Rheinland-Pfalz
Kunstvoll, kreativ, zukunftsfähig? Kulturentwicklungsplanung soll die Branche im Land nachhaltig stärken
Erste Ausstellung der Kunstsammlungen Sachsen-Anhalt
Mit der Kulturentwicklungsplanung Rheinland-Pfalz will das Land die Branche für aktuelle und künftige Herausforderungen wappnen. Hierzu wurden in den vergangenen Monaten unter öffentlicher Mitwirkung 93 Maßnahmen erarbeitet.
Jan Woitas/dpa

Was sich zuvor bereits abgezeichnet hatte, wurde in der Pandemie noch einmal schmerzlich vor Augen geführt: Die Kulturbranche ist auch in Rheinland-Pfalz vielerorts in arger Bedrängnis, leidet unter finanziellen Nöten, zeigt sich teils wenig zukunftsfest. Um dem entgegenzusteuern, brachte die Mainzer Ampelkoalition 2022 die Kulturentwicklungsplanung auf den Weg, die knapp eineinhalb Jahre später nun allmählich in die heiße Phase eintritt. Wir stellen die wichtigsten (Zwischen-)Ergebnisse vor.

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Erste Ausstellung der Kunstsammlungen Sachsen-Anhalt
Eine Frau sitzt am 10.11.2017 vor einer Sammlung historischer Flugblätter in der Schau «Begegnungen: Von Cranach bis Holbein» im Kunstmuseum Moritzburg in Halle/Saale (Sachsen-Anhalt). Die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt und die Stadt Dessau-Roßlau haben das erste gemeinsame Ausstellungsprojekt ihrer Kunstmuseen unter dem Namen «Kunstsammlungen Sachsen-Anhalt» realisiert. Ab 12.11.2017 werden öffentlich selten gezeigte Kunstwerke des 15. und 16. Jahrhunderts präsentiert. Ziel der Kooperation ist es, die Sammlungsbestände der beiden Einrichtungen einem breiteren Publikum nahezubringen. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa ++ +++ dpa-Bildfunk +++
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„Die fetten Jahre sind vorbei.“ Mit diesen Worten fasste Jürgen Hardeck, Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Kulturministerium, die Lage der Branche vor Kurzem in Neuwied zusammen. Stark verkürzt zwar und nicht minder pointiert, dabei aber durchaus treffend, denn: Die Vielzahl der Krisen zwischen Krieg und Klimawandel, präzisierte Hardeck, „aber auch gesellschaftliche Entwicklungen wie Migration oder Digitalisierung hätten nicht nur den Druck auf die – ohnehin meist klammen – öffentlichen Haushalte erhöht. „Sie verändern auch die Rahmenbedingungen der Kulturpolitik und fordern zu neuem Denken auf.“ Es brauche neue Wege, um diesen Herausforderungen zu begegnen, betonte Hardeck – und ergänzte: „Ein bloßes ,Weiter so‘, eine Kulturpolitik des ständigen Zuwachses ist heute nicht mehr glaubwürdig.“

Womit dann auch schon die Kulturentwicklungsplanung (KEP) auf den Plan tritt, die eben solche neuen Wege weisen, die Branche im Land nachhaltig stärken soll. Das Projekt – begleitet von einer externen Arbeitsgemeinschaft aus Mitarbeitern der Kulturpolitischen Gesellschaft sowie Kultur- und Unternehmensberatern – wurde im Juni 2022 als partizipativer Prozess gestartet, der Kulturanbieter und -rezipienten gleichermaßen miteinbeziehen soll. Zunächst in Form von sechs spartenspezifischen Arbeitskreisen in den Bereichen Musik, Museen oder Kinos, in denen Herausforderungen und Schwerpunkte der künftigen Kulturpolitik diskutiert wurden, später dann in neun Themenforen mit dem Ziel, die bisherigen Ergebnisse zu vertiefen.

Mehr Sicherheit durch Kulturfördergesetz?

