Sein Abschied vom Tanz erfolgt scheibchenweise, aber unausweichlich: Nach der letzten Vorstellung des „Dornröschen“-Balletts im Großen Haus des Koblenzer Theaters wurde Arek Glebocki eigentlich schon vor Wochen mit viel Applaus, Abschiedsgrüßen und Blumen öffentlich verabschiedet. Dabei ist erst am Samstag sein letzter Arbeitstag als Tänzer am Theater Koblenz – mit der Produktion „Lieder und Tänze vom Meer“ in der Florinskirche. Der Abend markiert das Ende einer 19 Jahre langen professionellen Tänzerkarriere – aber auch den Beginn einer neuen Laufbahn. Aber der Reihe nach.
Bewegung gehörte immer schon dazu
Am Anfang stand Bewegung. Viel Bewegung. „Ich habe in der Schule bei Theaterstücken mitgespielt“, erinnert sich Glebocki im Gespräch mit unserer Zeitung. Das Feedback der Lehrer: „Warum versuchst du es nicht einmal mit Tanz?“ Denn: „Ich konnte einfach nicht still bleiben auf der Bühne.“ Stillstand gehörte nicht zu seinen Qualitäten – schließlich hatte er schon früh eine sportliche Laufbahn eingeschlagen, allerdings als Fußballspieler.
Der Vorschlag, es einmal mit Tanz zu versuchen, gefiel dem vor 38 Jahren im polnischen Wroclaw (Breslau) geborenen Jungen – und da der Rat von den Lehrern kam, waren auch die zunächst skeptischen Eltern dazu bereit, den Plan zu unterstützen. „Aber sie zahlten erstmal nur für einen Monat“, erzählt Glebocki lachend. Und fügt einen überzeugenden Grund dazu, der die Tanzstunden besonders attraktiv machte: „Ich war einer von ganz wenigen Jungs unter vielen Mädchen – das war für mich damals natürlich spannend.“
Vor Grundsatzentscheidung gestellt
So fing es zunächst in seiner Geburtsstadt an mit dem Tanz, entwickelte sich aber bald schon weiter. Denn beim Tanz hatte er einen guten neuen, bald besten Freund kennengelernt, der ihm vorschlug, es gemeinsam an der renommierten Ballettschule im rund 160 Kilometer entfernten Poznan (Posen) zu versuchen. Es wurde zu einer Grundsatzentscheidung, denn gleichzeitig eröffnete sich beim Fußball die Chance, in höheren Klassen mitzuspielen. Also griff der jugendliche Tanzeleve beherzt zum Telefon, ohne vorher mit den Eltern zu reden, und vereinbarte ein Vortanzen in Poznan. Mit bekanntem Ergebnis, das ihn über die Ausbildung zum Karrierebeginn am Theater Nordhausen führte.
Die Nordhausener Compagnie verpflichtete zu jener Zeit einen Gastchoreografen, der für Arek Glebocki eine wichtige Rolle spielen sollte: Steffen Fuchs. Dieser wurde wenige Jahre später Ballettchef in Koblenz – und klopfte in Nordhausen an, ob sich Glebocki den Wechsel vorstellen könnte. Seitdem ist er in Koblenz eine feste Größe des Ensembles, fällt immer wieder auf als charakterstarker Gestalter – und mit seiner besonders athletischen Präsenz.
Dass sein komplettes Spektrum ausgerechnet auf der Zielgeraden der Karriere noch einmal abgerufen werden würde, war eigentlich nicht geplant: Steffen Fuchs hatte ihn in dieser Saison als König in „Dornröschen“ besetzt – eine wichtige, hier teils auch humorig grundierte Rolle, die einem Abschied mehr als würdig ist. Doch durch die Erkrankung eines Kollegen kam dann noch der Don José in Fuchs' „Carmen“-Ballett hinzu – eine knallharte, konditionsfordernde Hauptrolle. „Ich bin froh, dass ich das so hinbekommen habe“, sagt Glebocki im Rückblick. Wie er überhaupt glücklich ist, abgesehen von berufstypischen Verschleißerscheinungen nach 19 Jahren Tanz vergleichsweise gesund die Bühne verlassen zu können.
