Neue AKM-Ausstellung in Koblenz zeigt die breite Palette der (analogen) Druckkunst
Kunstvoll kreativ statt künstlich intelligent: Neue AKM-Schau in Koblenz zeigt breite Palette der Druckkunst
Yvette Kießling ist in der Ausstellung unter anderem vertreten mit ihrer 48 Lithografien umfassenden Darstellung tropischer Motive.
Stefan Schalles

Der technische Fortschritt ist in der modernen Gesellschaft allgegenwärtig – und hat längst auch Einzug gehalten in den Kunstbetrieb. KI-basierte Werke sind in aller Munde, der Einfluss digitaler Helfer wächst. Jedoch nicht überall, wie die Arbeitsgemeinschaft bildender Künstler am Mittelrhein beweist: In ihrer aktuellen Schau verfolgt die AKM einen gänzlich anderen Ansatz, zeigt Druckkunstwerke, die dem Digitalen konsequent entsagen – und gerade dadurch einen ganz natürlichen Reiz entfalten.

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Einen guten ersten Eindruck davon, wo die Ausstellung hinsteuert, erhält der Besucher vor den Arbeiten Yvette Kießlings, im Antlitz ihrer Lithografie „Blick auf Kaub“ etwa, in der sie die charakteristischen Züge des Mittelrheintals zwischen knalligem Orange und verträumtem Lila einfängt. Ein Motiv, das sich so oder so ähnlich tausendfach auf digital gefertigten Fotos finden dürfte. Doch: Kießling ist keine Fotografin, sondern Handwerkerin im wahren Wortsinn, malt nicht nach Bildern, sondern trägt den massiven Lithostein selbst hinaus in die Natur, zeichnet darauf mit Kreide oder Tusche, um ihre Vorstudien später in prismafarbige Farblithografien zu verwandeln.

Womit sie den kreativen Geist der Ausstellung gleich ziemlich griffig einfängt, denn: „Wir haben für unsere Präsentation ganz bewusst nach Künstlern gesucht, die nach Zeichnungen, inneren Vorstellungen oder naturinspiriert arbeiten“, erklärt Sophia Pechau, „nach Künstlern, die ohne digitale Hilfsmittel an ihr Werk herangehen.“ Die Fotografie, ergänzt die Kuratorin, habe als Zeichen- oder Druckvorlage in den vergangenen Jahren massiv an Bedeutung gewonnen und die künstlerische Arbeit zweifellos erleichtert, doch: „Es hemmt auch die Kreativität und entmündigt das Auge“, findet Pechau, „weil der künstlerische Entstehungsprozess nur noch auf das rein Handwerkliche reduziert wird.“

Yvette Kießling ist in der Ausstellung unter anderem vertreten mit ihrer 48 Lithografien umfassenden Darstellung tropischer Motive.
Stefan Schalles

Wer diesem Trend jedoch entsage, davon ist die Kuratorin überzeugt, wer das Motiv ganz unmittelbar oder eben geistig aufnehme, versehe seine Kunst mit einer unverkennbaren Signatur. „Man erkennt den Unterschied“, sagt Pechau – und meint damit wohl auch eine zweite, wandfüllende Arbeit Kießlings, in der die Künstlerin insgesamt 48 Einzelbilder versammelt, sich ähnelnde Motive – Farne, Palmen, Früchte –, die sie immer wieder überdruckt und das Gezeigte dadurch in kleinen Details modifiziert. „Kießling“, erklärt Pechau, „ist viel auf Reisen, bevorzugt in Tansania, weshalb ihre Arbeiten oft auch tropische Bezüge aufweisen.“

Knallige Farben etwa, dank derer die collageähnliche Sammlung so etwas wie „der aufregende Part“ sei in der sonst ruhig gehaltenen Schau – die jedoch auch fernab von Kießlings Werkgaben viel Spannendes zu bieten hat.

Miyuki Ichijo verhandelt in ihren Papierdrucken weibliche Rollenbilder in unserer heutigen Gesellschaft.
Stefan Schalles

Neun Künstler sind im Koblenzer Haus Metternich vertreten, stets mit mehreren, in der Technik teils variierenden Arbeiten zwischen Radierung und Kartondruck, vom Linolschnitt bis zur Lithografie, darunter auch Miyuki Ichijo, die in ihren farblich schlicht gehaltenen, oft aus Milchkartons gefertigten Papierdrucken Frauen abbildet, diese als resigniert wirkende, von Leere umgebene Figuren zeigt, in deren Erscheinungsbild sie weibliche Rollenbilder in Gesellschaft und Sexualität hinterfragt.