Flankierend hierzu gab es etwa auch eine Jugendkulturbefragung unter (potenziellen) Rezipienten im Alter zwischen zwölf und 27 Jahren sowie Gesprächsrunden mit Vertretern aus Politik, Verwaltung und Verbänden, in denen es unter anderem auch um die Frage ging, ob die Kulturförderung durch eine gesetzliche Verankerung besser abgesichert werden kann. Ein Schritt, der die Kulturfinanzierung aus den freiwilligen in die verpflichtenden kommunalen Aufgaben heben würde und in Sachsen oder Nordrhein-Westfalen etwa schon zurückgelegt wurde. Weshalb man im Sommer auch das Gespräch mit politischen Vertretern aus den genannten Bundesländern suchte.

Niederschlag fand all das schließlich in der Formulierung von 93 „konkreten und finanzierbaren Maßnahmen“ zur Kulturentwicklung, wie es vonseiten des Landes heißt, die in 13 Handlungsfeldern (etwa „Kulturelle Teilhabe“, „Ehrenamt“ oder „Kulturelle Infrastruktur“) zusammengefasst wurden, um daraus wiederum fünf Leitthemen zu entwickeln, die von Hardeck und dem KEP-Projektteam nun in Neuwied bei einem von insgesamt drei Regionalforen vorgestellt wurden.

Beim Regionalforum in Neuwied wurden die bisherigen Ergebnisse vorgestellt und diskutiert.
Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration Rheinland-Pfalz

1 Mit Blick auf die Kulturförderung des Landes wurden in den KEP-Beteiligungsformaten unter anderem weniger Bürokratie, mehr Effizienz und transparente(re) Verfahren bei der Mittelvergabe gefordert, zudem mehr Beteiligungsmöglichkeiten für Empfänger und fachlich definierte Förderkriterien. Es brauche eine „verlässliche, konzeptbasierte und nachhaltige Kulturförderung, die eine mehrjährige Planungssicherheit gewährleistet“, heißt es hierzu in einem KEP-Zwischenbericht.

Neben der bereits erwähnten Prüfung einer gesetzlichen Verankerung der Kulturförderung wird daher auch der Aufbau eines Informationssystems für freie Kulturträger, Kunstschaffende und Kommunen empfohlen. Angeregt wird weiterhin ein Kulturförderplan, der einmal pro Legislaturperiode Aussagen zur Angebots-, Infrastruktur- und Publikumsentwicklung geförderter Projekte zusammenfassen soll. Wer Geld bekommt, könnten künftig zudem öfter Fachjurys entscheiden.

Profile definieren und stärken

2 Als Voraussetzung für eine zukunftsfähige Kulturentwicklung wird in der KEP postuliert, die zur Verfügung stehenden Ressourcen (Geld, Personal, Infrastruktur) so einzusetzen, dass „sozialräumliche Disparitäten“ vermieden werden. Heißt: In den wirtschaftlich und kulturell sehr unterschiedlich aufgestellten Regionen des Landes sollen die jeweiligen Potenziale und Eigenheitenoptimal genutzt werden, um Angebote überall vorhalten zu können.

In der KEP wird hierzu etwa eine Gesamtstrategie vorgeschlagen, die Kulturregionen mit ihren jeweiligen Profilen definiert, um sie mithilfe einer regionalen Kulturförderung passgenau zu unterstützen. Beitragen hierzu könnten beispielsweise auch drei weitere regionale Kulturbüros; gefördert werden sollen außerdem „regionale Zusammenschlüsse unter Beteiligung zivilgesellschaftlicher und öffentlicher Kulturträger“.

Kultur für alle

3 Anknüpfend hieran, formuliert die KEP indes auch die Notwendigkeit, die „gesellschaftliche Verankerung von Kultur neu zu denken“. Kulturelle Teilhabe zu ermöglichen, sei vor allem im ländlichen Raum oft eine Herausforderung – die künftig allerdings auch unter Berücksichtigung veränderter Gesellschaftsstrukturen gestemmt werden müsse. Um neue Zielgruppen – knapp ein Drittel der Rheinland-Pfälzer hat heute einen internationalen Hintergrund – jenseits der etablierten Kultureinrichtungen zu erreichen, fordert die KEP daher eine „aufsuchende, ermöglichende und anreizgebende Kulturstrategie“ – ähnlich jener der Kultursommer-Programme.

