Jüdische Mediziner prägten das Gesundheitswesen über Jahrzehnte - in ihrer Heimatstadt Koblenz und weit darüber hinaus
Die Salomons: Jüdische Ärztefamilie prägte das Gesundheitswesen in Koblenz – und weit darüber hinaus
Oskar Salomon arbeitete nicht nur als Urologe und Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, sondern praktizierte auch in einer kleinen Privatklinik in der Koblenzer Schlossstraße, hier auf einer Postkartenansicht aus dem Jahr 1921. Foto: Karl Albert Zimmermann/Wikimedia
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Koblenz. Die Reaktionen sind verblüffend ähnlich: Wie 2020 die Corona-Pandemie rollt ab 1830 die erste Welle der Cholera über Europa. Es habe, schreibt der Berliner Arzt Dr. Burghardt, „wohl kaum eine Seuche in der neueren Zeit, das heißt wenigstens seit den letzten zwei Jahrhunderten gegeben, welche die allgemeine Aufmerksamkeit des europäischen Publikums in so hohem Grade beschäftigt und welche bei ihrem Vorwärtsdringen die Gemüther mit so großer Angst und Furcht erfüllt hätte als die seit Kurzem aus Indien hervorbrechende Cholera“.

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Die Seuche, die nicht zuletzt auch deswegen so furchterregend ist, weil man so wenig über sie weiß und ihr zunächst recht machtlos gegenübersteht, fordert bei ihrem ersten Auftreten 1831/32 allein in Preußen mehr als 40.000 Opfer, wie Reinhard Kallenbach in seiner „Frühen Geschichte der Stadthygiene aus Koblenzer Sicht“ konstatiert. Bei der zweiten Welle 1866 sind es bereits 120.000, 1873 gar 380.000.

Übertragungswege zunächst unklar

Unwohlsein, Erbrechen, Durchfall, bedrohlicher Verlust an Körperflüssigkeit, in der Folge Verdickung des Blutes und Kreislaufzusammenbruch, schließlich Herz- und Nierenversagen sind die fatalen Symptome. Lange Zeit streiten Ärzte und Wissenschaftler über die Übertragungswege. Festzustehen scheint nur, dass die Seuche bei ihrem Vordringen den großen Land- und Wasserstraßen folgt.

Zu den Maßnahmen, die Preußen im Kampf gegen die Epidemie ergreift, zählen neben der Verhängung von Quarantäne und der Verbesserung der auch in Koblenz teilweise noch absolut unzureichenden hygienischen Bedingungen daher etwa die Einrichtung von ärztlichen Stromüberwachungsdiensten. Auf dem Rhein sollen sie das Einschleppen der Seuche durch niederländische Schiffe verhindern. Mitglied der Überwachungskommission, die 1892 bei einem erneuten Ausbruch der Cholera in Koblenz eingerichtet wurde, das als preußische Festungsstadt insgesamt noch vergleichsweise glimpflich davonkam, war der am 2. Februar 1875 in Koblenz als Sohn des jüdischen Arztes Bernhard Salomon geborene Oskar Salomon.

Zwei Jahre nach dem Tod des Vaters, der in der Firmungsstraße 36 praktizierte, bestand Oskar Salomon am Kaiserin-Augusta-Gymnasium 1895 die Reifeprüfung, immatrikulierte sich am 18. April desselben Jahres als Student der Medizin in Bonn, wo er der studentischen Verbindung Tuiskonia angehörte und 1900 zum Dr. med. promoviert wurde. Bis 1903 war er Assistent bei Prof. Karl Herxheimer, dem führenden Dermatologen seiner Zeit in Frankfurt – dieser kam 1942 im KZ Theresienstadt ums Leben –, von 1902 bis 1903 auch Assistent bei Alfred Blaschko an der Hautpoliklinik in Berlin, der sich vor allem der Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten widmete.

