Das Spiel mit Farben ist immer auch ein Spiel mit dem Licht. Noch vor dem Eingang zur Kunstkammer folgt eine Lichtinstallation der Farbenlehre Goethes, strahlen aus Bodenleuchtern Grundfarben ab, die sich an der Decke zu anderen Farben mischen. Im Entree der Ausstellung selbst orchestrieren Werke aus diversen Zeitaltern eine Ouvertüre von Farb- und Lichtwirkungen.
Entdecken und lernen
Da wird eine große, monochrom in kräftigem Orange glänzende Polyesterskulptur Thomas Rentmeisters umspielt von den Stillleben Eduard Vuillards und Georges Lemmens aus dem 19. Jahrhundert, von Maurice de Vlamincks „Fauvistischer Landschaft bei Chatou“, aus den frühen und geometrischen Farbflächen Ulrich Erbens aus dem späten 20. Jahrhundert. Da bietet die Hängung den direkten Vergleich zwischen der Himmelsgestaltung in Aert van der Neers „Feuerbrunst in einem Schloss“ von 1650 und Philippe Gérards „Landschaft“ von 1964: Hier wird mit orangefarbenem Feuerschein und wild dräuendem grau-weißen Gewölk dramatisches Menschentun illustriert, dort mit orangefarbenem Abendlicht und ähnlicher Wolkengestaltung dramatisches Naturwirken porträtiert. Vergleichs- und Kontrasthängungen quer durch die Epochen sind eines der Wesensmerkmale der von Susanne Blöcker kuratierten Präsentation. Und das ist eine feine Sache auch für Kunstlaien, spricht sie doch auf vielfach ästhetische Weise nicht zuletzt die Entdecker- und Lernlust des Betrachters an.
Kirchenmalerische Motive aus dem 15./16. Jahrhundert zeugen vom damals festgeschriebenen Bedeutungskanon der Farben. So ist die Himmelsfarbe Blau Maria vorbehalten; das Purpurrot der Kraft, Macht und Auserwähltheit gebührt erst Christus und den Heiligen allein, später beanspruchen es auch Könige und Fürsten für sich. Mit der Fortentwicklung der schichtweisen Ölmalerei seit Jan van Eyck dringen die Künstler in Raumtiefen des jetzt nicht einfach mehr formlos goldenen Hintergrunds vor. Die Himmelsgefilde beleben sich blau, weiß, grau; das Wechselspiel von Licht und Schatten hält erst in sakral überhöhter, schließlich mehr und mehr natürlicher Form Einzug. Van Goyens „Gewitter“ nimmt schon 1637 das romantische Bild von kleinen Menschen inmitten gewaltig entfesselter Natur vorweg, während Èugene Boudin Mitte des 19. Jahrhunderts in deren Schönheiten sowie in der Behaglichkeit der bürgerlichen Strandgesellschaft schwelgt.
Fast zeitgleich arbeitet sich Claude Monet – in der Ausstellung mit drei Gemälden vertreten – von der Nutzung der Farben zur Abbildung der Natur vor zu ihrem Einsatz für die Fixierung des eben subjektiv erlebten Naturmoments. Von dort ist es nur noch ein kleiner Schritt zur völligen Emanzipation der Farben von ihrer Funktion als Instrument der Darstellung.
Symbolische Bedeutung
Beinahe zeitgleich mit ihrer Vervielfachung durch die Erfindung synthetischer Pigmente lösen sich die Farben – wie in Rolandseck an den Arbeiten etwa der „wilden“ Franzosen Vlamick, Dufy, Derain zu sehen ist – im 20. Jahrhundert zusehends vom Gegenstand und werden schließlich bei Staudt, Erben oder K.O. Götz selbst zum Bildinhalt.
Die symbolischen Bedeutungen der Farben haben sich über die Jahrhunderte teils gewandelt, sind aber keineswegs verschwunden. Besonders deutlich machen das in der Kunstkammer Rau versammelte Werke mit Blumenthemen. Tiepolos Gemälde einer hübschen, jungen, lächelnden Frau mit einem Gesteck aus gelben, weißen, roten, blauen Blumen auf dem Kopf verstehen wir noch immer problemlos als Verbindung aus Frühlingserwachen mit Unschuld (weiß), Treue (blau), Liebe (rot).Und wenn in Renoirs „Dame mit Rose“ der Kontrast von blassem Teint, angeröteten Wangen und kräftig roten Lippen nebst roter Blume im Haar aus dunklem Umfeld sticht, dann begreifen auch wir Heutigen das noch immer sofort als Ausdruck sehnsuchtsvoller Liebe.
Die Ausstellung „Rausch der Farbe. Von Tiepolo bis K. O. Götz“ ist bis zum 29. Juli zu sehen. Weitere Infos: www.arpmuseum.org