer wieder behauptet“, sagt sie, „aber wenn man die gesamte Lebensdauer betrachtet, haben diese Gebäude ganz im Gegenteil eine hervorragende graue Energiebilanz“ – die sich auf den Zyklus von Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung bezieht.

Viel Wissenswertes lässt sich schließlich auch im weiteren Verlauf der Schau aufschnappen; an deren Ende wiederum ist dann noch einmal die Meinung der Besucher gefragt: vor einem blauen Teppich, auf dem die mit Denkmalen aus der Region bedruckten Fahnenstangen den unterschiedlich beschrifteten Feldern zugeordnet werden müssen. Vertraut? Einzigartig? Spannend? Oder doch eher unwichtig? „Uns geht es keineswegs darum, dass man Denkmalschutz uneingeschränkt gut findet“, erklärt Masthoff hierzu. „Man darf ihn natürlich auch hinterfragen, irritiert sein. Wichtig ist nur, dass man sich damit aktiv auseinandersetzt.“
Wozu es vonseiten der Ausstellungsmacher dann auch noch einen weiteren, finalen Denkanstoß mit auf den Weg gibt. Gleich neben den Flaggen nämlich lassen sich durch ein Aussichtsfernrohr Stadtansichten betrachten, die um ihre Wahrzeichen beraubt und nun kaum noch zu verorten sind. 2 Euro kostet das wieder vervollständigte Panorama, der freie Blick aufs Original, sodass der Zahlende vielleicht zu folgender Erkenntnis kommt: Denkmalschutz ist nicht umsonst zu haben, ja, mag zuweilen auch lästig sein, aber am Ende lohnt er dennoch.
Die Ausstellung „Liebe oder Last?! Baustelle Denkmal“ ist in der Galerie Handwerk, Rizzastraße 24–26, in Koblenz noch bis zum 27. Juni zu sehen – montags bis freitags von 10 bis 16.30 Uhr sowie sonntags von 11 bis 16 Uhr. Weitere Infos zur Deutschen Stiftung Denkmalschutz auch online unter www.denkmalschutz.de