Tag der Architektur präsentiert unter anderem einen zu gehobener Gastronomie umgebauten Imbiss
Delikat umbauen in Koblenz: „Tag der Architektur“ erzählt am Wochenende 69 Mal Baugeschichte(n)
69 Architektur-Projekte in Rheinland-Pfalz gewähren am Wochenende anlässlich zum Tag der Architektur den Blick hinter die Türen.
Kevin Rühle. Kevin Ruehle

Koblenz. 30 Jahre Tag der Architektur in Rheinland-Pfalz heißt: Am Wochenende gibt es unter dem Motto "Einfach (um)bauen" wieder Gelegenheit, hinter sonst oft verschlossene Türen zu blicken - auch im "Schlicht. Esslokal" in Koblenz.

Lesezeit 9 Minuten

Vor 30 Jahren war die Länderkammer der rheinland-pfälzischen Architekten eine von vier Pionierinnen: Gemeinsam mit Hessen, Thüringen und dem Saarland fand hier der erste Tag der Architektur statt – der Versuch, ein Wochenende des Blicks hinter die Kulissen beispielhafter neuer Projekte zur Plattform für Architekten und Bauinteressierte zu machen, schlug kräftig ein, mittlerweile sind alle deutschen Länderkammern dabei. Und so geht an diesem Wochenende, am 29. und 30. Juni, der Tag der Architektur bundesweit über die Bühne.

Bad Bertrich: Beim Kurbadkomplex (Kurfürstenstraße 32) starteten 2020 umfangreiche Sanierungsarbeiten an Fassade, Dach und Innenbereich. Neben der Bausubstanz bedurfte auch die veraltete Haustechnik einer grundlegenden Überarbeitung und Modernisierung. Gestaltung und Farbgebung erzielen eine helle und moderne Architektursprache, gleichzeitig wird der historische Charakter des Kursaals bewahrt. Architekt: Michael Stoffel (Dreis), Termine: Sa geschlossen, So 10.30–19 Uhr
Liberty Visuals („Schlicht“), ww

Bad Neuenahr/Ahrweiler: Das Baugrundstück (Ober den Gärten 46) am Rande eines Neubaugebietes bietet einen unverstellbaren Blick nach Süden und Westen in Richtung Eifel. Aus dem Wunsch nach Ruhe auf dem Land entstand ein eingeschossiges Wohngebäude aus zwei Baukörpern mit Satteldach und dazwischen liegendem Erschließungstrakt mit Flachdach. Architekt: Armin Schmitz (Bad Neuenahr/Ahrweiler), Termine: Sa 14–17 Uhr, So 11–18 Uhr

 

