Anfang 2020 wurde das Land unter Verschluss gehalten. Kreative Kräfte wurden allmählich wichtiger, als es darum ging, Optionen für die Kultur in dieser eher düsteren Situation zu erkunden. Sie nahmen am Streamingfestival im Sentralen in der Osloer City teil, was auch Auslöser für Ihr neues Albumprojekt „New Morning“ war. Wie lief dieser Schaffensprozess?
Bei der Vorbereitung dachte ich, meine Darbietung werde ziemlich introvertiert sein – ohne jegliche Konsequenzen, wie ein Widerhall aus der Zeit, die wir alle damals erlebten, so oft allein mit unseren Gedanken. So wollte ich so rasch wie möglich beginnen. Als ich anfing, spielte ich in einem schönen elfenbeinfarbenen Saal. Vorgegeben war, dass ich mehr als eine Stunde ohne Unterbrechung spielen sollte. Und siehe da, alles war doch nicht wie gedacht so introvertiert. Und die Musik machte trotz Corona alles stärker. Der Sound auf dem Steinway-Flügel war ausgezeichnet. Es bedeutete für mich eine sehr spezielle Erfahrung.
Der kommende vierte Band zu Ihrer autobiografischen Chronik „The World that Was Mine“ dreht sich um die 90er-Jahre. Kommt da auch Ihr erster Auftritt beim Neuwieder Jazzfestival zur Sprache?
1999 im Mai, das war schon ein tolles Erlebnis in Neuwied. Ich habe mit Terje Rypdal gespielt. Es war ein großartiges spirituelles Duo, um Räume unserer Landschaften mit diesem Freund zu erschließen. Da ist sicher auch was in meinem Manuskript enthalten, was ins Buch einfließen wird.
Literatur ist wie ein Raum, in dem man sich im eigenen Tempo bewegt. Musik gibt das Tempo vor.
Ketil Bjørnstad
Was fasziniert Sie seither am Neuwieder Jazzfestival, bei dem Sie schon mehrmals aufgetreten sind?
Ich habe dort seither gute Freunde gefunden wie Werner Oberender, der künstlerische Leiter des Festivals. Die Atmosphäre in Neuwied ist sehr familiär. Und das Publikum ist fantastisch. Der Diana-Saal in Schloss Engers fasziniert mich immer wieder. Und der schöne Rhein in unmittelbarer Nähe. Da komme ich immer gern hin.
Sie sind ein Mann der Töne wie der Worte. Gibt es da Gemeinsamkeiten beim Komponieren und beim Verfassen von Texten?
Die Arbeitsweisen unterscheiden sich grundlegend. Literatur ist wie ein Raum, in dem man sich im eigenen Tempo bewegt. Musik gibt das Tempo vor. Im Jetzt muss ich mich konzentrieren, Fehler kann ich nicht korrigieren, einen Satz kann ich neu schreiben, bei der Musik muss ich andere Lösungen suchen. In der Vergangenheit habe ich aber beides zu streng getrennt. So habe ich mit dem Doppelalbum „Vinding's Music“ (2012) eine Art Soundtrack zu meiner Romantrilogie über einen jungen norwegischen Pianisten geschaffen. Musik und Sprache gehören bei mir untrennbar zusammen.
Sie haben eine klassische Ausbildung. Wann kamen Sie zum Jazz?
1969 entdeckte ich das Album „In a Silent Way” von Miles Davis und habe direkt Feuer für den Jazz gefangen.
Die Fragen stellte Michael Schaust
Der Auftritt am 31. März ist bereits ausverkauft, Infos und Tickets für das Konzert am 1. April, 19.30 Uhr, im Diana-Saal gibt's hier.