Salomon war gleichzeitig Urologe und Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, praktizierte zudem in einer kleinen Privatklinik in der Schlossstraße, wie Hildburg-Helene Thill in ihren „Lebensbildern jüdischer Koblenzer“ schreibt, und wohnte in einer großzügigen Villa in den Rheinanlagen 13. Seiner Fächerkombination entspricht auch eine Veröffentlichung, die er im Dezember 1921 zusammen mit seinem Assistenten Hermann Feit verfasste, der ebenfalls in Bonn studiert hatte: „Über einen Fall von extragenitalem, syphillitischem Primäreffekt auf Lupus vulgaris (der häufigsten Form von Hauttuberkulose)“.

Während des Ersten Weltkriegs arbeitete Oskar Salomon als Feldarzt und kehrte erst 1918 aus dem Krieg nach Koblenz zurück. Für seine Verdienste wurde er mit dem Eisernen Kreuz Zweiter Klasse und der Rot-Kreuz-Medaille ausgezeichnet. Für sein hohes Ansehen als Mediziner spricht auch, dass er bis zu seinem Tod 1933 Leiter der Lupuskommission des 1895 gegründeten Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK) war.

Zu dieser Zeit galt die Tuberkulose als regelrechte Volkskrankheit, die jeden vierten berufstätigen Mann dahinraffte. Dem als Verein gegründeten DZK kam ein hohes Renommee zu. Schirmherrin war Kaiserin Auguste Viktoria, die Präsidentschaft hatte der jeweilige regierende Reichskanzler beziehungsweise Reichsminister inne.

Oskar Salomon aber war nicht nur als „Tuberkulosearzt“ deutschlandweit bekannt, sondern gehörte in seiner Heimatstadt auch zu den Honoratioren, die 1903 den „Coblenzer Schachclub“ ins Leben riefen. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde es schließlich einsam um den Arzt, obgleich er nicht mehr Mitglied der Synagogengemeinde war und seine 1923 verstorbene Frau Stephanie Salomon, eine geborene Rubens, im Garten seiner Villa bestattete.

Oskar Salomon starb im November 1933. Anstelle von Traueranzeigen findet sich heute nur eine Anzeige des 1919 gegründeten, die Assimilation der Juden fördernden, antisemitische Tendenzen bekämpfenden Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten in seiner Vereinszeitschrift „Der Schild“: „Die Ortsgruppe bedauert den Tod ihres Kameraden Dr. Oskar Salomon. Wir werden das Andenken dieses stets sehr eifrigen Mitgliedes in Ehren halten.“

Auch Brüder praktizierten als Ärzte

Die Heilkunst war bei den Salomons derweil Familientradition. Oskars Brüder Hugo und Arthur studierten nach dem Abitur am Kaiserin-Augusta-Gymnasium ebenfalls Medizin beziehungsweise Zahnmedizin. Arthur Salomon praktizierte bis zu seinem tragischen Tod – er kam 1929 bei einem Unfall auf dem Rhein mit zwei Kollegen ums Leben – am Friedrich-Ebert-Ring. Hugo Salomon lehrte nach Studium und Promotion bis 1924 an der Universität in Wien und bereitete, wie Thill schreibt, in weiser Voraussicht seine Ausreise nach Buenos Aires vor. Seine Tochter Emma Salomon besuchte währenddessen die Hildaschule und wohnte bei ihrem Onkel Oskar.

Zu den wichtigsten Veröffentlichungen Hugo Salomons gehört das „Handbuch der Ernährungslehre“, das er mit seinem Kollegen Carl von Noorden, einem 1858 in Bonn geborenen, gleichfalls eine Zeit lang in Wien lehrenden Internisten und Diabetologen, veröffentlichte und dessen erster Band, dem Magen gewidmet, 1929 erschien. Hugo Salomon, der zu den Entdeckern des unter anderem für Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre verantwortlichen Helicobacter (eine Bakteriengattung) zählt, starb 1954 in Buenos Aires.

Von unserer Mitarbeiterin Lieselotte Sauer-Kaulbach