Über Kunst- und Musikschulen müsse die kulturelle Bildung daneben (noch) mehr in die Fläche getragen, entsprechende Angebote in Kitas und Ganztagsschulen ausgebaut werden. Eine weitere Anregung: die Auflage eines Programms zur „diversitätssensiblen Öffnung des Kulturbereichs“, womit der Zugang zu kulturellen Angeboten für alle Gesellschaftsgruppen gemeint ist.

Mehr Miteinander

4 Da finanzielle Mittel auch in Zukunft rar sein werden, sieht die KEP eine stärkere Vernetzung von Kulturakteuren und deren Angeboten vor, aber auch zwischen Kultursektor und Politik beziehungsweise Land und Kommunen, um Doppelstrukturen zu vermeiden und Synergieeffekte zu nutzen. Es bedürfe eines „koordinierten Vorgehens der verschiedenen Träger“, heißt es, um die Kulturlandschaft zukunftsfest zu machen. Dabei könnten durch Kooperationen und dadurch implementierte Strukturen auch die Qualität der Angebote und die Qualifikation der Mitarbeiter in den jeweiligen Kultureinrichtungen verbessert werden.

Gefordert werden mit Blick auf die bessere Vernetzung unter anderem eine regelmäßige Landeskulturkonferenz sowie ein ständiger Arbeitskreis, bei dem Vertreter der kommunalen Spitzenverbände und Kulturverwaltungen mit Mitgliedern der Kulturamtsleitungskonferenzen zusammenfinden.

Forderung nach Mindesthonoraren

5 Verbessert werden sollen schließlich auch die Bedingungen zurKunst- und Kulturproduktion im Land. Mithilfe der „Strahlkraft der rheinland-pfälzischen Hochschulen“ sowie der „Unterstützung innovativer und experimenteller Kunstformen“ will das Land mehr Kreative anlocken, weist zugleich aber auch darauf hin, dass die Verfügbarkeit von Räumen und ein gut laufendes System aus Einrichtungen, Netzwerken und Auftragsmöglichkeiten hierfür unabdingbar seien. Angeregt wird in der KEP daher beispielsweise ein Förderprogramm zur Anschubfinanzierung selbst organisierter Kunst- und Kulturorte sowie mehr finanzielle Mittel für das ehrenamtliche Engagement im Programm „Zukunft durch Kultur“.

Eine weitere Forderung hat Kulturministerin Katharina Binz derweil bereits aufgegriffen, als sie sich vor Kurzem für Mindesthonorare für freischaffende Künstler aussprach. Förderung vom Land soll demnach künftig nur noch erhalten, wer sich an diesen – noch festzulegenden – Honorargrenzen orientiert.

Wir müssen hartnäckig bleiben, um trotz der schwierigen Haushaltslage etwas für die Kultur herauszuschlagen.

Kulturstaatssekretär Jürgen Hardeck

Im kommenden Jahr soll der Abschlussbericht der Kulturentwicklungsplanung dann zur Beratung in den Landtag eingebracht werden – und mit seinen Maßnahmen schließlich auch Einzug halten in den Doppelhaushalt 2025/26. Wobei Kulturstaatssekretär Hardeck bereits betonte, dass man zwar versuchen werde, möglichst viele der eingebrachten Vorschläge umzusetzen.

Doch: „Nicht alles wird am Ende realisierbar sein, einiges, wie etwa die Prüfung eines Kulturfördergesetzes, benötigt auch seine Zeit“, erkläre Hardeck, der in Neuwied zudem noch folgenden Appell formulierte: „Wir brauchen einen großen Schulterschluss zwischen den Akteuren der Branche und müssen hartnäckig bleiben, um trotz der schwierigen Haushaltslage etwas für die Kultur herauszuschlagen.“ Er sei allerdings überzeugt, „dass es uns gelingen wird, einen passgenauen politischen Rahmen zu schaffen, um das zu bewahren, was sich bewährt hat, gleichzeitig aber auch neuen Entwicklungen Rechnung zu tragen“.

Alle Ergebnisse der Kulturentwicklungsplanung – inklusive Möglichkeiten zur Beteiligung – gibt es auch hier.