Der Philosoph schrieb: „Eine Gesellschaft Stachelschweine drängte sich an einem kalten Wintertage recht nah zusammen, um sich durch die gegenseitige Wärme vor dem Erfrieren zu schützen. Jedoch bald empfanden sie die gegenseitigen Stacheln, welches sie dann wieder voneinander entfernte. Wann nun das Bedürfnis der Erwärmung sie wieder näher zusammenbrachte, wiederholte sich jenes zweite Übel, sodass sie zwischen beiden Leiden hin- und hergeworfen wurden, bis sie eine mäßige Entfernung voneinander herausgefunden hatten, in der sie es am besten aushalten konnten.“ Danbi Jeung, die nach Komposition und Klangkunst bei Wolfgang Rihm in Karlsruhe gegenwärtig an der Hochschule in Mainz bei Peter Kiefer Klangkunst studiert, ist eine von drei Künstlerinnen und Künstlern, die dieses Medium nun erstmals zum Koblenz International Guitar Festival beisteuern mit Installationen im Foyer und im Treppenhaus der Rhein-Mosel-Halle. Vor dem Rheinsaal hat die südkoreanische Künstlerin ihre Arbeit installiert, im Zentrum eine Bambusstange, aus der Kabelbinder wie Stacheln herauswachsen.
„Eigentlich wollten wir tatsächlich Stachelschweinstacheln verwenden“, meint Kiefer, international eine Kapazität in Sachen Klangkunst, „aber das war uns dann doch zu direkt.“ Zu direkt als Verweis auf Schopenhauers Gleichnis, in dem es darum geht, dass eine Gesellschaft nur mit der ausgewogenen Balance von Nähe und Abstand untereinander funktionieren kann. Für die Balance sorgen in der Installation Vier-Kanal-Lautsprecher, aus denen selbst gesprochene, gehauchte Worte tönen, Klänge, die sich nähernde Betrachtende anziehen und auf Distanz halten.
Interaktion spielt auch in der Klanginstallation „Echos of the Fireflies“, den „Echos der Glühwürmchen“ des Kolumbianers Juan David Bermúdez eine Rolle, ebenfalls bei Kiefer studierender Klangkünstler und Komponist. Auch ihm geht es um die Beziehung von Klang und Raum, um die multimediale Erschaffung eines Kunstwerks, das beim betrachtenden, teilnehmenden Gegenüber multisensuelle Empfindungen auslöst. Im Treppenhaus der Rhein-Mosel-Halle hat Bermúdez an verschiedenen Stellen unter Pflanzen und Grassoden QR-Codes „versteckt“, die Besucher mit ihren Smartphones scannen und so Klänge und Naturlaute hören, Raum erfahren können, so wie sich Tiere durch Echos im Raum orientieren.
Auf Interaktion setzt noch deutlicher der 1982 in Mexiko-Stadt geborene Wingel Pérez Mendoza, der nach einem Kompositionsstudium am Trinity College in den Niederlanden unter anderem Elektronische Musik studierte und aktuell ebenfalls in Mainz bei Kiefer seine Ausbildung fortsetzt. Klang ist für ihn nicht nur ein akustisches Phänomen, sondern eine Wahrnehmung, die mit Bildern, Licht, Erinnerungen, Bewegungen, Handlungen verbunden ist. Eben das thematisiert er mit seiner Installation „Colour Memories“.
Auf Plattenspielern drehen sich nicht Vinylscheiben, sondern Farbpaletten, die anstelle von Nadeln von Farbsensoren gelesen werden und Farben in Klang transformieren. Besucher können die Paletten wechseln, die Lautstärke verändern und so individuelle Ensembles komponieren, in denen die Grenze zwischen Hören und Sehen verschwimmt, eigene Erinnerungen, Gefühle bei der Entstehung, der Wahrnehmung der Klänge mitspielen.
Die drei Klanginstallationen sind bis zum 22. Oktober während der Dauer des Festivals in der Rhein-Mosel-Halle zu erleben – nach vorheriger Anmeldung und unter Einhaltung der aktuell geltenden Corona-Bestimmungen. Weitere Infos hierzu online unter www.koblenzguitarfestival.de