Erfreulich: Die Stadt Koblenz hat bereits einiges unternommen, um dieser Tendenz entgegenzuwirken – als Ausrichtungsort des nach dem Autor benannten Literaturpreises etwa – und in gleicher Absicht nun eine Joseph-Breitbach-Poetikdozentur geschaffen.
„Die Frage war, wie wir der Literatur in Koblenz mehr Rechnung tragen können und darüber hinaus auch das Werk Joseph Breitbachs bekannter machen“, erläutert Kulturdezernentin Margit Theis-Scholz die Idee hinter dem Projekt. Die Antwort auf diese Überlegung lautete schließlich Poetikdozentur, die in Kooperation mit Universität und Stadttheater eigentlich bereits im vergangenen Jahr vergeben werden sollte, wegen Corona jedoch auf 2021 verschoben werden musste. Wobei das Konzept des mit 10.000 Euro dotierten Preises – geplant waren ursprünglich Lesungen an der Uni und vier Präsenzveranstaltungen in der Stadt – auch in diesem Jahr noch nicht in Gänze umgesetzt werden kann, wie Theis-Scholz betont. Doch: Die „universitäre Anbindung der Dozentur“ soll nachträglich in jedem Fall noch geknüpft werden – sobald die Pandemie dies zulässt. Und: Die Dozentin selbst wird immerhin an zwei Terminen in Koblenz anwesend sein, am morgigen Donnerstag, 10. Juni, und Mittwoch, 16. Juni, jeweils um 20 Uhr im Theater Koblenz.
Womit man schließlich quasi geradewegs zurückkehrt zu Breitbach und namhaften Persönlichkeiten: Denn eine solche ist auch die erste Inhaberin der Poetikdozentur, Marlene Streeruwitz, zweifellos. Die 1950 in Baden bei Wien geborene Autorin gehört zu den bekanntesten Vertreterinnen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, ihre Theaterstücke wurden in den 1990er-Jahren bundesweit rauf- und runtergespielt. In jüngerer Vergangenheit wendete sich Streeruwitz dann vermehrt der Belletristik zu, veröffentlichte im Oktober 2020 mit „So ist die Welt geworden“ einen Roman über ihre Erfahrungen in der Pandemie – und fasste zuletzt auch ihre Vorlesungen für die Poetikdozentur in dem Buch „Geschlecht. Zahl. Fall.“ zusammen.
Geprägt ist Streeruwitz' Werk dabei vor allem von dem stetigen Versuch, gewohnte Wahrnehmungsmuster zu dekonstruieren, von Fragen nach der Verteilung geschlechtsbezogener, politischer und sozialer Macht – wobei die Corona-Krise auch für die Autorin eine Zäsur darstellte: Der „Zeit“ sagte sie hierzu: „Alles, was ich bisher gemacht habe, ist hinfällig. Ich muss ganz neu anfangen.“ Künstlerisch beschäftigte sie sich daraufhin etwa mit der Frage nach der Bedeutung von Literatur in Zeiten einer weltweiten Pandemie, mit den Rollen von Sprache und Macht. „Mein Ziel ist es herauszufinden, auf welchen Sätzen und Wortbrocken ein Schicksal beruht“, erklärte Streeruwitz, die als Kritikerin der österreichischen Corona-Politik allerdings auch die eine oder andere Kontroverse lostrat – etwa, als sie die Maßnahmen der dortigen Regierung mit Blick auf die Grundrechtseinschränkungen mit den Nürnberger Rassengesetzen verglich.
Streeruwitz, betont Theis-Scholz, sei eine „streitbare Person“, die „Probleme benenne und den Finger in die Wunde lege“ – womit sie wiederum in direkter Tradition zu Joseph Breitbach stehe, der in seinen Werken ebenfalls immer wieder sozialkritische Themen aufgegriffen habe. „Für uns war es wichtig, mit der Dozentur nicht nur eine bekannte Autorin auszuzeichnen, sondern auch eine, die ihre Stimme kritisch zu gesellschaftspolitischen Fragen erhebt“, erklärt die Kulturdezernentin. Zudem bringe Streeruwitz durch ihre Auseinandersetzung mit der Pandemie „sehr aktuelle“ Themen mit nach Koblenz.
Zum dortigen Programm erklärt der Koblenzer Theaterintendant Markus Dietze: Entgegen der mit dem Begriff konnotierten Erwartung gehe es bei der Poetikdozentur keineswegs darum, „dass einer redet und die anderen zuhören“. Man wolle vielmehr ins Gespräch miteinander finden, zur Auseinandersetzung mit Literatur anregen.
Weshalb der Auftakt am Donnerstag denn auch ganz im Zeichen der Diskussion steht: Mit Streeruwitz will Dietze dann am Beispiel von Arthur Schnitzlers „Reigen“ erörtern, „wie sich Theater durch die Pandemie verändert hat und wo dramatische Texte noch sinnvoll wirken können“. Beim zweiten Termin liegt der Fokus derweil auf Poesie und Belletristik – aufgezogen an Streeruwitz' Covid-19-Roman „So ist die Welt geworden“.
Im Großen Haus des Theaters sind an beiden Terminen 100 Zuschauer zugelassen, Karten gibt es an der Theaterkasse, der Eintritt ist frei. Beide Termine werden auch im Internet gestreamt, Tickets müssen reserviert werden: www.theater-koblenz.de