Musikgeschichte erleben
Auf musikalischer Zeitreise in Lahnstein
Eigentümer der Villa Tastada ist der Chordirektor und Koblenzer Dekanatskantor Peter Stilger, der im großen Jugendstil-Salon der Villa unterrichtet, Hauskonzerte veranstaltet und immer wieder auch Interessierte mit auf eine Reise durch die Geschichte der Tasteninstrumente nimmt.
Claus Ambrosius

In der Villa Tastada erweckt Dekanatskantor Peter Stilger Instrumentengeschichte aus mehreren Jahrhunderten zum Leben.

118 Jahre alt ist die stolze Lahnsteiner Villa, die heute das Privatmuseum Villa Tastada beheimatet. Dessen Schätze, Dutzende alter Tasteninstrumente verschiedenster Gattungen, sind teils noch weit älter: Spinett, Cembalo, Harmonium und Co. stehen im prachtvollen Jugendstil-Salon versammelt, Dutzende musikalischer Zeitzeugen, die der Koblenzer Dekanatskantor Peter Stilger hier versammelt hat.

Hinter jedem der Instrumente steht eine besondere Geschichte, mal mit bürgerlichen Zeitgenossen, mal mit historischen Adligen verbunden – und man wünschte sich, sie könnten berichten aus den vergangenen Jahrhunderten. Etwa von ihrer Zeit als leicht zu transportierendes Feldharmonium, das auch zur Gottesdienstbegleitung in Kriegszeiten genutzt werden konnte. Oder von Klavierabendenden der „Sisi“-Schwester Sophie Charlotte in Bayern, der Kurzzeitverlobten des „Märchenkönigs“ Ludwig II. von Bayern. Belegt ist, dass die Herzogin dem „Kini“ auf dem Klavier vorspielte, sicherlich Musik des von Ludwig besonders verehrten Richard Wagner. Und eben jenes Klavier hat seinen Weg über einige Umwege nach Lahnstein gemacht – in die Villa Tastada.

In der Bahnhofstraße in Lahnstein findet sich die 1907 erbaute, prachtvolle Jugendstilvilla, in der das private Museum Villa Tastada seine Heimat gefunden hat.
Claus Ambrosius

Was die Instrumente selbst nicht erzählen können: Peter Stilger, 1965 im Rheingau geboren, der seine an der Musikakademie in Wiesbaden begonnene Ausbildung unter anderem an der Kölner Musikhochschule fortgesetzt hat, kann es umso besser. Wer den L-förmigen Parcours im Musiksaal der Villa Tastada absolviert, wird über Stunden bestens unterhalten – und mit Wissenswertem versorgt.

Das beginnt bei der Villa selbst, die Stilger vor 15 Jahren erworben hat: Sie war als „Villa Dahlem“ bekannt, benannt nach ihrem Erbauer, dem Reichstagsabgeordneten Anton Dahlem. Sie trägt die Züge eines in Koblenz recht beliebten Stilmixes des ausgehenden Jugendstils mit dem Historismus. Stilger ist erst der dritte Besitzer der Villa und hat diese von einem Architekten übernommen – der diese, wie der Chorleiter und Dekanatskantor berichtet, glücklicherweise zwar gut instand gehalten, aber baulich nicht wesentlich verändert habe. So ist etwa im Prunkstück des Hauses, dem großen Salon, noch fast alles beinahe unverändert erhalten – noch dazu gibt er den Blick frei auf den riesigen, parkähnlichen Hanggarten, der schon allein für sich eine Attraktion ist.

Eine weithin außergewöhnliche Sammlung

Vor allem aber ist der Salon eine der besten Adressen für Freunde historischer Musikinstrumente des Landes: Seit dem Tod des berühmten Musikers und Instrumentensammlers Rudolf Ewerhart steht die Villa Tastada mit ihren Schätzen ziemlich allein auf weiter Flur. Ewerhart (1928–2022), den Peter Stilger als großes Vorbild bezeichnet, hatte in seinem Burghaus in Wassenach am Laacher See beinahe 150 historische Tasteninstrumente ausgestellt – eine Prachtsammlung, die leider nach seinem Tod komplett versteigert wurde.