Liberty Visuals („Schlicht“), ww
Horhausen: Durch die Erweiterung der IGS Horhausen (Neue Schulstraße 24) um zwei geschickt in die Hanglage integrierte neue Baukörper erhält die Schule mit mehr Unterrichtsräumen, einem Ganztagsbereich und einer Einfeldsporthalle ein frisches Gesicht. Architekt: Markus Kilian (V-Architekten, Köln), Termine: Sa 11–18 Uhr (Führungen: 12–13.30 Uhr, 15–16.30 Uhr), So geschlossen
Liberty Visuals („Schlicht“), ww
Koblenz: Das „Schlicht. Esslokal“ (Moselweißer Straße 6) entstand auf nur 95 Quadratmetern in Räumen eines ehemaligen Schnellimbisses. Der Raum wurde um einen zentralen gestalterischen Ankerpunkt entworfen: ein großformatiges abstraktes Kunstwerk. Innenarchitektin: Calina Hohberg (Zweiheit Innenarchitekten, Koblenz), Termine: Sa 14–18 Uhr, So geschlossen
Liberty Visuals („Schlicht“), ww
Lahnstein: Das Ärztehaus mit Wohnungen (Westallee 8) verfügt auf drei Stockwerken über eine Gesamtfläche von 1067 Quadratmetern – und bietet Blick auf Schloss Stolzenfels. Über einer orthopädischen Praxis und einem Dentallabor finden sich im Obergeschoss eine Zahnarztpraxis und im Dachgeschoss drei Wohnungen. Architektin: Anja Maria Fischer (Fischer Kuhn Partner Architekten, Höhr-Grenzhausen), Termine: Sa und So 14–18 Uhr
Liberty Visuals („Schlicht“), ww
Marienrachdorf: Das Bürogebäude und die Lagerhalle für den Naturkosmetikproduzenten Bioturm im Westerwald (Auf der Heide 1–3) vereinen ökologische Holzrahmenbauweise mit innovativem Design. Architekt: Wolfgang Loth (Loth-Haus GmbH, Niederelbert), Termine: Sa 14–18 Uhr, So 12–18 Uhr
Liberty Visuals („Schlicht“), ww
Zell (Mosel): Der Neubau für das Rathaus der Verbandsgemeindeverwaltung Zell (Schlossstraße 65) fügt sich durch die Gliederung seines Bauvolumens in zwei klar ablesbare Baukörper harmonisch in den historischen, kleinteiligen Altstadtbereich und das bestehende Stadtbild ein. Die Baukörper werden durch eine Lochfassade mit großzügiger Fensteraufteilung gegliedert. Architekt: Leonardo Sartori (Wittfoht Architekten Planung GmbH, Stuttgart), Termine: Sa 10–16 Uhr, So 10–14 Uhr
Liberty Visuals („Schlicht“), ww
Alzey: Die Neugestaltung der Kita „Am Wall“ (Am Wall 8) integriert sich nahtlos in das historische Umfeld der alten Stadtmauer und die bestehenden Gruppenhausstrukturen. Ein barrierefreier Eingangsbereich verknüpft den Neubau harmonisch mit den älteren Gebäudeteilen. Dabei wurde großer Wert auf den Einsatz natürlicher und nachhaltiger Materialien gelegt. Architektin: Sabine Klenner (Klenner Architekten PartmbB, Freimersheim), Termine: Sa 14–18 Uhr, So 11–18 Uhr
Liberty Visuals („Schlicht“), ww
Gau-Algesheim: Als Ort der Begegnung vereint das Familienzentrum St. Nikolaus (Karl-Domdey-Straße 2) Kindertagesstätte und Gemeindebereich. Der Eingangshof im Westen führt zu separaten Eingängen der beiden Nutzungsbereiche. Der Holzbau weist ein CO2-freies Energiekonzept mit positiver ökologischer Bilanz auf. Architekt: Julius Niederwöhrmeier (Niederwöhrmeier + Wiese Architekten, Darmstadt), Termine: Sa 14–18 Uhr, So geschlossen
Liberty Visuals („Schlicht“), ww

Ingelheim: Auf einem 6900 Quadratmeter großen Areal in Ingelheim-Nord erwachen im Neuen Wohnquartier Kirchstraße (Kirchstraße 4–8, Schubertstraße 9–13, Dammstraße 26) zehn Einzel- und Winkelhäuser zum Leben, die 83 Mietwohnungen und eine Tiefgarage für 88 Autos beheimaten. Die Siedlung bietet Raumvarianten von 45 bis 110 Quadratmetern mit zwei bis vier Zimmern. Elf Wohnungen sind barrierefrei, sieben vollständig rollstuhlgerecht. Architekt: Marcel Paffrath (Kramm & Strigl Architekten und Stadtplanergesellschaft, Darmstadt), Termine: Sa 14–18 Uhr, So geschlossen

