„Weil es dich gibt“, „Sonne in der Nacht“, „Josie“: Mit Songs wie diesen hat sich Peter Maffay einen festen Platz in den deutschen Gesangbüchern gesichert, gehört mit mehr als 50 Millionen verkauften Tonträgern und 21 Nummer-eins-Hits zu den erfolgreichsten deutschen Künstlern. Im Juni spielt der Kultrocker nun gleich zwei Konzerte auf der Freilichtbühne Loreley – und zeigt sich im Vorabgespräch mit unserer Zeitung nicht nur angenehm bodenständig, sondern auch bemerkenswert persönlich.
Herr Maffay, wenn man wie Sie alles erreicht hat als Musiker und vieles gesehen: Ist ein Auftritt auf der Loreley – die Ihnen ebenfalls bestens vertraut ist – dann überhaupt noch etwas Besonderes?
Wir nennen das Konzept unserer kleinen Reihe ja „Loveplaces“, spielen die Konzerte also ausschließlich an Lieblingsorten mit einem speziellen Reiz, und da gehört die Loreley ohne jeden Zweifel dazu. Es ist einfach ein wunderschöner Ort: für die Besucher, die während des Konzerts über die Bühne hinweg auf die grandiose Landschaft blicken können. Aber auch für uns Musiker, weil du nach einem gelungenen Auftritt einfach eine Etage tiefer gehst in den Backstagebereich auf den Terrassen und von dort aus eine wundervolle Aussicht hast auf den Rhein. Da lässt es sich also schon aushalten.
Nun sind Ihre Erfolge als Musiker weithin bekannt. Anders als viele Ihrer Kollegen allerdings gehen Sie auch mit den negativen Seiten Ihres Lebens sehr offen um. In der 2024 erschienenen ARD-Doku „maffay“ beispielsweise sprechen Sie unverblümt über Ihr Alkoholproblem in den 1980ern, als es mit dem Rock ’n’ Roll dann doch ein bisschen zu wild wurde.
Das war damals eine komische Zeit, in der wir als Band ganz langsam reingerutscht sind in dieses Thema. Wenn wir zu Beginn unserer Karriere unterwegs waren, traf man sich für gewöhnlich nach den Auftritten, hing in irgendwelchen Bars rum, und natürlich war da immer auch Alkohol im Spiel. So hat sich das dann mit der Zeit entwickelt, und irgendwann waren wir mittendrin in diesem Wahnsinn. Ich habe damals, Gott sei dank, nie andere Drogen angefasst, dafür aber eben extrem viel getrunken und 60 bis 70 Zigaretten am Tag geraucht, was auch nicht viel besser war.
„Musik zu machen, ist für mich essenziell, um auszudrücken, was mich beschäftigt, was um mich herum passiert.“
Peter Maffay
Geholfen hat Ihnen dann schließlich eine Fehldiagnose Ihres Arztes.
Richtig, die hat mich rückblickend vermutlich gerettet, weil ich sonst wahrscheinlich nicht aufgehört hätte, zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt. Bei mir wurde damals fälschlicherweise Lungenkrebs diagnostiziert, woraufhin mir das Herz erst mal in die Hose gerutscht ist, weil ich den Löffel so schnell eigentlich noch nicht abgeben wollte. Also habe ich mir geschworen: Wenn dieser Kelch an mir vorübergeht – und das ist er zum Glück ja auch –, höre ich mit dem ganzen Blödsinn auf.
Gelüftet wird in besagter Doku zudem auch ein lange gehütetes Geheimnis über Ihren Song „Du“, der Ihnen 1970 zum Durchbruch verholfen hat, tatsächlich aber gar nicht komplett von Ihnen gesungen wurde.
Das ist eigentlich eine ganz lustige Episode: Es gibt in der Mitte des Lieds ja die bekannte gesprochene Passage, allerdings war mein Akzent, also meine Herkunft aus Transsilvanien damals sprachlich noch sehr deutlich hörbar, weshalb mein Produzent, Michael Kunze, meinte: „Das können wir so nicht machen, lass mich den Text einsprechen, und du singst danach einfach weiter.“ Und genau das haben wir dann auch getan – ohne dass es jemandem aufgefallen wäre.
In dieser Anekdote lässt sich zugleich aber doch auch bereits eine gewisse Anpassungsfähigkeit erkennen, die Sie als Künstler ja eigentlich von Beginn an ausgemacht hat: Sie haben mit Schlager angefangen, sind dann weiter zum Rock und haben kurz darauf, 1983, mit „Tabaluga“ ein Märchen umgesetzt, bei dem mancher vielleicht erst mal gedacht hat: „Echt jetzt? Auch das noch?“ Doch Sie hatten offenbar keine Scheu – und waren mit dem Projekt am Ende extrem erfolgreich.
Was mich daran eigentlich von Beginn an gereizt hat, war die Herausforderung, einen Erzählstoff musikalisch zu begleiten und dadurch dessen Emotionalität zu steigern. Das hat mich einfach neugierig gemacht, und auch die Musiker in meiner Band waren sofort begeistert von dieser Idee, wobei sich genau darin schließlich auch unser bis heute gültiges Credo zeigt, trotz aller Routine immer wieder Neues zu wagen.

