Markige Sprüche, öffentlicher Nikotinkonsum, zur Schau gestellte Trainingsunlust: Als hochbegabter Freigeist mit Ecken und Kanten genießt Mario Basler heute nicht nur unter Fußballfans Kultstatus. Mit „Das Leben nach den besten Jahren“ allerdings tritt der gebürtige Kaiserslauterer nun auch zum wiederholten Mal als Autor in Erscheinung. In dem Buch erklären Basler und sein ehemaliger Bayern-Kollege Markus Babbel, wie ihnen der Umstieg von der aktiven Karriere auf die Zeit danach gelungen ist – und was auch Nichtfußballer hiervon lernen können. Wir haben uns mit dem 56-Jährigen unterhalten:
Herr Basler, Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Sie sich vieles von dem, was Sie nach Ihrer Karriere gemacht haben, zu Ihren Zeiten als Profi nie hätten vorstellen können. Dazu zählt vermutlich auch die Tatsache, dass Sie sich nun bereits zum dritten Mal als Autor verwirklichen.
Das stimmt schon, aber als die Anfrage zum aktuellen Buch kam, konnten wir uns das eigentlich gleich sehr gut vorstellen. Weil es eben ein Thema ist, das nicht nur Fußballer betrifft, sondern jeden Menschen, der irgendwann aus seinem Beruf ausscheidet, vielleicht noch gar nicht so recht vorbereitet ist auf das, was danach kommt, nicht genau weiß, was er jetzt machen soll. Markus und mir ging es damals nicht anders, aber, ich glaube, wir haben den Übergang ins Leben nach unserer aktiven Karriere ganz gut gemeistert. Und die Erfahrungen damit wollen wir in unserem Buch nun gern weitergeben.
Zu Ihren besten Zeiten als Fußballer gehörten auch – und, wie Sie sagen, vor allem – die Niederlagen. Der EM-Titel 1996 beispielsweise habe Sie persönlich weitergebracht, obwohl Sie das Turnier verletzungsbedingt absagen mussten. Inwiefern?
Niederlagen gehören zum Sport – und natürlich auch zum Leben – einfach dazu. Und man kann aus ihnen unheimlich viel lernen. Natürlich war das für mich damals eine schwierige Zeit, auch weil man nie weiß, ob man die Chance auf einen solchen Titel noch ein zweites Mal erhält – bei mir war das letztendlich nicht der Fall, da Nationaltrainer Berti Vogts bei der WM 1998 auf andere Spieler gesetzt hat. Trotzdem habe ich damals versucht, das Beste aus der Situation zu machen, war motiviert, mich wieder ranzukämpfen, was einen schließlich auch charakterlich prägt. Und es macht einen ein Stück weit demütig, weil man sieht, dass sich solche Dinge eben nicht planen lassen und man nie weiß, was die Zukunft bringt.

Thematisiert wird im Buch natürlich auch die „Mutter aller Niederlagen“, das späte 1:2 im Champions-League-Finale 1999 gegen Manchester United. Inmitten der kollektiven Fassungslosigkeit und Enttäuschung haben Sie sich damals in die Kabine gesetzt, eine geraucht, und waren eigentlich gar nicht frustriert. Warum?
Weil es am Ende nur ein Fußballspiel war, das man zwar gern gewinnen will – es geht immerhin um den wichtigsten Titel auf Vereinsebene –, aber es gibt auch weitaus Schlimmeres als so eine Niederlage. Nach dem Schlusspfiff habe ich mich daher ziemlich schnell damit abgefunden, auch weil es in meinen Augen wenig Sinn ergibt, sich noch wochenlang damit zu beschäftigen, was hätte sein können. Ob du besser warst – und das waren wir in diesem Fall – interessiert anschließend niemanden mehr. Der Titel ist weg, daran lässt sich nichts mehr ändern, also sollte man es einfach akzeptieren. Und zudem auch nicht vergessen, dass dieses Finale trotz allem ein ganz besonderes Erlebnis war und es zahlreiche andere Mannschaften in dem Wettbewerb gab, die früher ausgeschieden sind als wir und gern dort gespielt hätten.
Diese Einstellung hat sich später dann ja offenbar auch auf Ihre Teamkollegen übertragen: Im Hotel soll es nachts zu einer ausgelassenen Party gekommen sein – samt Tanzeinlage von Ihnen und Lothar Matthäus auf den Tischen.
Wir hatten wie üblich bei solchen Champions-League-Spielen auch nach dem Finale eine Gala, bei der ich mich dann dafür eingesetzt habe, dass wir feiern, weil wir uns das nach einer langen, anstrengenden Saison trotz der Niederlage einfach verdient hatten. Man kann eben nicht immer nur bei schönem Wetter vor die Tür gehen, sondern sollte das auch tun, wenn es mal regnet oder schneit. Und genau das haben wir an diesem Abend schließlich getan. Manche Spieler sind zwar auf ihr Zimmer und haben die Niederlage anders verarbeitet, aber der Großteil der Mannschaft – darunter auch Markus Babbel und ich – hat es in dieser Nacht mit dem Vorstand ordentlich krachen lassen. Gegen 4 Uhr kamen dann sogar noch die Fans von Manchester United dazu – deren Team war im selben Hotel untergebracht, aber offenbar nicht so gut aufgelegt wie wir. Insofern würde ich mal behaupten, dass wir das Duell zumindest in Sachen Party klar gewonnen haben.
