Filmfestivals sind mehr als nur eine Möglichkeit, sich von flackernden Bildern berieseln zu lassen. Die Großen in Berlin oder Cannes protzen gern mit rotem Samt samt Starbesetzung, die kleineren wie das Lichter-Filmfest in Frankfurt oder GoEast in Wiesbaden gern mit umso liebevoller kuratierten Programmen und der Chance, neben Leinwandneuheiten auch Filmemacher und andere Cineasten kennenzulernen.
Das größtenteils studentisch organisierte, aber im 20. Jahr ungemein professionell daherkommende Filmz-Festival in Mainz ist da ein besonders gutes Beispiel: In Torkeldistanz zu den beliebtesten Mainzer Kneipen wie der Zeitungsente werden vor allem in den Programmkinos Capitol und Palatin sorgfältig ausgewählte aktuelle deutsche Filme gezeigt, die anschließend bei der einen oder anderen Weinschorle besprochen werden wollen.
„Lieber Thomas“ mit Albrecht Schuch macht den Anfang
Von Donnerstag, 4. November, bis zum 13. November läuft das Festival mit beachtlichen Spielfilmen, Dokumentationen, Kurzfilmen und mittellangen Filmen. Doch auch wenn die jungen Macher mit Vorfreude nach langer Corona-Ungewissheit auf die Eröffnung mit dem Film „Lieber Thomas“ im Kleinen Haus des Staatstheaters hinarbeiten – beim Blick in die Zukunft wird es manchem bange.
Grund dafür ist allerdings nicht die Qualität des deutschen Kinos, das – wie hier zu sehen – deutlich besser sein kann als sein Til-Schweiger-Ruf. Vielmehr plagen Sorgen um die Zukunft des Spielorts Palatin die Festivalmacher und Filmfreunde in ganz Rheinland-Pfalz. Nachdem das Gebäude in der Hinteren Bleiche den Besitzer gewechselt hat und nun dem Mainzer Bauträger Fischer & Co. gehört, fürchten die Kinoliebhaber, dass der Kulturort demnächst zugunsten lukrativerer Mieter plattgemacht werden könnte.
Palatin und Capitol in Mainz sind essentiell für Filmz
Das Problem: Da Palatin und Capitol zusammengehören und aus dispositorischen und wirtschaftlichen Gründen das Ein-Saal-Haus Capitol ohne seine Schwester Palatin nicht überleben könnte, wie die Betreiber sagen, stünde Mainz schlimmstenfalls ganz ohne Programmkino da – übrig blieben Franchise-Ketten und das kommunale Kino Cinémayence mit gerade einmal 85 Plätzen. Für eine kulturell tickende Landeshauptstadt und einen universitären Filmwissenschaftsstandort ein Horror. Mehr noch: Ob der rar gesäten Programmkinos im Flächenland wäre ein Aus von Capitol und Palatin für die gesamte rheinland-pfälzische Filmkultur ein Graus.
Und im Fall des Falles auch das Ende für Filmz, fürchtet dessen Co-Leiterin Leoni Buchner: „Für uns sind das Capitol und das Palatin enorm wichtig. Filmz kann es nicht geben ohne diese Kinos.“ Deshalb gehört Buchner auch zu den Unterzeichnern eines offenen Briefes „zum Erhalt der Kinokultur in Mainz“, wie auch die Regisseure Volker Schlöndorff aus Wiesbaden, Edgar Reitz aus dem Hunsrück und weit mehr als 100 andere Menschen. Das Ziel ist klar formuliert: „Wir fordern Fischer & Co. und dessen Geschäftsführer Frank Röhr dazu auf, dem Palatin-Kino eine planbare Zukunft in Aussicht zu stellen.“ Wer sich in Mainz umhört, erfährt: Das Ding hat eingeschlagen, ein Stadtgespräch erster Güte.
Die Zukunft der Kinos in Mainz ist Stadtgespräch
Das hat auch eben jener Frank Röhr von Fischer & Co. festgestellt. Am Telefon sagt er gegenüber unserer Zeitung: „Da ist so viel Öl ins Feuer gegossen worden.“ Sein Unternehmen stehe nun als böser Bube da, dabei habe man bis zum 1. November noch nicht mal die Schlüssel zum Gebäude gehabt und somit auch noch nichts mitzuteilen. Nachdem man dem Palatin ein erstes Angebot gemacht habe und dies abgelehnt worden sei, liege nun ein neuer Vertragsentwurf auf dem Tisch – für ein unbefristetes Mietverhältnis mit gesetzlicher Kündigungsfrist. „Wenn es um die Zukunft des Kinos geht, dürfte es eigentlich keine Bedenken geben“, findet Röhr deshalb.
Jochen Seehuber, gemeinsam mit Eduard Zeiler seit zwölf Jahren Betreiber der Filmtheater Capitol und Palatin, sieht das beim Anruf unserer Zeitung allerdings nicht ganz so rosarot. „Zu sagen, alles ist cool, wäre natürlich Quatsch“, sagt Seehuber. Immerhin spricht Seehuber von einer „gemeinsamen Lösungssuche“ – in den Gesprächen mit Fischer & Co. sei nach „dem ganzen Aufruhr“ durch den offenen Brief und eine begleitende Petition nun „ein anderer Ton da“, was er dem Unternehmen anrechne. Auch sei Fischer & Co. auf Vorschläge der Kinobetreiber eingegangen, die den neuen Vertragsentwurf zurzeit prüfen lassen. „Doch das ist alles andere als ein Sicherheit gewährender Vertrag“, schränkt Seehuber ein.
Die Zukunftsangst vieler Kinoliebhaber vor dem 20. Filmz-Festival stützt sich indes auch auf die jüngere Mainzer Stadtgeschichte. 2017 musste das Residenz- und Prinzess-Programmkino nach 60 Jahren einem Bauprojekt weichen. Bauherr damals: Fischer & Co.