Wenige Meter weiter rückt indes auch Hans Jürgen Soeffker ein wiederkehrendes, wenngleich grundverschiedenes Motiv in den Mittelpunkt seiner Kunst, genauer: orangefarbene Müllfahrzeuge, die er zunächst aus Kartonmaterial ausschneidet, dann farblich druckt und mithilfe dieses Verfahrens mitten hinein montiert in seine monotonen, von Industriearchitektur dominierten Kulissen.

Womit Soeffker dem Titel der Schau, „Druck-Kunst im Singular und Plural“, bereits recht nah kommt – noch deutlich enger an diesen schmiegt sich jedoch Heike Schumachers Serie wuchernder Zimmerpflanzen, über die Pechau sagt: „Obwohl es sich um ein Verfahren zur Vervielfältigung handelt, wird die Druckkunst von den meisten Künstlern zur Herstellung von Unikaten genutzt – weil es ihnen weniger um den technischen Vorgang geht als vielmehr um das Ergebnis.“ Schumacher, präzisiert Pechau, greife in ihrer Serie nun eben diesen Umstand auf und zeige, „wie die Radierungen identischer Motive in unterschiedlichen Farbgebungen wirken können“.

Julian Felix Kirchner lässt sich in seinen Holzschnitten von Cartoons inspirieren, stetig wiederkehrendes Motiv sind dabei Hände.
Stefan Schalles

Dabei sind all das am Ende nur Facetten des Ganzen, zweifellos gäbe es an dieser Stelle noch viel mehr zu schreiben – über den im vergangenen Jahr verstorbenen Michael Recht etwa, der in der Schau nun posthum mit einer Auswahl von Bildern gewürdigt wird, die vielfach Szenen der griechischen Mythologie aufgreifen. Über die großformatigen, nicht minder mystisch anmutenden Holzschnittmotive Werner Reubers oder die von Comics inspirierten, oft Hände abbildenden Arbeiten Julian Felix Kirchners.

Doch: Man macht sich am besten selbst ein Bild von dieser sehenswerten Schau, zu der im Übrigen auch Sophia Pechau eine kleine, aber feine Werkauswahl beisteuert, darunter (natürlich) auch ihre charakteristischen Linolschnitte diverser Hocker und Stühle, in deren Form sie nach eigener Deutung Analogien zum menschlichen Körper erkennt.

Einfach nur Bilder

„Ich liebe die einfachen Dinge“, erklärt Pechau hierzu, „kann mich an ihnen festbeißen, berauschen.“ Was als Einordnung auch übertragbar wäre auf die Ausstellung als solche, die die Kuratorin zum Abschluss ganz schnörkellos kommentiert mit den Worten: „Es sind einfach nur Bilder, keine Videos, keine Geräusche – und trotzdem, finde ich, machen sie was her.“

Das (Begleit-)Programm auf einen Blick

Die Ausstellung wird zum Aschermittwoch der Künste (14. Februar) um 12 Uhr im Haus Metternich am Münzplatz eröffnet und ist dort in der Folge bis zum 17. März zu sehen – jeweils donnerstags bis sonntags von 16 bis 19 Uhr. Bereits vor der Vernissage findet am Mittwoch ab 10 Uhr ein (kreativ begleiteter) Gottesdienst in der Herz-Jesu-Kirche statt.

Im Verlauf der Ausstellung sind dann unter anderem drei Workshops geplant zu den Themen „Linolschnitt – Verlorene Form“ (24. Februar, 14 bis 18 Uhr), „Radierung – Die kalte Nadel“ (9. März, 14 bis 18 Uhr) und „Flachdruck mit der Gelatineplatte“ (16. März, 14 bis 15.30 Uhr sowie 16.30 bis 18 Uhr). Anmeldungen hierzu können ab sofort per E-Mail an sophia-pechau@t-online.de adressiert werden. Führungen gibt es derweil am Internationalen Tag der Druckkunst (15. März) zwischen 14 und 16 respektive 17 und 19 Uhr; zur Finissage am 17. März ist um 16 Uhr zudem ein Künstlergespräch mit Antje Kraus vom Mittelrhein-Museum Koblenz vorgesehen.

Weitere Infos gibt's auch hier.