Liberty Visuals („Schlicht“), ww
Ingelheim: Die sechs Gruppen beherbergende Kita „Gänsberg“ (Starenweg 4) ergänzt den Campus aus Schulgebäuden, Jugendzentrum und Sporthalle und entstand entsprechend dem Wunsch des Bauherren nach einem offenen Grundriss und multifunktional nutzbaren Räumen, in denen Begegnungen und das Miteinander der Kinder im Mittelpunkt stehen. Architektin: Edda Kurz (Kurz Architekten, Mainz), Termine: Sa geschlossen, So 11–18 Uhr
Liberty Visuals („Schlicht“), ww
Nieder-Olm: Der dreigeschossige Baukörper der Kita „Weinbergwichtel“ (Rudi-Klos-Allee 47) passt sich geschickt der Topografie an und integriert sich durch variierende Geschosshöhen in die Hanglage, was den Zugang auf unterschiedlichen Ebenen ermöglicht. Die als Teil der straßenseitigen Fassade konzipierte Lärmschutzwand fügt sich ins Gesamtbild ein und umrahmt den Außenbereich für Kinder. Architektin: Hanna Eichler (Eichler und Eichler Architekten, Alzey), Termine: Sa geschlossen, So 11–17 Uhr
Liberty Visuals („Schlicht“), ww
Saulheim: Die durch Bauten aus den 60ern ergänzte Scheune (Erlenweg 20) von 1900 wurde zu einer modernen Wohnscheune umgestaltet. Ihre Raumstrukturen wurden mit vielfältigen Räumen, Ebenen und Galerien bewahrt. Architektin:Barbara Rieke-Güntsche (Mainz), Termine: Sa 14–18 Uhr, So 11–18 Uhr
Liberty Visuals („Schlicht“), ww
Wackernheim: Das Design des Einfamilienhauses (In den 30 Morgen 25) zeichnet sich durch verschachtelte, auskragende Baukörper mit weitläufigen Fensterfronten aus, die nicht nur überdachte Eingangs- und Terrassenbereiche, sondern auch eine großzügige Dachterrasse erschaffen. Architekt: Andreas Fülber, (Mainz), Termine: Sa 14–17 Uhr, So 11–17 Uhr
Liberty Visuals („Schlicht“), ww
Wolfsheim: Der Neubau (Wittumweg 5) liegt am Rande einer dörflichen Struktur und hat als Holzbau aus Brettsperrholz nicht nur eine hervorragende Energiebilanz: Das Brettsperrholz leistet auch einen Beitrag zum Raumklima, weshalb alle Wände, Decken und das Dach im Innern nicht verkleidet wurden. Architekten: Fröhlich Gassner Architekten & Marc Flick Architekt, Termine: Sa 12–18 Uhr, So geschlossen
Liberty Visuals („Schlicht“), ww
Lahr: Beim neuen Gemeindehaus (Vallerstraße) kreieren zwei versetzt angeordnete Baukörper ein kubistisches Design. Ein begrüntes Dach und regenerative Haustechnik tragen zur positiven Energiebilanz des KfW-40-Hauses bei. Architekt: Jens Joachim Ternes (Koblenz), Termine: Sa und So 14–18 Uhr
Liberty Visuals („Schlicht“), ww
Perscheid: Die Wünsche nach mehr Großzügigkeit und nach einer besseren Erlebbarkeit des herrlichen Gartens und des Blicks über die weite Landschaft vom alten Wohnhaus im Dorfkern (St.-Albanus-Weg 6) gaben die Impulse für die Planung des Um- und Anbaus. Architektin: Nina Bölinger (Frankfurt), Termine: Sa 14–19 Uhr, So 11–16 Uhr
Liberty Visuals („Schlicht“), ww
1 / 17

Aktionstag in schwierigen Zeiten

Es ist ein Aktionstag in schwierigen Zeiten für die Branche: Das Zinsniveau hat die Baulust spürbar gebremst. Trotzdem sind in Rheinland-Pfalz 69 Projekte, die jüngst fertiggestellt wurden, beim diesjährigen Durchgang dabei. Vielleicht hat eine Zurückhaltung bei Neubauten auch das Motto 2024 inspiriert: „Einfach (um)bauen“ legt sehr deutlich den Fokus auf Arbeiten im Bestand. Passend dazu ist einer der Beiträge der Region, der einzige aus Koblenz in diesem Jahr, auch kein Neubau – sondern ein ziemlich außergewöhnliches Transformationsprojekt.

In der Moselweißer Straße, die die Koblenzer Stadtteile Rauental und Moselweiß verbindet, wurde 2023 das „Schlicht. Esslokal“ fertiggestellt. Und das in, untertrieben gesagt, begrenzten Räumen: Gerade einmal 95 Quadratmeter groß war der zuvor an dieser Stelle befindliche Schnellimbiss.

Am Anfang stand ein Bild: Das abstrakte Kunstwerk war für das „Schlicht. Esslokal“ gesetzt – die Gästeplätze gruppieren sich drumherum. Foto: Liberty Visuals
zweiheit

Das „Schlicht“ ist ein Unikum in vielerlei Hinsicht. Es öffnet alle zwei Wochen – an Donnerstagen als Weinbar mit Reservierungen und für spontane Gäste, an Freitagen und Samstagen ausschließlich mit Reservierungen für ein Acht-Gänge-Menü.