Was ich spannend finde, ist, dass Sie als einen der Werte für die Zeit nach den besten Jahren auch die Fähigkeit nennen, sich zurückzunehmen und unterzuordnen: Die hätten Ihnen viele vermutlich erst mal gar nicht zugetraut. Bei Bayern allerdings haben Sie genau diese Eigenschaften offenbar gelernt. Weil Ihnen Giovanni Trapattoni keine andere Wahl gelassen hat?
Er war schon jemand, der mich auch mal auf die Ersatzbank gesetzt und mir beigebracht hat, das im Sinne der Mannschaft zu akzeptieren. Wobei einem genau diese Eigenschaft natürlich auch nach der Karriere hilft: Wenn du nach vielen Jahren in der Öffentlichkeit – oder auch im normalen Berufsleben – plötzlich nicht mehr so gefragt bist, musst du erst mal lernen, damit umzugehen. Und das funktioniert deutlich besser, wenn du dich selbst nicht zu wichtig nimmst.
„Es ist generell einfach wichtig, im Ruhestand keine Langeweile aufkommen zu lassen und sich vor allem frühzeitig damit auseinanderzusetzen, was danach kommt.“
Mario Basler
Wann haben Sie selbst denn gemerkt, dass sich Ihre besten Jahre im Fußball dem Ende zuneigen?
Als ich nach meiner Rückkehr von Bayern München wieder für den 1. FC Kaiserslautern gespielt habe. Irgendwann tut es nach dem Training einfach ein bisschen mehr weh, du wirst nicht mehr so oft eingesetzt, weil der Trainer andere Pläne mit jüngeren Spielern verfolgt. Daher habe ich bereits mit 32 für mich entschieden: Du machst jetzt noch ein Jahr, und danach ist Schluss. Vielleicht hätte ich auch noch länger spielen können, aber dafür hätte ich mich dann auch noch mal durch eine Saisonvorbereitung kämpfen und mit den ganzen jungen Spielern rumschlagen müssen. Und genau darauf hatte ich keine Lust mehr.
Nach der Karriere steht dann – für Sportler vielleicht noch mehr als für andere – die Frage im Mittelpunkt: Wie soll es nun weitergehen? Wie haben Sie diese Zeit damals erlebt?
Wenn man als Fußballprofi jeden dritten Tag ein Spiel hatte und ständig unterwegs war, ist es natürlich erst mal schön, aus dieser Dauerschleife rauszukommen, aber man muss auch aufpassen, dass einem nicht die Decke auf den Kopf fällt, weil man es eben nicht gewohnt ist, ständig zu Hause zu sein. Daher habe ich mich damals recht schnell dafür entschieden, als TV-Experte bei Sport1 anzufangen – dadurch konnte ich weiterhin nah am Fußball bleiben, musste hierfür aber nicht mehr so viel investieren wie früher. Ich denke, es ist generell einfach wichtig, im Ruhestand keine Langeweile aufkommen zu lassen und sich vor allem frühzeitig damit auseinanderzusetzen, was danach kommt. Es geht darum, Abstand von dem zu gewinnen, was war, offen zu sein für Neues, die gesammelten Erfahrungen aus der Vergangenheit zwar mitzunehmen, aber nicht in der Vergangenheit zu leben. Such dir eine neue Beschäftigung. Denn wenn du nur noch zu Hause sitzt und keine Hobbys mehr hast, wirst du alt.

Neben dem Fernsehen waren Sie nach einem abschließenden Engagement als Spieler in Katar zunächst auch als Trainer unterwegs, unter anderem an der Seite von Uwe Rapolder bei der TuS Koblenz. Diesen Karriereweg fortzuführen, war für Sie keine Option?
Nein, weil meine Engagements ja auch nicht wirklich von Erfolg gekrönt waren. Es gab zwar immer mal wieder Angebote, aber stets von unterklassigen Vereinen, die kein Geld hatten und/oder im Abstiegskampf steckten, zudem musste ich dort auch feststellen, dass sich der Trainerjob auf dieser Leistungsebene finanziell nicht unbedingt auszahlt.
Wobei Sie am Ende ja ohnehin – und unabhängig vom konkreten Werdegang – ein sehr ermutigendes Fazit ziehen, indem Sie sagen: Wenn man es richtig angeht, kommen nach den besten Jahren die noch besseren.
Davon bin ich überzeugt, weil du als Fußballer nach deiner aktiven Karriere den Großteil deines Lebens noch vor dir hast. Und auch in anderen Berufen bleibt dir im Ruhestand viel Zeit, die du sinnvoll nutzen solltest. Am Ende sind das doch die wirklich schönen Jahre: Du kannst das machen, worauf du Lust hast, was dich interessiert, hast keine Verpflichtungen mehr. Natürlich war es schön, Fußballprofi zu sein, immer im Mittelpunkt zu stehen, aber der wichtigere Lebensabschnitt war für mich rückblickend der nach meiner Spielerkarriere.
Mario Basler, Markus Babbel: „Das Leben nach den besten Jahren”, edition a, 208 Seiten, 25 Euro