Mit dem Strippen soll der Erfolg kommen: Eine Gruppe unterschiedlicher Männer trifft in der Komödie „Ladies Night“ der neuseeländischen Autoren Stephen Sinclair und Anthony McCarten eine ungewöhnliche Entscheidung. Inspiriert vom Erfolg tourender Stripper-Gruppen nach Art der Chippendales, beschließen die arbeitslosen Männer, eine eigene Truppe zu gründen und vor zahlendem, weiblichen Publikum sämtliche Hüllen fallen zu lassen. Bis zu ihrem ersten Auftritt, der das Stück beschließt, hält der Probenprozess neben viel Schenkelklopfern auch einiges an Selbsterkenntnis bereit.
„Ladies Night“ wurde in 16 Sprachen übersetzt, verfilmt – und sorgte international für ausverkaufte Theatervorstellungen, auch 2009 bei den Mayener Burgfestspielen. Ein starkes finanzielles Argument, es erneut auf den Spielplan zu setzen – wohl auch als eine Art Sicherheitsanker, wenn wie in diesem Jahr eine Uraufführung wie das Bienen-Musical „Süßes Gold“ auf dem Programm steht.






Und tatsächlich dürfte mit dem Strippen erneut der Erfolg kommen, wenn man das Publikum der öffentlichen Generalprobe als Gradmesser nimmt. Denn die Handlung punktet unverwüstlich mit ihren liebenswerten Normalos, die ungelenk ins Showbusiness streben. Und das gelingt auch, weil sich Regisseurin Bettina Rehm nicht nur auf die Show- und Humorwerte verlässt, sondern das Geschehen auch beherzt in die Gegenwart zieht.
Hier agieren einstmals auf dem Arbeitsmarkt gefragte Männer, die früher gutes Geld in der Autoindustrie verdienten, aber mangels guter Ausbildung den Anschluss verpasst haben. „Ich bin ein ehrlicher Autoschrauber“, lamentiert einer und beklagt, bei einem Vorstellungsgespräch gegenüber einer „Mechatronikerin mit Uni-Abschluss“ das Nachsehen gehabt zu haben. Diese Aktualisierung passt gut, bei der Motivation zum Blankziehen hingegen ist guter Wille gefragt. Zugegeben, die Chippendales ziehen schon lang nicht mehr auf deutschen Bühnen und TV-Bildschirmen blank und taugen deswegen als Referenz vielleicht nicht mehr so gut. Dass sich eine Truppe gefrusteter Arbeitsloser allerdings von „Germany’s Next Topmodel“ inspirieren lässt, „härter“ als Heidi Klum zu sein und sich dazu auf der Bühne auszuziehen – das ist schon ein bisschen ums Eck gedacht.
Nachdenken über das Männerbild
Sei’s drum: Das Nachdenken über die eigene Rolle als (Ehe-)Mann findet auch hier statt, der Selbstzweifel im Angesicht nackter Tatsachen der Mittänzer sowieso. All das ist in die angejahrte Kneipe „Don Promillo“ verpflanzt (Bühne: Nina Wronka, Kostüme: Lars Georg Vogel). Wenn Wirtin Doris (Verena Rendtorff) das Stück mit einem Monolog der Betrachtungen über all das eröffnet, was in der Welt Großes geschah, während sie Männern Bier ausschenkte, ist das ein sehr bedenkenswerter Beginn und eine wertvolle Ergänzung zum eher robusten Humor, der bei „Ladies Night“ immer dazugehört.
Das Ensemble zeichnet sehenswerte Figurenporträts: Christian Miedreich zerreibt sich als Denis zwischen reihenweise scheiternden Geschäftsideen und dem drohenden Verlust des Sorgerechts für seinen Sohn, Philippe Ledun spielt JT, einen Fan der „Der Pate“-Filme mit schwacher Impulskontrolle und starkem Kunstpfeifertalent, Georg Lorenz ist der gutmütige Harry, der seiner Frau seit Monaten seine Arbeitslosigkeit verschweigt. Zu ihnen stoßen Jakob Wirnsperger als tanzerfahrener Dany und Jakob Maria Fecht als Fliesenleger Finn, die beide von einer Bühnenlaufbahn träumen und dafür auch ein Stripper-Debüt in Kauf nehmen.
Die vielen Talente der Wirtin Doris
Im Zentrum aber steht die Wirtin Doris, die ungeahnte Talente offenbart und die Männer in Form bringt: Verena Rendtorff übernimmt im Stück wie auch in der Produktion die Choreografie und überzeugt als intensive Darstellerin. Wenn der Abend mit der großen Show schließt, ist im enthemmten Publikum kaum noch ein Halten – und „Ladies Night“ schlägt unter Gejohle und Applaus den Bogen von sozialkritischen Gedanken zur Fortsetzung eines Junggesellinnenabschieds mit anderen Mitteln.
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