Interaktive Ausstellung in Koblenz nimmt die Themen Haltung und (gesellschaftliches) Miteinander in den Blick
Ein Rundgang voller Lebensfragen: Ausstellung will Besucher zum Nachdenken anregen
Die Ausstellung will die Besucher zum Nachdenken anregen.
Stefan Schalles

Koblenz. Die Frage „Wofür stehe ich ein?“ ist nur eine von vielen, die die Ausstellung „Mehr Leben entdecken“ aufwirft – und doch vielleicht jene, die den Gedanken dahinter am treffendsten erfasst: In der interaktiven Schau nämlich, die derzeit in Koblenz zu sehen ist, geht es um das Thema Haltung, werden Besucher aufgefordert, über das Verhältnis zu sich selbst und anderen nachzudenken, zu hinterfragen, was unser Leben letztlich ausmacht.

Inspiriert wurde die Wanderausstellung vom Wirken des Westerwälder Pallottiner-Paters Richard Henkes, der dem NS-Wahn in seinen Predigten bereits ab 1933 die Stirn bot, zehn Jahre später ins KZ Dachau deportiert wurde, dort Typhuskranke in der Quarantäne pflegte, bis er nach einer Infektion im Februar 1945 schließlich selbst an der Krankheit verstarb. Als „Martyrium“ erkannte Papst Franziskus den Tod des Pallottiner-Paters 2018 an, ein Jahr später wurde Henkes im Limburger Dom dann sogar seliggesprochen.

Haltung als Herausforderung

Was schließlich auch den Anstoß gab für die Gründung der Stiftung Haltung heute, unter deren Dach nun seit einigen Jahren die Ausstellung „Mehr Leben entdecken“ durch Deutschland zieht. „Das Leben von Richard Henkes“, erklärt Pallottiner-Pater und Stiftungsleiter Hubert Lenz, „inspiriert uns seit jeher, weshalb wir es auch anderen Menschen zugänglich machen wollten.“ Haltung, fügt er an, „ist in unserer Gesellschaft heute eine große Herausforderung“, wobei Henkes unter der NS-Diktatur bewiesen habe, „wie es geht“.

Durch sein unumstößliches, bis in den Tod reichendes Einstehen für die eigenen Werte, das auch die Ausstellung in den Blick nimmt – ohne erhobenen Zeigefinger, dafür mit zahlreichen Anknüpfungspunkten zur Selbstreflexion, denn: „Wir wollen die Menschen dazu anregen, über ihr eigenes Leben, über persönliche Werte und Einstellungen nachzudenken“, erklärt Lenz, „und sind immer sehr angetan, wenn uns das gelingt, wenn die Besucher sich auch über diese Themen austauschen.“

Impulse sollen nach dem Besuch bleiben

Anregungen hierzu bietet die Ausstellung tatsächlich en masse, setzt an den gut 20 Stationen immer wieder spannende Impulse, fordert den Betrachter auch zum Mitmachen – oder besser: zum eigenen Erleben – auf. Etwa wenn es darum geht, auf einem Feld gleichförmiger Waben – beschriftet mit Begriffen wie „Familie“, „Glaube“ oder „Glück“ – jene auszuwählen, die dem persönlichen Glück am zuträglichsten scheinen.

Oder wenige Meter weiter, wo es heißt: „Schritte wagen – auch auf unsicherem Untergrund“, hier dargestellt durch eine schmale Wippe auf dem Boden, auf der unweigerlich der Gedanke mitschwingt: Kann ich das Gleichgewicht aus eigener Kraft halten oder muss ich mich an den nahen Stellwänden abstützen? Was macht mir eigentlich Angst? Und wie kann ich diese überwinden?

Es sind oft simple Fragen, die – sofern man sich darauf einlässt – eine tiefer gehende Auseinandersetzung anstoßen. „Die Ausstellung soll die Menschen ins Tun bringen und dabei gleichzeitig auch Spaß machen“, erklärt Anja Gläßer von der Haltung-heute-Stiftung. „Wer den Mut hat, sich darauf einzulassen“, ergänzt sie, „wird von hier einiges mitnehmen.“ Indem er etwa gewohnte Denkmuster verlässt und – als Anregung hierzu – auf dem Grund eines winzigen Wasserbassins Unerwartetes ertastet. Oder aber in einen zerbrochenen Spiegel schaut, in dem er sich selbst – auch im übertragenen Sinn – unvollständig, vielleicht gar brüchig sieht und mit der Frage befasst: „Wer schenkt mir Ansehen in meiner Gebrochenheit?“

Kontraste, die bewegen

Den Weg zu Richard Henkes weisen derweil immer wieder eingestreute Zitate wie jenes des Schweizer Generals Ullrich Wille, der einst anmerkte: „Das Rechte und das Gute muss man auch dann tun, wenn man sich keinen Erfolg davon verspricht.“ Wobei es in der Ausstellung auch einen ganz unmittelbaren Bezug zum Schicksal des Pallottiner-Paters gibt: an jener Station, an der die Ankunft der Häftlinge im KZ Dachau beschrieben wird, die sich ausziehen mussten, teils nackt über den Appellplatz geführt wurden und erst nach dem Auftragen einer ätzenden Säure zur „Desinfektion“ ihre Sträflingskleidung erhielten.

Diesem menschenverachtenden Prozedere in den Vernichtungslagern stellt die Schau schließlich das „Vaterunser“ entgegen – als „hoffnungsvollen Gegenentwurf zu einer Welt, in der Unmenschlichkeit, Willkür und Unterdrückung herrschen“, wie es heißt. Ein direkter religiöser Referenzpunkt, wie er auch andernorts in der Ausstellung zu finden ist, ohne das Projekt jedoch zu sehr einzuengen für Menschen ohne Glaubensbezug.

Dazu beigetragen hat schließlich auch Inka Engel, die die Schau in den kommenden beiden Wochen in Koblenz betreut. „Wir wollten hier ganz bewusst auch die weltliche Perspektive auf das Thema miteinbeziehen“, erklärt Engel, die an der Uni Koblenz das Projekt „Bürgerwissenschaftliche Erforschung der Familiengeschichte von Einheimischen und MigrantInnen und ihrem Verhältnis zur NS-Geschichte“, kurz BEFEM, leitet.

Podiumsdiskussion zum Abschluss

Geplant ist daher zum Abschluss der Schau auch eine Podiumsdiskussion zur Bedeutung von Haltung und zivilgesellschaftlichem Engagement in der heutigen Zeit, an der am 21. Dezember unter anderem der rheinland-pfälzische Landtagspräsident Hendrik Hering teilnimmt, daneben auch Pater Hubert Lenz und der Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, Thomas Carl Schwoerer.

Einen kleinen Denkanstoß im Vorfeld liefert dann im Übrigen auch noch die Ausstellung selbst: Dort nämlich wird der Besucher mit der Frage konfrontiert, was er persönlich machen würde in Situationen, die Haltung erfordern. Wegschauen? Nur Hinschauen? Oder doch handeln?

Die Ausstellung ist bis zum 21. Dezember in der Weinlounge (Eingang Tourist-Info) im Forum Confluentes zu sehen – täglich von 10 bis 18 Uhr. Weitere Infos online unter www.ku-rz.de/haltung, dort können auch Führungen mit Inka Engel vereinbart werden.