Von unserem Autor Andreas Pecht
„Das Theater ist nicht nur der Punkt, wo sich alle Künste treffen. Es ist ebenso die Rückkehr der Kunst ins Leben.“ Was Oscar Wilde dereinst schrieb, steht nun als Motto groß an der Wand der Kunstkammer Rau im Arp Museum Remagen/Rolandseck. In diesem den alten Meistern vorbehaltenen Trakt des Moderne-Museums am Rhein eröffnet heute die Ausstellung „Bühnenreif 2. Akt“. Die mit 67 Exponaten aus der Zeit von 1600 bis 1900 bestückte Schau ergänzt nun parallel die Ende September gestartete Präsentation „Bühnenreif 1. Akt“ über die Nahtstellen zwischen bildender Kunst und Theater von 1900 bis heute.
Bühnenszene Canalettos
Den Eingang zur Kunstkammer rahmt die überdimensionale Reproduktion einer von Canaletto 1759 gezeichneten Bühnenszene. Der Besucher betritt die Ausstellung gewissermaßen durch die zentralperspektivisch weit entfernte Mitte der Bühne. Dort begrüßt ihn als kindsgroße Skulptur aus dem frühen 19. Jahrhundert ein bunt gewandeter, sichtlich gut gelaunter Geselle: Harlekin mit Gesichtsmaske und Narrenklatsche, Held der Commedia dell'arte seit dem 16. Jahrhundert.
Harlekin und seine komischen Mitstreiter wie Pantalone, Pulcinella, Dottore sind hier mehrfach in ganz unterschiedlicher Form vertreten. Denn das Stegreifspiel der Commedia ist quasi das Bindeglied zwischen zwei Entwicklungssträngen des europäischen Theaters, die sich auch in der bildenden Kunst ihrer Zeit spiegeln: Einerseits das aus mittelalterlichem Mysterien- und Krippenspiel hervorgegangene Volkstheater auf Straßen und Plätzen, andererseits das Profitheater, das während des 18. Jahrhunderts an den Fürstenhöfen auf die theatrale Selbstinszenierung der Herrschaft folgte.
Als kleiner, feiner Tischschmuck aus Meißner Porzellan sind die Commedia-Gesellen ebenso vertreten wie auf Gemälden von historischen Bällen als Notablen-Kostümierung. Überhaupt kam dem Maskenspiel damals (nicht nur) in der gehobenen Gesellschaft große Bedeutung zu. Das zeigt etwa ein Gemälde Pietro Longhis von venezianischen Lustbarkeiten anno 1750 oder ein anderes von Francois Rousseau über einen prächtigen Maskenball des Kölner Fürstbischofs in Bonn vier Jahre später. Dass der Kurfürst erkennbar als Bauer kostümiert ist, kommt nicht von ungefähr: In dieser „Rolle“ kann er ein Stück weit dem höfischen Protokoll entschlüpfen.
Europäischer Großmeister herrschaftlicher Selbstinszenierung als Theaterakteur war Frankreichs König Louis XIV. – dem gehörige Fertigkeiten im Tanzfach nachgesagt werden. Wenn seine Majestät aufzutreten beabsichtigte, mussten Künste zuhauf zusammenwirken: Architekten, Bühnen- und Kostümbildner, Kulissenmaler, Musiker, Sänger, Tänzer, Schauspieler und manche mehr schufen dem „Sonnenkönig“ einen angemessenen Rahmen. Die Ausstellung präsentiert den goldfarbenen Kostümentwurf Henri Gisseys aus dem Jahr 1653 für jenen Auftritt des Königs als tanzender Apoll, von dem sein Beiname herrührt. „Bühnenreif 2. Akt“ ist ein Streifzug durch die Theatergeschichte von Renaissance, Barock und Romantik im Spiegel vor allem malerischer Kunst, die die Welt des Theaters zum Gegenstand hat oder selbst dem Theater zuarbeitet.
Bühnenbilder namhafter Künstler
Gemälde wie Desiderios Interieur einer imaginären Kirche um 1600 erhellen, wie mittels zentralperspektivischer Prospektmalerei die seinerzeit ziemlich kleinen Theaterbühnen illusionistische Tiefe und Weite gewannen. Bühnenbilder namhafter Künstler dokumentieren Wechselbeziehungen zwischen den Sparten – etwa die Sternenhalle der Königin der Nacht (1815) des heute vor allem als Baumeister erinnerten Karl Friedrich Schinkel für eine Berliner Inszenierung von Mozarts „Zauberflöte“.
Zu sehen sind in Gemäldeform opulente Entwürfe für Bühnenvorhänge. Etwa der von Hans Makert für einen „Sommernachtstraum“ 1872 in Wien: Eine saftig sinnliche Arbeit mit lustvoll sich im Zauberwald rekelnden nackten Schönen – so recht im Geiste Shakespeares. Eine eigene Abteilung ist unter dem Titel „Walk of Fame“ Porträts einstiger Bühnenstars gewidmet. Georg Ludwig Meyn brachte den um die vorletzte Jahrhundertwende hochberühmten Schauspieler Josef Kainz als Hamlet aufs Papier. Toulouse-Lautrec malte die schon ältliche „Gabrielle la Danseuse“ aus dem Ensemble des Pariser Moulin Rouge. Wir begegnen den Tänzerinnen Jane Avril und Eleonore Duse sowie den Mimen Ferdinand Fleck als Macbeth oder Charlotte Walter als Hera.
Und wie die Ausstellung beginnt, so endet sie auch: beim Volkstheater. Nunmehr in seiner kleinsten Form, dem Marionettenspiel, vertreten durch Figuren des 1802 gegründeten Kölner Hänneschen-Puppentheaters. Derart in der Kunstkammer Rau durch die alte Geschichte der Beziehung zwischen bildender Kunst und Theater gewandert, kann der Besucher sich einige Schritte und eine Fahrstuhlfahrt weiter in die jüngere Geschichte dieses spannenden, wechselseitig inspirierenden Verhältnisses stürzen.
Das Arp Museum ist Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen zwischen 11 und 18 Uhr geöffnet. Erwachsene zahlen 9 Euro (ermäßigt 7 Euro). Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.arpmuseum.org