Uraufführung in Koblenz
Ein Opern-Triptychon als Weltpremiere
Der Koblenzer Intendant Markus Dietze (rechts) und der Gastchoreograf Andreas Heise erarbeiten derzeit den Abend "Into the Fire" mit drei Werken des Komponisten Jake Heggie.
Arek Glebocki/Theater Koblenz

Die Aufführung der Oper „Dead Man Walking“ des Komponisten Jake Heggie Anfang 2022 war ein gewaltiger Erfolg des Theaters Koblenz und des Regie führenden Intendanten Markus Dietze – nun entsteht ein neuer Heggie-Abend im Koblenzer Theaterzelt. 

Dass am Theater Koblenz ein Stück von einem Komponisten gezeigt wird, der gleichzeitig auch an der Metropolitan Opera in New York mit einem Werk vertreten ist: Das kann schon mal in Sachen Verdi, Wagner, Mozart und Co. passieren. Dass es mit einem zeitgenössischen Komponisten passiert, ist hingegen ein sehr unwahrscheinlicher Fall – und trotzdem passiert genau das in diesen Tagen. Am 15. März feiert der Abend „Into the Fire“ mit drei Stücken von Jake Heggie (Jahrgang 1961) seine Premiere im Theaterzelt auf der Festung Ehrenbreitstein – am selben Tag, nur ein paar Zeitverschiebungsstunden entfernt, ist am weltberühmten New Yorker Opernhaus die Oper „Moby-Dick“ von Heggie zu sehen.

Was beide Theater außerdem verbindet: Beide haben bereits Heggies Oper „Dead Man Walking“ – die bewegende Geschichte der Nonne Sister Helen Prejean, die einen zum Tode verurteilten Mörder begleitet und dabei mit Fragen von Schuld, Vergebung und Gerechtigkeit konfrontiert wird – mit gewaltigem Erfolg aufgeführt. Anfang 2022 sorgte das Stück in der Inszenierung von Intendant Markus Dietze in Koblenz für Furore: Eine zeitgenössische Oper, der musikalisch die Quadratur des Kreises zwischen traditioneller Tonalität und komplexer Harmonik gelingt, und die auf beiden Seiten des Ozeans auf begeisterte Reaktionen bei Publikum und Kritikern stieß.

Fündig geworden im Kammermusik-Werk

Aus der Beschäftigung mit „Dead Man Walking“ resultierte bei Dietze nicht nur eine immense Wertschätzung für den amerikanischen Komponisten, sondern auch eine regelmäßige Mail-Korrespondenz. „Wir haben uns damals in Frankfurt getroffen und festgestellt, das wir über Theater ganz ähnlich denken – und dann meldeten wir uns immer mal wieder gegenseitig“, erzählt Dietze. „Und als es dann darum ging, das Programm für das Theaterzelt zu machen, dachte ich: ,Der hat doch bestimmt Kammeropern geschrieben!’“  Bei der Recherche stieß Dietze dann auf die vielfältige Kammermusik Heggies: Eine echte Fundgrube für Koblenz durch die geforderten, nicht allzu großen Besetzungen und damit ideal fürs Zelt geeignet.

Und so kam es zum Heggie-Dreierschlag, den Dietze intern auch als „Triptychon“ bezeichnet. Zwei der Werke werden als europäische Erstaufführung, zwei von ihnen erstmals weltweit szenisch umgesetzt. Den Auftakt macht der titelgebende Liederzyklus „Into the Fire“. Das Stück ist eine Hommage an die französische Bildhauerin Camille Claudel (1846–1943), die zeitlebens im Schatten ihres Mentors und Geliebten August Rodin stand. In Koblenz verkörpert Mezzosopranistin Danielle Rohr aus dem Koblenzer Opernensemble Camille Claudel, live dazu wird während der Aufführungen die Bildhauerin Franziska Feser auf der Bühne arbeiten. Zusätzlich tritt der Choreograf Andreas Heise, der in Koblenz zuletzt 2017 den „Orfeo“-Ballettabend geschaffen hat und für das Heggie-Projekt zurückkehrt, in diesem Teil auch als Tänzer auf.

Die Mezzosopranistin Danielle Rohr aus dem Koblenzer Opernensemble verkörpert in "Into the Fire" die Bildhauerin Camille Claudel sowie die Solopartie in "The Deepest Desire: Four Meditations on Love" nach Texten von Sister Helen Prejean.
Arek Glebocki/Theater Koblenz

Der Mittelteil des Triptychons, „The Radio Hour“, ist eine rund 40 Minuten umfassende Choroper, die in Gestalt des Opernchores die Stimmen im Kopf der Protagonistin Nora zum Klingen bringt, die von Jana Gwosdek aus dem Koblenzer Schauspielensemble verkörpert wird. Für Regisseur Markus Dietze eine dermaßen „großartige Aufgabe für einen Chor“, dass es ihm unerklärlich ist, warum „The Radio Hour“ nicht „der Renner an allen mittelgroßen deutschen Stadttheatern“ ist.

Dritter Teil des Abends ist „The Deepest Desire: Four Meditations on Love“, eine Vertonung von Texten der Aktivistin Sister Helen Prejean. Und hier schließt sich der Kreis zur Oper „Dead Man Walking“, in dem Prejean ja die Hauptperson ist. Zwischen dem Komponisten und der außergewöhnlichen Nonne hatte sich eine Freundschaft entwickelt – auf Bitten Heggies schreibt sie Texte über Liebe und Spiritualität, die in Koblenz von der Mezzosopranistin Danielle Rohr und dem Ballettensemble in einer „tänzerischen Meditation über Liebe und Spiritualität“ auf die Bühne gebracht werden.

Ein spartenübergreifender Abend

Ganz wie in Giacomo Puccinis „Il trittico“, dem bekanntesten Operntriptychon der Werkgeschichte, könnten – so erklärt es Markus Dietze – die drei Teile von „Into the Fire“ auch jeweils für sich selbst stehen, sind nicht inhaltlich verschränkt. Wohl aber durch die Sängerbesetzung als auch überhaupt durch den formalen Ansatz, an diesem Abend grundsätzlich spartenübergreifend zu arbeiten.

Ein Ansatz, mit dem der Schöpfer der drei Werke, die erstmals unter einem szenischen Dach versammelt werden, begeistert ist. Dementsprechend lässt sich Jake Heggie wie folgt zitieren: „Ich habe immer davon geträumt, meine Kammermusikwerke mit Bewegung und Tanz zu verbinden. Jetzt wird dieser Traum wahr.“

„Moby-Dick“ drängt auf größere Bühnen

Wer hingegen auf die Aufführung von Jake Heggies „Moby-Dick“ in Deutschland oder gar in Koblenz spekuliert, wird von Markus Dietze auf größere Bühnen verwiesen: Die gewaltige Solistenbesetzung, die – für das Seefahrerdrama wenig überraschend – beinahe nur männliche Protagonisten verlangt, drängt eher auf weit größere Bühnen mit größeren Ensembles.

Empfohlen ab 12 Jahren, die Premiere am Samstag, 15. März, im Theaterzelt auf der Koblenzer Festung Ehrenbreitstein ist ausverkauft, vom 17. März bis zum 4. Mai gibt es zehn weitere Vorstellungen. Zu allen fährt die ebenso wie alle anderen öffentlichen Verkehrsmittel des VRM im Ticketpreis enthaltene Seilbahn, Infos und Tickets online unter www.theater-koblenz.de