Mayener Burgfestspiele
Enthemmter Spaß mit „Ladies Night“ 
Was "Germany's Next Topmodels" können, können die fünf Männer der "Top Dogs" schon lange in der Mayener Neuproduktion der Komödie "Ladies Night": Probenszene mit Philippe Ledun (von links), Georg Lorenz, Christian Miedreich, Jakob Maria Fecht und Jakob Wirnsperger.
Rico Rossival

Wenn das Publikum schon in der öffentlichen Generalprobe vor Begeisterung kreischt, ist eines wohl klar: Mit der Neuproduktion der Komödie über eine unwahrscheinliche Stripper-Truppe aus lauter Normalos haben die Burgfestspiele einen Nerv getroffen. 

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Mit dem Strippen soll der Erfolg kommen: Eine Gruppe unterschiedlicher Männer trifft in der Komödie „Ladies Night“ der neuseeländischen Autoren Stephen Sinclair und Anthony McCarten eine ungewöhnliche Entscheidung. Inspiriert vom Erfolg tourender Stripper-Gruppen nach Art der Chippendales, beschließen die arbeitslosen Männer, eine eigene Truppe zu gründen und vor zahlendem, weiblichen Publikum sämtliche Hüllen fallen zu lassen. Bis zu ihrem ersten Auftritt, der das Stück beschließt, hält der Probenprozess neben viel Schenkelklopfern auch einiges an Selbsterkenntnis bereit.

„Ladies Night“ wurde in 16 Sprachen übersetzt, verfilmt – und sorgte international für ausverkaufte Theatervorstellungen, auch 2009 bei den Mayener Burgfestspielen. Ein starkes finanzielles Argument, es erneut auf den Spielplan zu setzen – wohl auch als eine Art Sicherheitsanker, wenn wie in diesem Jahr eine Uraufführung wie das Bienen-Musical „Süßes Gold“ auf dem Programm steht.

Wenn "Ladies Night" mit dem ersten Showauftritt der "Top Dogs" endet, ist im Publikum kein Halten mehr.
Rico Rossival
Im Zentrum des Geschehens: Wirtin Doris, die im Laufe der Handlung ungeahnte Talente offenbart. Verena Rendtorff ist im richtigen Leben Choreografin - und diese Aufgabe übernimmt sie sowohl für die Mayener "Ladies Night"-Produktion wie auch im Stück selbst, auch als Darstellerin überzeugt sie auf ganzer Linie.
Rico Rossival
So wird's gemacht: Als Letzer stößt der tanzerfahrene Dany (Jakob Wirnsperger) zur unwahrscheinlichen Stripper-Gruppe in der Mayener Neuinszenierung von "Ladies Night".
Rico Rossival
Eigentlich wollte er die Stripper-Gruppe nur managen: Denis (Christian Miedreich) hat mit seinen vielen Geschäftsideen nur Pech und kämpft noch dazu um das Sorgerecht für seinen Sohn.
Rico Rossival
XL Mayen Burgfestspiele "Ladies NIght"
Rico Rossival
Die Kneipe "Don Promillo" hat schon bessere Zeiten gesehen - und das gilt auch für ihre Stammgäste und ihre Wirtin Doris in "Ladies Night" bei den Mayner Burgfestspielen. Spoiler-Alarm: Ihr Leben wird sich binnen kurzer Zeit dramatisch ändern - zur großen Freude des Publikums.
Rico Rossival
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Und tatsächlich dürfte mit dem Strippen erneut der Erfolg kommen, wenn man das Publikum der öffentlichen Generalprobe als Gradmesser nimmt. Denn die Handlung punktet unverwüstlich mit ihren liebenswerten Normalos, die ungelenk ins Showbusiness streben. Und das gelingt auch, weil sich Regisseurin Bettina Rehm nicht nur auf die Show- und Humorwerte verlässt, sondern das Geschehen auch beherzt in die Gegenwart zieht.

Hier agieren einstmals auf dem Arbeitsmarkt gefragte Männer, die früher gutes Geld in der Autoindustrie verdienten, aber mangels guter Ausbildung den Anschluss verpasst haben. „Ich bin ein ehrlicher Autoschrauber“, lamentiert einer und beklagt, bei einem Vorstellungsgespräch gegenüber einer „Mechatronikerin mit Uni-Abschluss“ das Nachsehen gehabt zu haben. Diese Aktualisierung passt gut, bei der Motivation zum Blankziehen hingegen ist guter Wille gefragt. Zugegeben, die Chippendales ziehen schon lang nicht mehr auf deutschen Bühnen und TV-Bildschirmen blank und taugen deswegen als Referenz vielleicht nicht mehr so gut. Dass sich eine Truppe gefrusteter Arbeitsloser allerdings von „Germany’s Next Topmodel“ inspirieren lässt, „härter“ als Heidi Klum zu sein und sich dazu auf der Bühne auszuziehen – das ist schon ein bisschen ums Eck gedacht.

Nachdenken über das Männerbild

Sei’s drum: Das Nachdenken über die eigene Rolle als (Ehe-)Mann findet auch hier statt, der Selbstzweifel im Angesicht nackter Tatsachen der Mittänzer sowieso. All das ist in die angejahrte Kneipe „Don Promillo“ verpflanzt (Bühne: Nina Wronka, Kostüme: Lars Georg Vogel). Wenn Wirtin Doris (Verena Rendtorff) das Stück mit einem Monolog der Betrachtungen über all das eröffnet, was in der Welt Großes geschah, während sie Männern Bier ausschenkte, ist das ein sehr bedenkenswerter Beginn und eine wertvolle Ergänzung zum eher robusten Humor, der bei „Ladies Night“ immer dazugehört.

Das Ensemble zeichnet sehenswerte Figurenporträts: Christian Miedreich zerreibt sich als Denis zwischen reihenweise scheiternden Geschäftsideen und dem drohenden Verlust des Sorgerechts für seinen Sohn, Philippe Ledun spielt JT, einen Fan der „Der Pate“-Filme mit schwacher Impulskontrolle und starkem Kunstpfeifertalent, Georg Lorenz ist der gutmütige Harry, der seiner Frau seit Monaten seine Arbeitslosigkeit verschweigt. Zu ihnen stoßen Jakob Wirnsperger als tanzerfahrener Dany und Jakob Maria Fecht als Fliesenleger Finn, die beide von einer Bühnenlaufbahn träumen und dafür auch ein Stripper-Debüt in Kauf nehmen.

Die vielen Talente der Wirtin Doris

Im Zentrum aber steht die Wirtin Doris, die ungeahnte Talente offenbart und die Männer in Form bringt: Verena Rendtorff übernimmt im Stück wie auch in der Produktion die Choreografie und überzeugt als intensive Darstellerin. Wenn der Abend mit der großen Show schließt, ist im enthemmten Publikum kaum noch ein Halten – und „Ladies Night“ schlägt unter Gejohle und Applaus den Bogen von sozialkritischen Gedanken zur Fortsetzung eines Junggesellinnenabschieds mit anderen Mitteln.

Termine, Infos und Tickets online unter www.burgfestspiele-mayen.de