Mit der Ausstellung „Anna Oppermann. Eine Retroperspektive“ würdigt die Bundeskunsthalle ab Mittwoch das Werk der vor 30 Jahren gestorbenen Künstlerin. Gezeigt werden bis zum 1. April 18 ihrer insgesamt 61 „Ensembles“, die Oppermann stets als wachsende und offene Werke verstand. Hinzu kommen rund 150 Einzelarbeiten, die die Entwicklung der Konzeptkünstlerin dokumentieren. Mit ihrem Werk nehme Oppermann ab Ende der 1960er-Jahre eine singuläre Position in der deutschen Kunstszene ein, erklärt die Intendantin der Bundeskunsthalle, Eva Kraus. „Sie gehört zu den Künstlerinnen, die zu wenig gesehen werden.“
Die Ausstellung startet mit Oppermanns frühen Zeichnungen und farbigen Bildern in Mischtechnik, die von ihrer Beschäftigung mit Surrealismus, Dadaismus und Popart inspiriert sind. In den 60er-Jahren beginnt Oppermann damit, ihr Umfeld abzubilden. Dabei malt sie oftmals ihre eigene Perspektive: Ihre Beine, die sie auf einem Stuhl sitzend von oben betrachtet. Davor ein Tisch mit Gegenständen oder auf dem Boden verstreute Bilder und Fotos: eine Arbeitssituation. Ziel war es, den Betrachtenden ihre Erfahrung als Künstlerin zu vermitteln. „Ich stellte mir vor, Außenstehende würden sich in ihren Gedanken in dieses Bild hineinsetzen können“, erklärt Oppermann. Doch diese Erwartungen seien nicht erfüllt worden.
Kunst als verzweigtes Wurzelwerk
Oppermann beginnt damit, den Bildraum zu öffnen und den Rahmen mit Collagen zu sprengen. Schließlich gelangt sie zu dem Schluss, dass das Bild im traditionellen Sinn der Komplexität ihrer Themen nicht gerecht wird. „Es ist unmöglich, ein Problem in Angriff zu nehmen, ohne zu berücksichtigen, dass jedes Problem in andere Problemfelder eingebunden ist“, stellt sie fest. So entwickelt sie ihre „Ensembles“, die wie ein verzweigtes Wurzelwerk wuchern.
Zunächst sind es Installationen, die Raumecken füllen und sich um einen kleinen Tisch herum entfalten. So etwa „Frauen wie Ängel“ (1968–1973), eine Auseinandersetzung mit „der Frauenrolle, dem Äußeren der Frau, das ich nie erfüllte“, wie Oppermann selbst erklärte. Auf einem Tisch mit einer blau-weiß gemusterten Decke, der an einen Altar erinnert, stehen zwei Engel aus Glanzpapier. Um sie herum gruppieren sich Fotos, Zeichnungen, Gegenstände und Notizen, die sich oftmals auch ironisch oder humorvoll auf das Thema beziehen. Neben einem Kaktus steht etwa ein Bild mit der Aufschrift „Lange nicht beim Frisör gewesen“.
Beim Schaffen ihrer „Ensembles“ geht Oppermann nach einer festen Methode vor. Sie beginnt stets mit Assoziationen zu einem Objekt, macht Notizen und Skizzen und arbeitet sich so vor. Im Laufe der Jahre werden ihre „Ensembles“ immer umfassender. Mit jedem Aufbau erweiterte die Künstlerin die Installationen und passte sie jeweils an den Standort an. Mit dem Aufbau der 18 kleinteiligen Installationen in der Ausstellung sei ein zehnköpfiges Team vier Wochen lang beschäftigt gewesen, sagt Co-Kuratorin Anna Schäffler.
Ohnehin ist es angesichts unzähliger Zettel, Fotos und Einzelteile kaum möglich, die Installationen im Originalzustand zu rekonstruieren. Die Künstlerin, die im Alter von nur 53 Jahren nach schwerer Krankheit starb, hatte keinerlei Vorsorge getroffen, wie mit ihrem Werk verfahren werden sollte. Eine Nachlassgruppe mit Kunstexpertinnen entwickelte deshalb das Konzept der „Interpretierenden Neuinstallation“, die sich an Oppermanns Methode orientiert.
Die Verkäufe ihrer Werke waren zu Oppermanns Lebzeiten bescheiden, obgleich sie mit ihren „Ensembles“ auf der documenta 6 (1977) und der documenta 8 (1987) in Kassel vertreten war. 1980 wurde sie zur Biennale in Venedig eingeladen. Oppermann, die an der Hochschule für bildende Künste Hamburg studiert hatte, lebte als freischaffende Künstlerin in der Hansestadt. Ab 1982 lehrte sie als Professorin an der Universität Wuppertal und anschließend bis zu ihrem frühen Tod an der Universität der Künste Berlin. Erst posthum schuf eine Galerie einen Markt für ihre Arbeiten, die nun auch in Museumssammlungen vertreten sind.
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