Man sollte nie damit aufhören, sich selbst herauszufordern und auf den Prüfstein zu stellen. Ich sitze zurzeit beispielsweise wieder viel im Studio, probiere was aus und interessiere mich dabei wirklich kein Stück für Konventionen, null. Innerhalb der Grenzen meines musikalischen Fingerabdrucks experimentiere ich einfach liebend gern. Und selbst, wenn das Ergebnis für die Hörer erst mal kontrovers klingen mag, würde mich das niemals von dieser Einstellung abbringen.
Dann dürfen wir also bald auch wieder ein neues Album von Ihnen erwarten?
Musik zu machen, ist für mich zunächst mal essenziell, um auszudrücken, was mich beschäftigt, was um mich herum passiert. Und den Entstehungsprozess müssen Sie sich wie bei einem Koch vorstellen, der ja auch nicht einfach nur das Essen zubereitet, sondern zwischendurch immer mal wieder probiert, ob das, was er da gerade kocht, überhaupt schmeckt. Genau so funktioniert das auch mit meiner Musik. Aber ob daraus dann am Ende auch ein Album wird, hängt von der Qualität der Ergebnisse ab, das wird sich zeigen.
Nun haben Sie im vergangenen Jahr Ihren Abschied vom Tourleben bekannt gegeben. Was hat Sie zu dieser Entscheidung veranlasst?
Meine Tochter Anouk, die mittlerweile sechs Jahre alt ist und im Sommer in die Schule kommt. Diesen Umstand könnte ich natürlich ignorieren, weiter auf Tour gehen mit all den umfangreichen Vorbereitungen, würde dann aber eben auch nicht mehr viel mitbekommen von ihrer Entwicklung. Mein Ziel ist jedoch genau das Gegenteil: Ich will in Zukunft möglichst viel Zeit mit ihr und meiner Familie verbringen.
„Ich glaube, am Anfang war es vor allem die Einsicht, dass man selbst sehr viel Glück hatte im Leben und deswegen etwas zurückgeben sollte.“
Peter Maffay über den Antrieb für sein langjähriges gesellschaftliches Engagement
Ganz aufhören können und wollen Sie aber dennoch nicht. Was reizt Sie noch an der Musik?
Na ja, wenn man 50 Jahre gegessen hat, kommt ja auch niemand auf die Idee und fragt: „Warum isst du auch im 51. Jahr noch?“ Die Musik gehört einfach zu meinem Leben dazu. Ich habe nie etwas Gütigeres gefunden, nie etwas, das vergleichbar viele Optionen bietet, um sich zu Themen zu positionieren, mit Menschen zusammenzukommen oder zum gesellschaftlichen Miteinander beizutragen. Für mich ist Musik unverzichtbar, deswegen werde ich künftig zwar kürzertreten, aber vermutlich trotzdem so lange spielen, wie mein Körper es mitmacht.
Wobei Musik ja nie alles war, Sie sich seit vielen Jahren auch in großem Umfang gesellschaftlich engagieren. Woher rührt diese bemerkenswerte Bereitschaft, andere zu unterstützen?
Ich glaube, am Anfang war es vor allem das schlechte Gewissen, die Einsicht, dass man selbst sehr viel Glück hatte im Leben und deswegen etwas zurückgeben sollte. Daraus haben sich dann nach und nach die ersten Gehversuche in diesem Bereich entwickelt, die Teilnahme am Projekt „Band für Afrika“ etwa, vor allem aber auch Begegnungen wie die mit Jürgen Haerlin, der in meinem Wohnort Tutzing damals schon eine Einrichtung für traumatisierte Kinder geleitet hat und meinte: „Werdet zu Hausmeistern, gründet selbst eine Einrichtung, nehmt die Musik als Drehscheibe, um Synergien zu erzeugen zugunsten der Kinder.“ Das haben wir schließlich auch beherzigt und in der Folge nicht mehr nur gießkannenmäßig etwas getan, um unser Gewissen zu beruhigen, sondern das Ganze systematisch betrieben, vor allem durch die Peter Maffay Stiftung, die es inzwischen bereits seit 25 Jahren gibt.

Ein Konzertsommer von Maffay bis Mittelalterrock
Peter Maffay, In Extremo oder doch lieber die Simple Minds? Die Auswahl beim Loreley-Konzertsommer ist auch in diesem Jahr wieder breit, die Stardichte hoch. Welche Künstler und Bands auf der Freilichtbühne auftreten.
Dann lassen Sie uns doch zum Abschluss noch einmal zurückkehren zur Loreley: Was erwartet die Besucher denn bei Ihren Konzerten dort im Juni?
Wir sprachen ja bereits darüber, dass man sich selbst auch immer mal wieder auf den Prüfstein stellen sollte, daher werden wir auf der Loreley nicht einfach nur das wiederholen, was wir bei der Abschiedstournee 2024 bereits gemacht haben, sondern ein Programm bieten mit vielen Songs, die wir schon lange nicht mehr gespielt haben – oder sogar noch nie. Daneben wird aber natürlich auch diesmal wieder eine Auswahl der großen Hits zu hören sein. Darauf hat das Publikum, denke ich, einfach einen Anspruch, und wenn wir zum Beispiel „ Über sieben Brücken musst du gehn “ nicht spielen würden, gäbe es vermutlich auch Haue – mal ganz abgesehen davon, dass in Anbetracht der Erosionen in unserer Gesellschaft natürlich gerade dieser Song auch heute noch topaktuell ist.
Das zweite von Peter Maffays „Loveplaces“-Konzerten auf der Loreley (21. Juni) ist bereits ausverkauft, für das erste am Freitag, 20. Juni, um 20 Uhr gibt es noch Karten unter www.eventim.de