Es war Claudia Roth, die das Dilemma der Branche Mitte Dezember in besorgniserregende Zahlen kleidete: In den Kinos, so die Kulturstaatsministerin, lägen die bundesweiten Ticketverkäufe – verglichen mit der Zeit vor der Pandemie – nur noch bei 40 Prozent. Bei Theatern und Konzerten seien es etwa 65 Prozent. Was an dieser Stelle deutlich wird: Obwohl Veranstaltungen in diesem Jahr wieder ohne Auflagen möglich waren, zeigt sich das Publikum nach wie vor überaus zurückhaltend.
Zwar liegen vergleichbare Besucherstatistiken für Koblenz nicht vor, klar ist jedoch, dass die hiesigen Betreiber mit ganz ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Denn: Wann immer man in den vergangenen Monaten mit ihnen ins Gespräch kam, waren die Klagen stets dieselben. Ob Konzerte, Festivals oder Theaterproduktionen – ausverkauft war wenig, ganz gleich, wie engagiert diese Formate beworben wurden oder wie groß die Namen waren, die auf der Bühne standen.
Auf Spurensuche
Was einen auf direktem Weg zur Ursachenforschung führt, die sich – das sei vorweggenommen – alles andere als einfach gestaltet. Welche der potenziellen Gründe letztlich in welchem Maß zur angespannten Lage auf dem Kulturmarkt beigetragen hat, ist heute kaum zu eruieren. Unbestritten scheint jedoch, dass es ein Zusammenspiel unterschiedlichster Faktoren war – wobei sich ganz oben auf der Liste zweifellos die Tatsache findet, dass die Pandemie noch nicht ausgestanden ist – trotz aller frommen Wünsche.
Was sich schließlich auch in der Zurückhaltung des Publikums spiegelt: Geht es um Menschenansammlungen, scheinen gerade ältere Bevölkerungsschichten immer noch Vorsicht walten zu lassen; von Veranstalterseite hört man zudem immer wieder, dass Karten – vermutlich aus Angst vor etwaigen Corona-bedingten Absagen – kaum noch mit Vorlauf gekauft werden, stattdessen immer öfter spontan – oder eben gar nicht.
Zwischen Inflation und Gemütlichkeit
(Nicht-)Kaufentscheidungen, die natürlich auch begünstigt werden durch die aktuelle wirtschaftliche Lage: Zur Corona- gesellten sich in fließendem Übergang die Ukraine- und mit ihr die Energiekrise. Auf der einen Seite stiegen in deren Folge auch die Kosten für Veranstalter – die diese zwangsläufig an die Verbraucher weitergeben mussten –, auf der anderen sitzt das Geld auch bei Letztgenannten nicht mehr so locker wie noch vor der Pandemie. Wenngleich sich manch einer – auch das sollte nicht vergessen werden – infolge der Corona-Krise ohnehin längst daran gewöhnt haben dürfte, Kultur nur noch digital in den eigenen vier Wänden zu konsumieren. Auswüchse der Gemütlichkeit, die – Stichwort: Streaming – vor allem Kinos zu spüren bekommen.
Womit am Ende noch eine gewisse Torschlusspanik unter den Veranstaltern bleibt, die ebenfalls beigetragen hat zur misslichen Lage. In den zurückliegenden Monaten wurde man das Gefühl nicht los, jeder versucht – verständlicherweise –, möglichst viel von dem nachzuholen, was er während der Corona-Restriktionen zurückhalten musste. Die Folge: An manchen Tagen drängten sich die Angebote, die sich letztlich natürlich auch das knapp gewordene Publikum streitig machten.
Der Konsument als Richtungsgeber
Und doch gibt es nach wie vor Hoffnung – etwa in Form der Tatsache, dass Bund und Länder zahlreiche Corona-Hilfsprogramme bis 2023 oder darüber hinaus verlängert haben. In Koblenz wurden 2022 zudem Bestrebungen der Kultur- und Kreativwirtschaft erkennbar, künftig enger zusammenzuarbeiten und die Branche auf diese Weise zu stärken. Das Zünglein an der Waage aber bleiben bei allen Bemühungen der Konsument – und vor allem die Politik: Nur wenn sie bereit sind, Geld auszugeben, wenn ihnen die Kultur etwas wert ist, wird das Angebot in seiner jetzigen Vielfalt auch in Zukunft zu erhalten sein. Andernfalls dürfte zeitnah der Ausruf kursieren: „Die Kultur ist tot, einst lebte die Kultur.“