Koblenz. Ganz Theaterdeutschland ist von Sanierungsstress besetzt. Ganz Theaterdeutschland? Nein. Denn in Koblenz läuft lautlos eine bisher reibungsarme Bühnensanierung ab. Vor mehr als 40 Jahren war das Theater letztmals umfangreich saniert worden - seit diesem Sommer erlebt das Gebäudeensemble in der Innenstadt Akt für Akt die größte Generalsanierung seit dem Bau des Theaters 1787.
So richtig bekommt man das, wenn man sich nicht für Theater interessiert, erst in der laufenden Spielzeit durch die vielen Baucontainer und die teilweise Sperrung der Clemensstraße mit. Für eine Saison ist der Spielbetrieb aus dem Großen Haus in ein Theaterzelt auf der Festung Ehrenbreitstein verlegt, um nach ersten Schritten wie der Erneuerung der Bestuhlung und des Bodenbelags 2020 und der Sanierung der Lüftungsanlage zwischen 2020 und 2022 nun die Kernsanierung des Bühnenhauses und der Betriebsgebäude vornehmen zu können.
Andere Städte verzweifeln schon im Vorfeld
Das alles läuft bisher nach Plan - und das grenzt an ein Wunder. Denn Theatersanierungen, die sich in vorgezeichneten Bahnen bewegen, sind bekanntermaßen eine Seltenheit. Etwa in Trier, wo sich der Stadtrat nach jahrelangem Gerangel 2019 endlich für eine Sanierung statt eines Neubaus entschied, diese aber wohl erst in frühestens zwei Jahren wird beginnen können. Und in Frankfurt dreht man sich seit Jahren zur Zukunft der Städtischen Bühnen im Kreis.
In Köln mussten die Städtischen Bühnen den Wiedereinzug an den Offenbachplatz mehrfach verschieben, seit mehr als zwölf Jahren wird dort herumgedoktert. Wenn die Sanierungsarbeiten womöglich Ende 2025 beendet sein sollten, werden die Kosten für Bauarbeiten, Kredite und Interimsspielstätten für Oper, Schauspielhaus, Kleinem Haus und Kinderoper sich auf mehr als 1,4 Milliarden Euro aufgetürmt haben.

Und doch geht es diesen Projekten noch gut angesichts des aktuellen Sparhammers des Berliner Senats: Die laufende Sanierung der Komischen Oper soll im kommenden Jahr ausgesetzt werden, um 10 Millionen Euro kurzfristig einzusparen. Ein Schildbürgerstreich, der weit höhere Kosten für die Interimsspielstätte und weitere Verzögerungen erzeugen würde, es sei denn, die Politik plant bereits insgeheim die Abwicklung des traditionsreichen Opernhauses.
Zurück also ins glückliche Koblenz zu einer Theatersanierung mit weit geringerem finanziellen Volumen: Die aktuellen Planungen belaufen sich auf rund 37 Millionen Euro Gesamtkosten, von denen rund 19 Millionen Euro vom Land Rheinland-Pfalz aufgebracht werden. Theaterintendant Markus Dietze ist immer noch zuversichtlich, dass die für die kommende Spielzeit angepeilte Rückkehr ins Große Haus trotz einiger unvorhergesehener Widrigkeiten realisierbar ist. Bei einer exklusiven Baustellenführung für unsere Zeitung mag das für nicht Bauerfahrene ambitioniert klingen: Im Bühnenhaus wird gerade tonnenweise alte Technik demontiert und abtransportiert, in den Wirtschaftsgebäuden in der Clemensstraße 1 bis 3 und in Hausnummer 5, allesamt in den 50er-Jahren rasch hochgezogen und nach und nach dem Theater und seinen Abteilungen zugeschlagen, liegen Rückbau und Vollendung nah beieinander. Während mancherorts jüngst noch Decken freigelegt und Trennwände zwischen kleinen Einheiten eingerissen wurden, sind in anderen Stockwerken etwa die Umzugskisten der Verwaltung schon wieder zurück an ihrem ursprünglichen Ort.

Über wirklich jeden Raum kann Dietze, der die Sanierungsarbeiten und die Vorplanungen hierzu seit inzwischen zehn Jahren vorantreibt, um Missstände wie in anderen Theatern zu vermeiden, eine oder gleich mehrere Geschichten erzählen. Die bemerkenswerteste: „Der Bauteil von 1787 macht die allerwenigsten Sorgen!“, erklärt er. Der Kurfürst hat damals offenbar sehr gründlich und nachhaltig bauen lassen. Nachhaltigkeit ist auch in der derzeitigen Kernsanierung ein großes Thema: Auf dem Dach hält Photovoltaik Einzug, und alle auf ihren Abtransport wartenden, alten Bau- oder Technikteile sind streng sortenrein getrennt.