Solch ein spezielles Restaurant verlangt nach einer außergewöhnlichen Gestaltung – und die hat Calina Hohberg vom Koblenzer Innenarchitekturbüro Zweiheit per Zufall angetragen bekommen. Oder genauer: durch einen Regenguss. Dieser ereilte Hohberg beim Besuch des Koblenzer Augusta-Festes – sie wartete am Stand des „Schlicht“-Teams, man kam ins Gespräch. Aus dem Plausch über die gerade angemietete Schnellimbiss-Immobilie wurde nach einiger Zeit der Auftrag an Zweiheit, dessen Transformation zu einem Raum für gehobene Gastronomie zu übernehmen.

In die Heimat zurückgekehrt

Calina Hohberg stammt aus Koblenz und ist gemeinsam mit ihrem Ehe- und Geschäftspartner Per Hohberg nach einigen Jahren an anderen Standorten, zuletzt in Stuttgart, vor fünf Jahren zurückgekehrt. Also genau rechtzeitig, um als junges Innenarchitekturbüro die volle Breitseite von Corona und weltweiten Krisen abzubekommen.

Trotzdem haben sich beide bereits ein gutes Netzwerk in und um Koblenz erarbeitet, in der Stadt selbst haben sie beispielsweise mehrere Umgestaltungen für die alteingesessene Buchhandlung Reuffel (eine neue Abteilung für New Adult Literatur und den „Bazaar of Wunderbar“ in der Altstadt) übernommen. Ihr Portfolio reicht von großen Office-Projekten bis zum Umgestaltungswunsch für das private Homeoffice – und mit dem „Schlicht“ eben auch in die Gastronomie.

Besonders glücklich ist Calina Hohberg, dass es auf dem begrenzten Platz gelungen ist, die Sichtbeziehungen zwischen den Gästeplätzen und dem offenen Küchenbereich so zu gestalten, dass man einander im Blick behalten kann – ohne sich dabei unangenehm auf die Pelle zu rücken. Das Anliegen, die Reaktionen der Gäste auf das Essen miterleben zu können, war ein Herzenswunsch der Köchin des „Schlicht“ gewesen.

Das Gelb des abstrakten Bildes im Zentrum des Koblenzer Restaurants „Schlicht. Esslokal“ wird noch einmal für die Damentoilette aufgegriffen – für die Herren haben die Gestalter ein selbstbewusstes Rosa gewählt, ganz passend zum gegenwärtigen Trikot der deutschen Fußballnationalmannschaft. Foto: Liberty Visuals
zweiheit

Um ein abstraktes Gemälde herum sind die Gästetische drapiert, das markante Gelb des Bildes findet sich in der ansonsten dezent-edlen Farbgestaltung noch einmal an unerwarteter Stelle. Denn auch die Damentoilette des „Schlicht“ erstrahlt in kräftigem Gelb – während die Herren am entsprechenden Örtchen, ganz passend zum aktuellen Trikot der deutschen Nationalmannschaft, in kräftigem Rosa umgeben sind.

Ein Umbau auf hohem Niveau also. Und weil die Gelegenheiten zum Erleben des „Schlicht“ so rar gesät sind, ist der Tag der Architektur eine perfekte Chance zum Kennenlernen – am Samstag von 14 bis 18 Uhr, flankiert mit Grüßen aus der Küche.

Einmal im Jahr auf den Stand aktuellen Bauens bringen
Am kommenden Wochenende ist es wieder so weit: Der „Tag der Architektur“ lädt unter dem Motto „Einfach (um)bauen“ ein, mehr über Architektur und Baukultur zu erfahren. Bundesweit begangen, gibt das Wochenende am 29. und 30. Juni in 69 Projekten in Rheinland-Pfalz die Gelegenheit, auch hinter sonst oft verschlossene Türen zu blicken und mehr über die vielfältigen Neubauten und Umgestaltungen zu erfahren. Einige Teilnehmer bieten auch ein Rahmenprogramm. Eine Übersicht aller 69 Projekte findet sich unter www.diearchitekten.org/x/tda