Publikum nimmt die Ausweichspielstätte auf der Koblenzer Festung Ehrenbreitstein in Besitz
Die Saison ist eröffnet: In Koblenz hat das Abenteuer Theaterzelt begonnen
Nur noch wenige Momente, dann gibt der Bauzaun den Eingang frei: Seit dem Wochenende ist die Ausweichspielstätte Theaterzelt auf der Festung Ehrenbreistein in Betrieb.
Claus Ambrosius

Koblenz. Ganz schön groß innen oder einfach "Wow": Zum Wochenende hat das Publikum das neue Theaterzelt auf der Koblenzer Festung Ehrenbreitstein erstmals in Augenschein genommen.

„Stehen Sie hier an?“ Ja, irgendwie schon, und das aus gleich vier Richtungen. Es ist Freitagnachmittag – und der erste Schwung Publikum sammelt sich vor dem Bauzaun rund um den stolzen Sechsmaster auf dem Festungsplateau. Man kommt zu Fuß vom Autoparkplatz oder mit dem Shuttlebus bis kurz vors Zelt gefahren, man läuft vom Festungsschrägaufzug (was dann noch ein ganz beachtlicher Spaziergang ist) oder kommt mit der Seilbahn angeschwebt. Und dann ist es soweit: Ein Zaun wird beiseitegeschoben, Intendant Markus Dietze höchstpersönlich eröffnet den Einlass in die Ausweichspielstätte, die während der laufenden Sanierung des Großen Hauses in der Innenstadt die meisten Produktionen des neuen Spielplans beherbergen wird.

Auch der Foyerbereich im Theaterzelt fällt erstaunlich geräumig aus – und auch recht gemütlich.
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Und der erste Eindruck? „Einfach Wow!“, hört man da. Oder immer wieder: „Ganz schön groß innen!“ – und beides trifft es ziemlich gut. So auffällig das Theaterzelt auch von außen wirkt, ahnt man doch kaum, dass es innen tatsächlich so viel Bühnenfläche wie das Große Haus bietet – und Platz für immerhin 350 Besucher in der Hauptspielstätte. Denn tatsächlich ist rechts im erstaunlich großzügig wirkenden Foyerbereich auch noch Platz für eine kleine Extrabühne, die jetzt als erste ihre Feuertaufe besteht, wenn sich das Publikum am Theaterfesttag in Kleingruppen geführt auf den Weg durch die ihm sonst verborgenen Winkel des Interimsbaus macht.

Am Theaterfest ist Intendant Markus Dietze als „Führungskraft“ mit vielen Gruppen unterwegs.
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Und auch hier betätigt sich Intendant Dietze an vorderster Front: Wahrscheinlich könnte er einem zu jedem Gewerk, das einem auf der Tour vor und hinter der Bühne begegnet, eine eigene Geschichte inklusive Ausschreibungswirrungen, Preisen und Beschaffungssituation nennen. Dabei, das deutet er zumindest an, sind auch einige Termine in der Bürokratie der europaweiten Ausschreibungen etwas aus der Spur gekommen. Trotzdem ist zum Spielzeitbeginn am Wochenende alles einsatzfähig – und nicht nur das Publikum, sondern auch Mitarbeitende des Theaters staunen nicht schlecht.

So blickt man vom Schlagwerk auf der Bühne in den Zuschauerraum des Theaterzelts.
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Etwa über die Monitor- und Lautsprecherstationen hinter der Bühne im Künstlerbereich: Hier kann man, was bei Theatern nicht nur überaus gang und gäbe, sondern auch sehr nützlich und notwendig ist, den Ton aus dem Zuschauerraum hören und auf dem Monitor den Dirigenten oder die Bühne sehen. Endlich auch (wieder) in Koblenz, wie Dietze betont: „Die alte Mithöranlage im Großen Haus ist seit 10 Jahren kaputt.“ Und WLAN zur Internetnutzung gibt es auch – davon konnte man bislang im sanierungsbedürftigen Theater nur träumen, jetzt steht es im Zelt zu Verfügung.