Während ehemalige Arbeitsräume wie etwa der Maler- oder der Chorprobensaal im skelettierten Zustand schon durch ihre Größe beeindrucken, gibt ein weit kleinerer Raum, zwischen den Abteilungen Maske und Ton gelegen, Rätsel auf. Fensterlos, neben einer langen Rampe mitten im ehemaligen Bürogebäude, wird er von zwei auf unterschiedlichen Höhen gelegenen Türen erschlossen und erinnert an eine verborgene Grabkammer. Hier treffen alle jüngeren Bau- und Anbauzustände aus den 1930er-, 1950er- und 1980er-Jahren aufeinander - und hier hatten sich verschiedene, beengte Abteilungen ein Stückchen abgeknapst, um etwa noch eine zusätzliche Toilette oder ein bisschen dringend benötigten Stauraum zu ergattern.
Natürlich ist eine komplexe Baumaßnahme wie diese auch in Koblenz weder sorgen- noch risikofrei: „Die in den 1980ern unzureichend dokumentierte und nun unvorhergesehen schwierige statische Situation der Betriebsgebäude in der Clemensstraße macht schon große Sorgen“, erklärt Dietze, genauso wie die, durch einige seiner Meinung nach unsinnige Vorschriften des Vergaberechts möglichen, sehr langen Verzögerungen bei der Beauftragung wichtiger Fachfirmen.
Sparstimmung schlägt vorauseilend durch
So weit aber alles gut in Koblenz? Was die Kernsanierung angeht, die von Anfang an von einer großen Einigkeit im Stadtrat getragen wird, mag das - vorbehaltlich der bei historischen Gebäuden immer möglichen Überraschungen - der Fall sein. Doch die allgemeine Sparstimmung, die Kommunen auch jenseits von Berlin dazu verleitet, schon jetzt im vorauseilenden Gehorsam engere Fesseln für wesentliche Ausgaben und auch damit auch die kulturelle Daseinsvorsorge anlegen zu wollen, schlägt auch in Koblenz durch, räumt der Koblenzer Intendant ein.
Die macht sich sofort in der ohnehin immer bestehenden Ungleichheit der Zeitrechnung zwischen Haushaltsjahr und Theatersaison bemerkbar: Der zweite Teil jeder Spielzeit, der immer im Folgejahr liegt, steht so gefühlt von Haushalt zu Haushalt unter dem Vorzeichen Hoffnung oder dem Vorbehalt Einsparung, abhängig davon, ob die öffentliche Hand den Zuschuss nicht nur beibehält, sondern möglichst auch an allgemeine Kostensteigerungen anpasst.
Ein Teufelskreis
Man könnte annehmen, das sollte eigentlich gerade in Koblenz, wo das Theater ein Amt der Stadt ist, kein Problem sein. Ist es aber immer wieder doch, wie Dietze in seinen 15 Jahren als Koblenzer Intendant erleben durfte: Wenn etwa im gesamten öffentlichen Dienst - und daran automatisch angelehnt auch im Theater - tarifliche Entgeltsteigerungen die Personalkosten stark erhöhen, wird beim Theater immer wieder darüber diskutiert, diese wie auch andere Kostensteigerungen nicht aufzufangen, sondern den bestehenden Zuschuss (nach dem sich auch der Zuschuss das Landes bemisst) womöglich zu deckeln oder gar zu verringern. Was zum kontinuierlichen Abschmelzen des Anteils führt, der für die Kunst zur Verfügung steht, die das angestellte Personal auf die Bühnen bringen soll. Ein Teufelskreis, der sich schon jetzt bemerkbar macht, erklärt Dietze. Etwa wann, wenn bei Erkrankungen im Ensemble Vorstellungen ausfallen müssen, weil für die Verpflichtung von Gästen schlicht kein Geldpuffer mehr vorhanden ist.
Die „Hardware“ Theater wird sich in Koblenz also aller Voraussicht nach schon in einem Jahr besser denn je präsentieren können - man darf hoffen, dass dann auch genug Menschen, Kostüme, Bühnenbilder und so fort bereitstehen, um in diesem Juwel der Theaterbaukunst wie gewohnt erfolgreich spielen zu können.
Das Theater bietet regelmäßig Baustellenführungen an, Infos unter www.theater-koblenz.de