Schau im Mittelrhein-Museum
Blick auf die Gegenwart, Appell für die Zukunft
In der Ausstellung "Ankäufe. Schenkungen. Leihgaben" zeigt das Koblenzer Mittelrhein-Museum zeitgenössische Positionen von 14 Künstlern, darunter auch Titus Lerner mit seiner Skulptur "Der Aufsteiger" und Robert Schneider mit seinem Triptychon "Schädel 1-3".
Stefan Schalles

Alte Kunst? Gibt es zuhauf in der Sammlung des Mittelrhein-Museums. Aber eben auch jüngere Werke, die nun in einer neuen Schau vorgestellt werden. Warum es den Bürger braucht, um solche Präsentationen auch in Zukunft gewährleisten zu können.

Aktualisiert am 20. Februar 2025 13:10 Uhr

Wer durch die Dauerausstellung des Koblenzer Mittelrhein-Museums (MRM) streift, findet dort am Ende des Zeitstrahls, im Raum für gegenstandslose Kunst, Positionen aus den 1960er-Jahren. Ein bisschen rückständig, könnte man meinen – und das vielen Museen anhaftende Klischee des Altmodischen bestätigt sehen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: „Die städtische Sammlung wurde seit ihrer Gründung 1835 immer auch aus zeitgenössischen Positionen gespeist – und daran hat sich bis heute nichts geändert“, erklärt MRM-Direktor Matthias von der Bank mit Blick auf eine neue Kabinettausstellung, in der nun eben diese jüngeren Vertreter im Werkbestand ins Rampenlicht gerückt werden sollen.

Der dabei gebotene Anblick allerdings ist trotz alledem ein seltener: Weil in der Dauerausstellung aufgrund räumlicher Beschränkungen nur wenige zeitgenössische Arbeiten Platz finden, einerseits. Andererseits aber auch, da sich der von Matthias von der Bank formulierte Auftrag in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend schwieriger gestaltet, denn: „Wir leben zwar davon, stetig neue Positionen aus der Region zu sammeln“, sagt er, „und außer uns wird diese Aufgabe auch niemand übernehmen. Zugleich aber ist der hierfür zur Verfügung gestellte Ankaufsetat der Stadt seit 1993 immer weiter zurückgeschraubt worden und liegt seit 2009 bei 0 Euro.“

Sammlung mit Leerstellen

In Sachen Neuerwerbungen, ergänzt der Museumschef, sei man vor diesem Hintergrund schon lange auf die Förderung durch Drittmittel angewiesen. Die daraus erwachsenden Folgen für die Sammlung wiederum zeigen sich nun auch in der Ausstellung, etwa an den Arbeiten Andreas Bruchhäusers, der im Mittelrhein-Museum mit „Gewitterstimmung I+II“ (1984) vertreten ist, zwei atmosphärischen Landschaftsporträts aus der Frühphase seines Schaffens, wohingegen sein mystisch anmutendes Gemälde „Rhein bei Koblenz“ schon auf das Jahr 2010 datiert.

Oder – als weiteres Beispiel – bei Titus Lerner, von dem neben einer charakteristisch agilen Bronzeskulptur auch drei dystopische Kaltnadelradierungen (alle 1982) zu sehen sind, die sich in ihrem tristen Schwarz-Weiß allerdings erheblich von jener Farbenpracht unterscheiden, mit der der gebürtige Westerwälder seine Leinwände heutzutage gestaltet.

Zu sehen ist in der Ausstellung auch Eva Maria Enders' "Makuladystopie" (2022).
Thomas Hardy/MRM. VG Bild-Kunst, Bonn 2025/Eva Maria Enders

„Wir wollen in der Sammlung natürlich auch dokumentieren, wie sich die Arbeit eines Künstlers über die Zeit verändert hat“, erklärt von der Bank hierzu, verweist im nächsten Satz aber auch gleich auf die „zeitlichen Lücken“ zwischen den einzelnen Positionen, „die unsere begrenzten Möglichkeiten widerspiegeln, bei der Werkentwicklung durch Ankäufe kontinuierlich am Ball zu bleiben.“ Geschlossen werden, so der Direktor, könnten diese Leerstellen heute nur noch über Schenkungen und Leihgaben von Künstlern oder Privatpersonen, zu einem ganz wesentlichen Teil auch durch das Engagement des Vereins der Freundinnen und Freunde des Mittelrhein-Museums und des Ludwig Museums zu Koblenz, der immer wieder zeitgenössische Werke für die beiden städtischen Ausstellungshäuser erwerbe.

