Dies ist die Geschichte eines Bildes – von seinem ersten Moment an, als Ölfarbe auf Leinwand trifft, bis hin zu der Wand, an der es vorerst seinen Bestimmungsort gefunden hat. Es ist die Geschichte eines Künstlers, der seinen Weg macht. Und es ist eine Geschichte, in der sich ein Kreis schließt – für den aus dem Westerwald stammenden Maler Janus Hochgesand, sein im Koblenzer Ludwig Museum entstandenes titelloses Bild und für das Land Rheinland-Pfalz, das das Werk jetzt sein Eigen nennt. Es hat es angekauft für den guten Zweck. Aber der Reihe nach.
Sommer 2021. Es ist schwül im Ausstellungssaal im Ludwig Museum, wo Janus Hochgesand nicht nur deshalb ins Schwitzen kommt. Zwei Performances gibt der Maler, der hier unter dem Titel „Muy Mucho“ (etwa: „sehr viel“) seine erste Museumsausstellung überhaupt mit abstrakten Gemälden zeigt.
Farbauftrag mit Fußeinsatz
An diesem Nachmittag und Abend lässt er Besucherinnen und Besucher teilhaben an etwas, was Kunstschaffende sonst gern hinter geschlossener Ateliertür praktizieren: Hochgesand malt. Zwei Großformate, je 2,20 mal 1,80 Meter groß, wird er an diesem Tag vor Publikum schaffen. Ein Kraftakt. Denn er geht bei der Arbeit ähnlich handfest zur Sache, wie es etwa bei abstrakten Expressionisten wie Jackson Pollock verbrieft ist: Mitten im Ausstellungssaal liegt die von Holzlatten gehaltene Leinwand auf dem Boden. Darauf quetsch Hochgesand tubenweise Ölfarben, um sie mit den Füßen zu verteilen, kippt und stäubt Farbpigmente direkt aus Eimern darüber. Er wischt und schabt in der Farbe, fast grob klappt er die Leinwand zusammen, öffnet sie, läuft mit seinen Sneakern darüber. Die Sohlen drücken sich in die Farbschichten, hinterlassen Spuren.
In Jogginghose, Hemd und mit Baseballkappe auf dem Kopf arbeitet Hochgesand fokussiert, ein kammermusikalisches Trio begleitet ihn. Eine gute Stunde vergeht so. Dann: Ein knappes Nicken, eine Verbeugung. Stille. Applaus. Für Janus Hochgesand und ein vollendetes Bild. Als „High Intensity Painting“ bezeichnet Hochgesand seine Art des Malens – und es ist offensichtlich ein intensiver, kräftezehrender Prozess für den Künstler. Wobei: Geschont hat sich Hochgesand in der künstlerischen Arbeit noch nie. Er ist gelernter Bildhauer, studierte unter anderem an der Frankfurter Städelschule bei Tobias Rehberger, heute lebt er als freischaffender Künstler in Hamburg. Den Körpereinsatz, den die bildhauerische Arbeit fordern kann, bringt Hochgesand inzwischen lieber für die Leinwand auf.
Seit “Muy Mucho" läuft es bei Hochgesand richtig gut
Mit seinen meist großformatigen, stets abstrakten Arbeiten fällt er inzwischen am Kunstmarkt ins Auge. Dass die renommierte Städelschule in der Vita steht, schadet ebenfalls nicht. Mit der Koblenzer „Muy Mucho“-Ausstellung hat Hochgesand, 1981 in Dierdorf im Westerwald geboren, eine Hürde auf seinem künstlerischen Weg genommen: die erste Ausstellung in einem Museum. Galerien in Hamburg und Münster vertreten ihn, vor Kurzem ist Frankfurt hinzugekommen. Im Frühjahr wird er auf der Art Karlsruhe ausstellen, dann im Herbst auf der Art Cologne. In der Kunstdatenbank artfacts.de ist Hochgesand inzwischen unter den 2000 relevantesten Kunstschaffenden in Deutschland gelistet, international liegt er an der 10.000er-Marke. Dinge kommen in Bewegung.
In seinem Atelier in Hamburg hat er gerade zwei Pilotfolgen eines Showformats gedreht, für das er bildende Kunst und Kulinarik zusammenbringen möchte, womit er übrigens an eine – wenn dort auch nicht mehr gelebte – Tradition der Städelschule anknüpft, wie er erzählt. „Art and Cooking“ nennt er seine Show, das Ganze liegt inzwischen bei einem TV-Produzenten. Außerdem entwickelt er Ideen, um seine Performances auszuweiten.
Auf dem Weg in die Kunstelite?
Kurzum: Just während der zähen Monate der Pandemie hat sich für den inzwischen 40-Jährigen viel getan, erzählt er. „Wenn ich so auf die Entwicklung der vergangenen 15 Jahre schaue: Dann bin ich jetzt vielleicht im Mittel meines Weges“, sagt Hochgesand. Es ist einige Zeit seit der Performance im Ludwig Museum vergangen, es ist Spätherbst. Der Künstler ist wieder in Koblenz, Stippvisite in der alten Heimat. Gerade kommt er von einem Termin in Mainz – und von einem Wiedersehen mit dem in der zweiten Performance entstandenen Bild. Die Staatskanzlei hat es gekauft, ersteigert in einer Benefizauktion zugunsten des Ahrtals. Infolge der Flutkatastrophe im Ahrtal hatten Beate Reifenscheid, Direktorin des Ludwig Museums, und der Galerist Markus Diede eine Kunstauktion organisiert, um mit dem Erlös das kulturelle Leben im Ahrtal unterstützen zu können. Mehr als 50 Werke, darunter Arbeiten von Joseph Beuys und Sigmar Polke, gingen in den Verkauf.
Hochgesand stiftete sein Werk, ein Vertreter des Landes bot, bei 7000 Euro kam der Zuschlag: „Jetzt hängt mein Bild im Plenarsaal“, erzählt Hochgesand. Ihm bedeutet das einiges: Dass er seine erste museale Ausstellung just in der Heimat zeigen konnte, „das war schon groß“. Dass nun auch das in der Schau entstandene Bild für den guten Zweck verkauft wurde, nun zur Sammlung des Landes gehört, habe jegliche Erwartungen übertroffen. „Ganz ehrlich: Es ist ein schönes Gefühl, Spuren zu hinterlassen.“