AKM eröffnet neue Ausstellung
Das Dunkle in all seiner Farbigkeit
Unter dem Titel "Lichte Schatten" zeigt die Arbeitsgemeinschaft bildender Künstler am Mittelrhein eine neue Ausstellung, in der neben den farbgewaltigen Blumenbildern Juliane Gottwalds (Hintergrund) auch die transparenten Pergamentgebilde Nikolaus Werners zu finden sind.
Stefan Schalles

„Selbst da, wo es dunkel scheint, ist immer auch Licht“, sagt AKM-Mitglied Sophia Pechau und setzt damit gleich den Ton dieser Ausstellung. In Koblenz spürt die Künstlervereinigung „lichten Schatten“ nach – und zeigt sich dabei überraschend bunt.

Man könnte in „Lichte Schatten“ ohne viel Fantasie eine Anspielung erkennen auf die fragile Weltlage, den Titel als Sinnbild begreifen für schwelende Konflikte, gesellschaftliche Verwerfungen, vielleicht auch für verbliebene Hoffnungen, doch: Politisch ist die hiermit überschriebene Ausstellung der Arbeitsgemeinschaft bildender Künstler am Mittelrhein (AKM) keineswegs – und dem Besucher entfährt unweigerlich ein „Gut so“, weil es eben gerade dieser Tage überaus wohltuend erscheint, die bewegte Welt einmal abzustreifen und sich hinter schützenden Wänden eine Auszeit zu genehmigen.

Nein, „Lichte Schatten“ ist in dieser Werkschau nicht metaphorisch gemeint, sondern wörtlich, nimmt Bezug auf die wesentlichen Bestandteile des Visuellen, auf die „Grundlage jeder Wahrnehmung“, wie AKM-Mitglied Sophia Pechau erklärt, und damit zugleich auch auf „den wichtigsten Sinn“ jedes Künstlers. Wobei es gerade das Spiel mit dem (vermeintlich) Gegensätzlichen ist, das nun auch den in Koblenz gezeigten Werken ihren Reiz verleiht. Denn: „Lichte Schatten“, erklärt Pechau, „ergeben sich dort, wo helles Licht gebrochen wird, doch das Ergebnis ist nie nur hell oder dunkel, sondern voller Nuancen. Und selbst da, wo es dunkel scheint, ist immer auch Licht.“

Stille Zeugen der Materie

Eine Theorie, die sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung zieht, in dieser von den 13 beteiligten Künstlern allerdings ganz unterschiedlich aufgegriffen – und umgesetzt wird. Antje Fuß etwa versammelt in ihren Acrylmalereien Alltagsmotive auf der Leinwand, zeigt Stühle, Waschbecken oder Tischlampen, die auf den Bildern – natürlich – Schatten werfen, hinter einem Schleier verwischter Farbflächen jedoch in Teilen bereits in Auflösung begriffen sind. Und auf diese Weise gewissermaßen eins werden mit ihren verzerrten Ebenbildern, zu denen die Künstlerin anmerkt: „Schatten verbinden für mich die formlose mit der materiellen Welt. Sie sind Zeugen von Materie, die immer unterwegs sind zwischen ihrer Entstehung und Auflösung.“

Wodurch sie folglich gleichermaßen zwischen Grenzen wandeln wie jene „Pflanzenschattenzeichnungen“, die Antje Fuß Strich für Strich mit unterschiedlichen Bleistiften aufträgt, bis von der fotografischen Vorlage nur noch eine flirrende Komposition von Konturen bleibt, Andeutungen von Details, die als Ganzes kaum mehr rekonstruierbar sind.

Antje Fuß ist im Haus Metternich unter anderem mit ihren Acrylmalereien von Alltagsmotiven vertreten, die in einer leer stehenden Fabrikhalle entstanden sind.
Stefan Schalles

Im Ergebnis unterscheiden sich diese Arbeiten somit deutlich von denen Sibylle Brennbergers, die sich zwar ebenfalls von (Schwarz-Weiß-)Fotografien inspirieren lässt, genau genommen von Stereoskopien – Aufnahmen also, bei denen durch Überlagerung ein Eindruck von Tiefe entsteht –, diese allerdings nur marginal verändert, den Skifahrer beispielsweise erst nah am Original in idyllischer Winterlandschaft zeigt, um ihn nebenstehend durch feine Schraffierungen in dichtes Schneegestöber zu hüllen.