Weshalb die MRM-Schau schließlich auch nach eben diesem existenzsichernden Dreiklang benannt ist: „Ankäufe. Schenkungen. Leihgaben“ lautet der Titel, hinter dessen technokratisch angestrichener Fassade es viel Spannendes zu entdecken gibt: Robert Schneiders Triptychon „Schädel 1-3“ (2012) etwa, auf dem der Maler die titelgebenden Skelettfragmente von Tieren mal halb versunken im kargen Erdboden darstellt, mal umringt von Verpackungsresten und Plastikflaschen. Drei bedrückend düstere Bilder, in denen die Folgen menschlicher Maßlosigkeit schonungslos vor Augen treten, Gemälde, erfüllt von weitsichtiger Zivilisationskritik, die heute noch aktueller scheint als damals.

Zwischen Zukunftsangst und historischen Tüchern

Was so auch auf die Fotocollage Firouzeh Görgen-Ossoulis zutrifft, in der die deutsch-iranische Künstlerin bereits 2020 ihre Angst vor dem (weiteren) Erstarken der AfD zum Ausdruck brachte: Auf besagtem Werk liegt das Koblenzer Schloss unter giftgrünem Himmel, der prachtvolle Portikus ist mit Parteifahnen bestückt, unmittelbar davor eine gesichtslose Masse, deren Ausbreitung zur Innenstadt hin begrenzt wird von einer Thingstätte, wie sie in den 1930er-Jahren auch die NSDAP für ihre Kundgebungen nutzte.

Wobei es nicht nur politisch zugeht in dieser Schau, unter den ausgestellten Arbeiten zum Beispiel auch eine Miniatur von Martine Andernachs „Gestreckte Figur“ zu finden ist, jene abstrakte Cortenstahlskulptur, die seit 1997 vor dem Eingangsbereich der EPG-Arena (ehemals CGM-Arena) auf dem Oberwerth residiert. Oder das „Koblenzer Tuch“ (2008) von Susanne Krell, auf dem die Künstlerin Abriebe jener Orte gesammelt hat, die die städtische Sammlung in ihrer 190-jährigen Geschichte bereits beherbergt haben.

In ihrer Frottage „Bogen. Koblenzer Tuch" (hier ein Ausschnitt) hat Susanne Krell Abdrücke der zehn Orte gesammelt, an denen die Städtische Sammlung bereits beheimatet war.
Thomas Hardy/MRM. VG Bild-Kunst, Bonn 2025/Susanne Krell

Ganz unterschiedliche Arbeiten also, denen am Ende lediglich gemein ist, dass sie nach 1980 vollendet wurden – und dem MRM auf diese Weise rückhaltlos bescheinigen, keineswegs nur alte Kunst zu sammeln, den kreativen Fundus vielmehr am Puls der Zeit zu entwickeln – entgegen allen Widrigkeiten. Wenngleich Co-Kuratorin Nora Löhr aus eben diesem Umstand auch einen Appell ableitet, wenn sie sagt: „Wir sammeln die Werke letztlich im Auftrag der Bürgerschaft – genau genommen gehört also jedem Koblenzer ein Teil davon –, aber um dieser Aufgabe nachkommen zu können, brauchen wir auch die Unterstützung der Bürger.“

Der Verein der Museumsfreunde etwa werde nur dann in der Lage sein, seine Förderung aufrecht zu erhalten, wenn genügend (junge) Mitglieder nachrückten. Eine zwingend notwendige Voraussetzung für dieses wichtige gesellschaftliche Engagement, dessen Ausbleiben MRM-Direktor von der Bank auf eine simple Formel reduziert: „Wenn sich die Bürger hierfür in Zukunft nicht mehr interessieren“, sagt er, „sieht es auch für die Sammlung schlecht aus.“

Die Ausstellung wird an diesem Freitag, 21. Februar, um 19 Uhr eröffnet und ist im Mittelrhein-Museum bis zum 1. Juni zu sehen. Weitere Infos – auch zum Begleitprogramm – gibt’s online unter www.mittelrhein-museum.de. Wer mehr über die Arbeit der Museumsfreunde erfahren möchte, wird zudem hier fündig: www.freundeskreis-museen-koblenz.de