Die kritische Auseinandersetzung mit Wirtschaftsmodellen gehört an der HfGG ebenso zu den Kernkompetenzen wie die sozialwissenschaftlich fundierte Analyse der Gesellschaft. Womit zwei Parallelen zur Kunst auch gleich gezogen wären. Im kreativen Bereich nämlich, erklärt Sebastian Jacobs, bei der HfGG für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, beschäftige man sich ebenfalls oft und kritisch mit dem menschlichen Zusammenleben. „Weshalb wir die Idee hatten, die künstlerischen Zugänge einfach mit den Themen der Hochschule zu verbinden.“
Das Problem mit dem Kupfer
Herausgekommen sind dabei schließlich mehrere Teilausstellungen, die um die genannten Schwerpunkte kreisen, diese aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Aus wissenschaftlich-politischer Sicht etwa in der Wanderausstellung der Kampagne „Bergbau Peru“, die auf mehreren großen Stellwänden über die Gold- und Kupfergewinnung in dem lateinamerikanischen Land informiert, vor allem aber auf die daraus resultierenden Umweltprobleme eingeht, auf soziale Missstände. Achim Trautmann vom BUND, der die Präsentation im Koblenzer Dreikönigenhaus organisiert, erklärt: „Gerade Kupfer begegnet uns im Alltag ständig, in E-Autos, Windrädern, Leitungen, aber kaum jemand weiß, wo unsere Rohstoffe herkommen.“
Die Schau beantwortet nun ebendiese Frage, zeigt, dass vieles von dem, was die westliche Welt zur Energie- und Mobilitätswende benötigt, unter fragwürdigsten Bedingungen im Globalen Süden gewonnen wird, dass Unternehmen die indigene Bevölkerung Perus für neue Bergwerke vertreiben, beim Auswaschen von Gold oftmals Quecksilber in die Flüsse gelangt, dadurch nicht nur der Mensch, sondern auch die bemerkenswerte Artenvielfalt in dem Land bedroht wird. Die Erkenntnis, dass unsere Energie am Ende gar nicht so grün ist, wie sie scheint, reift hier schon nach den ersten Tafeln, und das Gefühl wird umso bedrückender, wenn man bedenkt, dass sich der weltweite Bedarf an Kupfer bis 2030 auf 50 Millionen Tonnen verdoppeln soll.
Ein bisschen Aufhellung fürs Gemüt wäre hiernach durchaus willkommen. Und wird in Hanna Pauels' grellfarbig komponierten Arbeiten auch geboten. Könnte man jedenfalls meinen. Auf den zweiten Blick allerdings offenbaren sich auf den wimmelbildgleichen Darstellungen allerlei dystopische Details: Vor dem ikonischen Riesenrad in Prypjat haben sich – inmitten der Trümmer menschlichen Lebens – streunende Hunde versammelt, denen infolge der Atomkatastrophe im benachbarten Tschernobyl teils Flügel aus dem Rücken ragen.
Auf einem anderen Bild stehen mutierte Fantasiewesen – halb Schwein, halb Echse – in Sichtweite zu zwei leblosen Körpern, um die herum die Natur in roséverstrahltem Licht aufs Neue wuchert. Gleich nebenan hat die Ahrflut Autos zwischen Bäumen und Häusern getürmt. Eine Miniaturlandschaft, in die von außen, scheinbar modellierend, eine Frauenhand greift. Der Mensch als Strippenzieher – und Wegbereiter verheerender Naturkatastrophen.
Mit den Ängsten allein
Von Tragödien hat sich derweil auch Anne-Ly Redlich inspirieren lassen. Sie zeigt in der Ausstellung einen Comic, der um die Frage kreist, welchen Einfluss die zahlreichen Krisen der 2020er-Jahre auf unsere Gefühlswelt im Allgemeinen und zwischenmenschliche Beziehungen im Speziellen haben.
„Ich wollte mit dem Comic vor allem meine eigenen Erfahrungen verarbeiten“, erklärt Redlich, die neben ihrem Studium an der HfGG als Illustratorin arbeitet. Allerdings sei das Werk nach der Veröffentlichung auch bei vielen anderen Menschen auf Resonanz gestoßen, vor allem bei jüngeren, etwa in der Klimabewegung. „Viele fühlen sich mit ihren Gefühlen und Ängsten heute allein“, sagt die Künstlerin, „deswegen glaube ich, dass emotionale Bildung unheimlich wichtig ist, auch, um mit den besagten Krisen umzugehen.“
Der Comic soll eben hierzu beitragen, Gesprächsgrundlagen anbieten, wobei Redlich in der Schau auch noch mit einem weiteren Werkzyklus vertreten ist, einem grafischen Essay über Kreativität, die „nichts ist, was man allein auslebt“, wie die Künstlerin findet. Vielmehr kämen „alle unsere Ideen aus Gemeinschaftserfahrungen“, die die Ausstellungsbesucher übrigens auch gleich selbst nachvollziehen können an einem aufgestellten Esstisch – für Redlich der perfekte Ort, um gemeinsam nachzudenken, sich auszutauschen, Kollektivität zu schaffen.
Bliebe zum Abschluss noch Daniel Wistuba, der zur Ausstellung ebenfalls eine höchst spannende Position beisteuert. Der in Koblenz lebende Künstler hat eine 20-teilige Bildserie entworfen – Finelinerzeichnungen, die großformatig ausgedruckt und coloriert wurden –, in der der Bobbitwurm unter seinem kroatischen Namen Morski Crv sein Unwesen treibt. Das gefräßige Tier, in freier Wildbahn üblicherweise in den Meeresgrund eingegraben, verputzt auf den Kunstwerken allerlei fantastische Geschöpfe, adaptiert in der Folge deren Eigenschaften, verändert Form und Farbe, wächst und gedeiht – bis sein unstillbarer Appetit schließlich ein unschönes Ende findet.
Kritik an menschlicher Gier?
Die Idee dahinter lässt Wistuba zwar bewusst offen, Interpretationsansätze liefert das mutierte Wesen zuhauf. Doch: In Anbetracht des Ausstellungskanons wäre eine mögliche Deutung sicher jene, dass die grenzenlose Gier, das gewissenlose Streben nach Mehr in den seltensten Fällen Wünschenswertes zutage fördert. Eine Conclusio, die letztlich auch das Gesehene zum Bergbau in Peru noch einmal ins Bewusstsein drängt. Denn wie schon dort ließe sich das menschliche Handeln auch hier bei Morski Crv vortrefflich hinterfragen, darf man etwa nachdenken über unseren Umgang mit der Natur.
Die Ausstellung wird am Samstag, 7. September, um 19 Uhr im Dreikönigenhaus, Kornpfortstraße 15, in Koblenz eröffnet. Um 21 Uhr ist eine Gesprächsrunde mit den beteiligten Künstlern geplant. Zu sehen sind die Arbeiten in der Folge bis zum 14. September jeweils von 9 bis 16 Uhr; die Tafeln zum Thema Bergbau in Peru bleiben bis zum 21. September in der HfGG.