Die Preise bei dieser Auktion, so erinnert sich Stilger, gingen damals in zumeist unerschwingliche Höhen. Und das muss nicht sein, wie er selbst am allerbesten weiß, etwa auch vom Tafelklavier der Herzogin Sophie Charlotte. Es war das erste seiner Sammlung, er war per Zufall auf das gute Stück gestoßen, das aus Schloss Possenhofen über Nachfahren am Starnberger See zum örtlichen Antiquitätenhändler gelangt war – wo Stilger es im Urlaub im Schaufenster erblickte.

Regelmäßige Hauskonzerte

Oftmals sind es Erben, die ihn kontaktieren, weil sie nicht wissen, was sie mit einem Nachlass anfangen sollen – und froh sind, wenn ein altes Instrument eine sinnvolle Nutzung findet. Und das tut es in der Villa Tastada gewiss: Regelmäßig veranstaltet Stilger neben jederzeit möglichen Führungen mit musikalischen Weggefährten Konzerte, in denen unterschiedliche Instrumente zum Einsatz kommen. Nicht nur aus musealem Interesse, sondern auch zur Demonstration der Klang-, Stil- und Geschmacksentwicklungen verschiedener Epochen, wie der Musiker betont, dem die historisch informierte Aufführungspraxis wichtig ist.

Etwa, um beim herzoglichen Tafelklavier zu bleiben, im Klangeindruck: Für die Zeit des Märchenkönigs war nicht nur, aber besonders von Richard Wagner, kräftiger und durchklingender Klang gefragt. Und genau diese Entwicklung ist auch beim Vorspielen und Erklären der verschiedenen Tasteninstrumente zu erleben: Ausgehend von Cembalo und Spinett, bei denen die Saiten beim Anschlag der Tasten von Kielen gezupft wurden, bis hin zum vehementeren Klang bei den weiteren Entwicklungsschritten bis zum modernen Klavier, bei dem der Hammer die Saiten kräftig anschlägt und ganz andere Lautstärken erzeugt.

Ein zierliches Schmuckstück der Sammlung der Villa Tastada: ein Feldharmonium der Firma Lindholm. Instrumente dieser Bauart waren leicht zu transportieren und konnten so auch bei militärischen Feldgottesdiensten Verwendung finden.
Claus Ambrosius

Neben der Klavierfamilie hat Stilger einen Schwerpunkt auf ein Instrument gelegt, das für viele Menschen ausschließlich für Kirchenmusik in kleinen Räumen steht: das Harmonium, Eine ganze Reihe solcher Instrumente unterschiedlicher Bauarten und aus vielen Ländern hält seine Sammlung spielbereit vor. Er hält das Harmonium für das „kurioseste Instrument der Musikgeschichte“, das einen kometenhaften Aufstieg im 19. Jahrhundert erlebte – bis man festgestellt habe, dass das Harmonium ja so ähnlich wie eine Orgel klinge. Dadurch habe sich das Harmonium in den Kirchen angesiedelt – allein schon deshalb, weil es beim Einsatz in kleineren Kirchenkapellen eben viel billiger als eine Pfeifenorgel war. Aus diesem Grund hätten die großen Komponisten, die das Instrument vorher hoch schätzten, Abstand vom Harmonium genommen, das auf einmal abfällig als „Psalmenquetsche“ oder „Hallelujapumpe“ abgekanzelt wurde.

So endete das Zeitalter des Harmoniums mit dem Ende einer industriellen Fertigung – nur noch sein handlicher indischer „Urenkel“, dessen Vorbilder mit den christlichen Missionaren ins Land gekommen und dort für die örtlichen Gegebenheiten adaptiert wurde, wird heute noch in großen Stückzahlen produziert. Ehrensache, dass in der Villa Tastada neben den vielen Urahnen auch einer dieser indischen Nachfahren zu erleben ist.

Informationen zu künftigen Konzerten und zum Museumsbesuch unter www.villa-tastada.de