Einen gänzlich anderen Ansatz verfolgen derweil Ruth Siegmund und Nikolaus Werner, die sich der Thematik über das Plastische nähern: Erstgenannte, erklärt Sophia Pechau, „trägt Pappmaschee auf der Fläche auf, bearbeitet diese anschließend mit Pigmenten oder Tusche und verstärkt dadurch die Strukturen, die sich in der Folge von hell zu dunkel beziehungsweise von Licht zu Schatten entwickeln“. Nikolaus Werner hingegen hat im ersten Stockwerk großflächige, bei jedem Windzug schwingende Pergamentgebilde aufgespannt, die in aufwendiger Fleißarbeit mit senkrechten und waagerechten Farbbahnen verziert wurden. Drei ambivalent anmutende Werke, die sich in Teilen gegenseitig verdecken, im Zusammenspiel mit dem (künstlichen) Licht mal Schatten werfen, dann wieder in ihrer Transparenz verstärkt werden – und mit „Ich suche meine Seele“ oder „Ja ist Nein und Nein ist Ja“ ganz treffend betitelt sind.

Mit der Haut als Symbol für Identität und Prägung beschäftigt sich Cornelia Rößler bereits seit Längerem. In der AKM-Schau zeigt sie nun etwa diese auf T-Shirts gedruckten Nahaufnahmen. Im Hintergrund sind die oft im Stil von Stillleben arrangierten Malereien Karl Willems' zu sehen.
Stefan Schalles

Was spätestens an dieser Stelle deutlich wird: Die Ausstellung lebt – wie jede gute – vor allem von ihrer Vielfalt, von divergierenden Perspektiven innerhalb des thematischen Rahmens, den nicht zuletzt auch Katrin Nicklas mit ihren Arbeiten bereichert: Als eine von sechs Gastkünstlerinnen betreibt die Mainzerin in ihren „Cut outs“ so etwas wie kreatives Recycling, arrangiert aus Papierfragmenten älterer Arbeiten neue Bildkompositionen, strukturiert diese in einem zweiten Schritt mithilfe von Acrylfarben und lässt sich im Entstehungsprozess stets inspirieren von architektonischen Motiven.

Wobei auch Naturgegebenes spannende Ansichten liefert, wie Cornelia Rößler im Haus Metternich sehr eindringlich unter Beweis stellt. Die AKM-Künstlerin wartet in der Ausstellung mit einer geheimnisvollen Truhe auf, zwischen deren hölzernen Wänden sich – von unten angestrahlt – eine Nahaufnahme menschlicher Haut ausbreitet. Gleich daneben dann ganz ähnliche Motive, hier allerdings auf T-Shirts gedruckt und am Kleiderständer aufgereiht. Eine Sammlung befremdlicher Erscheinungen, die ihr Wesen erst bei genauerer Betrachtung preisgeben, voller Konturen stecken, gezeichnet sind von Lebensspuren. Feine Schattierungen? Lassen sich auch hier erkennen, vielleicht sogar Schattenseiten, schließlich inszeniert Rößler die Haut nicht nur als Bindeglied zwischen Innerem und Außenwelt, sondern auch als Anregung zum Nachdenken: über Vergangenes, Identität und unsere persönliche Prägung.

Aschermittwoch der Künstler

Die Ausstellung wird zum Aschermittwoch der Künstler eröffnet, der unter dem Motto „Lichtverhältnisse“ am 5. März um 10 Uhr in der Koblenzer Herz-Jesu-Kirche startet. Gestaltet wird er von Mitgliedern des Opernchors und des Schauspielensembles am Theater Koblenz, des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie, der Musikschule und des Jugendtheaters Koblenz, des Jugendkammerchors der Singschule Koblenz sowie von Dekanatskantor Joachim Aßmann an der Orgel. Der Künstler Helmut Frerick präsentiert in der Kirche zudem Zeichnungen und Skulpturen zum Thema „Lichtstücke“. Zelebranten sind Superintendent Rolf Stahl von der evangelischen und Dekan Thomas Darscheid von der katholischen Kirche. Im Anschluss an den Gottesdienst wird im Künstlerhaus Metternich dann um 12 Uhr die AKM-Ausstellung eröffnet. Sie ist dort in der Folge bis zum 30. März zu sehen. Weitere Infos auch unter www.akm-koblenz.de