NIchtstun ist nicht geplant
Wobei keinesfalls ab Sonntag Nichtstun angesagt sein wird – dafür sorgt schon sein Privatleben: Im „Dornröschen“ stand Clara Jörgens als seine Tochter Aurora auf der Bühne, im wahren Leben ist die Tänzerin der Koblenzer Compagnie mit Glebocki verheiratet. Und zu hundert Prozent dafür verantwortlich, wie er erzählt, dass beide gemeinsam fit bleiben wollen. Glücklicherweise ist auf seinen seit jeher bestehenden Bewegungsdrang Verlass: „Einmal am Tag muss ich schwitzen, also mache ich mir keine Sorgen.“
Für seine berufliche Zukunft hat er indes schon gesorgt: Seit Nordhausener Zeiten hatte Glebocki mit Fotografie experimentiert – und aus dem Hobby zunächst eine Leidenschaft und dann ein zweites kreatives Standbein gemacht. Schon vor Jahren wurde er in die Arbeitsgruppe rheinland-pfälzischer Künstler (ARK) berufen und wirkte bei mehreren Ausstellungen mit. Seine künstlerischen Fotografien waren anfangs stark vom Tanz beeinflusst. Zu diesen und anderen freien Arbeiten, für die er seit vielen Jahren Ideen in einem Notizbuch festhält, kamen noch Theater- und Porträtfotografie.
Was seine Theaterfotos augenfällig auszeichnet – das Gespür für den richtigen Moment und die Gesamtkomposition –, sieht Glebocki nicht nur als Talent an, sondern als etwas, was er als Tänzer über Jahre erlernen musste: Zum Ersten, weil er in der Sparte Tanz genau wisse, wie einmal begonnene Bewegungen im (neo)klassischen Ballett weiter- und zu Ende gehen. Auch sei er darauf trainiert, sich umfangreiche Choreografien rasch zu merken – und könne so gut Höhepunkte und lohnende Bildmotive memorieren. Und, ganz wichtig: Wer als Tänzer gelernt habe, den eigenen Körper im Zusammenspiel mit Licht, Kostümen und Bühnenbild im dreidimensionalen Raum zu bewegen, müsse automatisch eine gute Auffassung für die Gesamtsituation entwickeln.
Eindrucksvolle Porträtserie
Das gewisse Etwas seiner Porträtfotos hat sich – nach ersten Aufträgen im Freundes- und Kollegenkreis – herumgesprochen, und es blieb auch im Theater nicht unbemerkt. Und so hat Glebocki unter anderem ein Projekt umgesetzt, das alltäglich klingt, aber doch besonders gelungen ist: Für die Internetseite des Theaters waren alle Mitarbeitenden neu zu porträtieren. Arek Glebocki machte daraus eine eindrucksvolle Porträtserie mit starker eigener Handschrift, bei der an den offenen Blicken der Fotografierten die geschickte Führung durch den Fotografen abzulesen ist.
Und bei diesem Projekt bleibt es nicht: Arek Glebocki wird auch weiterhin für das Theater Koblenz arbeiten – aber nicht mehr auf der Bühne und als Balletttänzer, sondern hinter den Kulissen, zuständig für Fotografie und Video. Eine neue Aufgabe für den 38-Jährigen, der von sich sagt: „Als Tänzer fühle ich mich alt – aber außerhalb des Tanzes ist es ganz anders, da bin ich jung.“ Was allerdings nicht verhindern wird, dass die Erfüllung eines Herzenswunsches – nach 19 Jahren Tanz endlich wieder regelmäßig Fußball zu spielen – ihn doch zu einem „Alten Herren“ machen wird.
Mehr zum fotografischen Schaffen sich online unter www.arekglebockiphotography.com