In Sachen Technik ist fast alles neu, was es da zu bewundern gibt – und diese Dinge sollen nach Beendigung der Sanierung und bei der Rückkehr ins Große Haus in hoffentlich einem Jahr dann auch dort Verwendung finden. In Sachen Lichttechnik und Verstärkeranlage, das sieht und hört man jetzt schon heraus, ein beachtlicher Sprung, der nicht nur den Ausführenden, sondern auch dem Publikum klare Verbesserungen bescheren wird.

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Damit es beim Erkunden des Zeltes am Eröffnungstag nicht zu technisch wird, gibt es Livemusik vom Klavier, eine Extra-Ausgabe des beliebten Ballettformates „Tanz in der Stadt“, bei der sich die Ensemblemitglieder der Koblenzer Compagnie Räume improvisierend erschließen, aber auch in Kontakt treten etwa mit ihren Kollegen und Kolleginnen der Puppentheatersparte, die einzeln und in Grüppchen auf das Publikum zugehen.

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Etwa die Henne Henni samt Puppenspielerin Myriam Rossbach, die vom Start der Koblenzer Puppensparte vor zehn Jahren bis 2018 in Koblenz engagiert war und eigens für die 10-Jahres-Feier des Puppentheaters und das Theaterfest als Gast nach Koblenz zurückgekehrt ist. Auch Spartenleiter Stephan Siegfried ist unterwegs im Zelt und sorgt mit der extrem beliebten Puppe des Katers Findus – in Koblenz seit sagenhaften 13 Jahren im Einsatz – für Wiedersehensfreude.

Die große Bühne ist bestuhlt für das dort sitzende Orchester für die „Kostprobe“ am Samstagabend, bei der Ausschnitte aus Stücken der anstehenden Spielzeit Lust auf die neue Saison machen, sollen, am Sonntagabend stand dann auch schon die erste reguläre Produktion auf dem Programm: Bezugnehmend auf das diesjährige Motto des Kultursommers Rheinland-Pfalz wird in ihr unter dem Titel „Sterne des Südens“ etwas geboten, was weit mehr ist als die angekündigte Operettengala.

Regisseurin Inga Schulte hat gemeinsam mit Felix Pätzold, dem ersten Kapellmeister des Koblenzer Theaters, großflächig über „Sterne des Südens“ assoziiert und die Ideen zu einem Abend gebündelt, der mit Werken aus Operette, Zarzuela und mehr um eine Rahmenhandlung gestrickt ist (ein ausführlicher Bericht folgt).

Eine wichtige Rolle spielt dabei ein unsichtbarer Akteur: die Verstärkungstechnik. Denn: Fühlt sich der Zelt innen noch so sehr wie ein „richtiges“ Theater an, so geht ihm doch eine brauchbare Akustik ab. Folglich werden sowohl das Orchester als auch die Solisten für ein ausgewogenes Klangbild verstärkt.

Insgesamt kann man es kaum schöner zusammenfassen als Intendant Dietze. der mit leicht anderen Worten sagt: Wo vor Kurzem noch eine Hundeausführwiese war, steht jetzt ein spielfertiges Theater. Das allein ist schon eine reife Leistung. der viele außergewöhnliche Aufführungen folgen können.

Seilbahn passt Fahrplan an

Um den Besuchern die An- und Abreise zum Theaterzelt auf dem Festungsplateau zu erleichtern, passt die Seilbahn Koblenz ihre Fahrzeiten den Vorstellungszeiten des Theaters an. An Tagen mit Vorstellungen wird der Fahrbetrieb abends verlängert. Wer ein Theaterticket besitzt, kann die Seilbahn am Tag der Vorstellung kostenlos nutzen. In der Zeit vom 9. bis 20. November und vom 9. Januar bis 28. Februar findet allerdings kein Fahrbetrieb der Seilbahn statt – wegen planmäßiger Wartungsarbeiten, wie der Betreiber mitteilt. Dafür fährt in diesem Zeitraum zu jeder Vorstellung im Theaterzelt der Shuttlebus des Theaters Koblenz. kel

Infos zum Spielplan und zu den Spielstätten online unter www.theater-koblenz.de