Verdis Oper feiert 42 Jahre nach Neuenfels' Skandalinszenierung wieder Premiere in Frankfurt
„Aida“ als hartes Stück über den Krieg: Verdis Oper feiert nach langer Abstinenz Premiere in Frankfurt
Aida | Giuseppe Verdi | Premiere 3.12.2023 | Oper Frankfurt
Musikalische Leitung
 Erik Nielsen
Inszenierung
 Lydia Steier
Guanqun Yu (links) spielt in Lydia Steiers Neuinszenierung die Aida, hier neben Nicholas Brownlee in der Rolle des Amonasro. Foto: Barbara Aumüller
© Barbara Aumüller. Barbara Aumüller

1981 sorgte Hans Neuenfels‘ Inszenierung von Verdis „Aida“ für einen handfesten Skandal an der Oper Frankfurt – und verschwand anschließend für lange Zeit aus dem Spielplan. 42 Jahre später hat die US-amerikanische Regisseurin Lydia Steier das Stück in der Main-Metropole nun erstmals wieder auf die Bühne gebracht. In einer Inszenierung auf vokal hohem Niveau, die allerdings auch einige Schwächen aufweist.

Lesezeit 3 Minuten

Aida | Giuseppe Verdi | Premiere 3.12.2023 | Oper Frankfurt
Musikalische Leitung
 Erik Nielsen
Inszenierung
 Lydia Steier
Guanqun Yu (links) spielt in Lydia Steiers Neuinszenierung die Aida, hier neben Nicholas Brownlee in der Rolle des Amonasro. Foto: Barbara Aumüller
© Barbara Aumüller. Barbara Aumüller

Es gab Tumulte und sogar Bombendrohungen. Bis heute gilt Hans Neuenfels‘ Inszenierung von Giuseppe Verdis „Aida“ 1981 an der Oper Frankfurt als einer der größten Premierenskandale der Nachkriegszeit. Das verbindet sie mit dem fünf Jahre zuvor in Bayreuth erstmals gezeigten „Ring des Nibelungen“ in der Wagner-Sicht des französischen Regisseurs Patrice Chereau.

Doch während in Bayreuth schon einige Jahre später die konservative Inszenierung Peter Halls folgte, wirkte die Neuenfels-„Aida“ auch auf andere Weise nach: Auf seine Darstellung der versklavten äthiopischen Königstochter als Putzfrau, ihrer ägyptischen Rivalin Amneris als Dompteuse und des Feldherrn Radamès als biederem Anzugträger folgte in Frankfurt ganze 42 Jahre lang keine Neuinszenierung der 1871 in Kairo uraufgeführten Oper.

Im unwirtlichen Bunker verschanzt

Die US-amerikanische Regisseurin Lydia Steier jedoch wagte es nun, das Stück nach langer Pause in Frankfurt wieder zu inszenieren. Sie setzte eine feine Reverenz an den im vergangenen Jahr verstorbenen Neuenfels. Im unwirtlichen Bunker, in den sich der Königshof der offenbar schon lange Krieg führenden Ägypter verschanzt hat, putzen die äthiopischen Sklavinnen nämlich den blutigen Boden. Damit weist Steier ihrer Inszenierung zugleich den Weg als Erzählung über den Krieg: Radamès, den die Ägypter zum Anführer des nächsten Feldzugs küren, ist als Hausmeister einer der wenigen übrig gebliebenen und nicht traumatisierten jungen Menschen. Die das Sagen haben, sind Greise, die aus Rollstühlen und hinter Rollatoren zittrig die Fäuste recken, was allerdings unfreiwillig und deplatziert komisch wirkt.

Scharf geschnitten ist dagegen der Sound des Krieges, zwischen erstem und zweitem Akt minutenlang mit Granatenpfeifen und Bombeneinschlägen akustisch in den Zuschauerraum eingespielt. Die ganze Brutalität der ägyptischen Sieger schließt sich mit dem Triumphmarsch an, in dem die Goldhütchen tragende, senile und dekadente Partygesellschaft die vorgeführten Gefangenen quält, eine Abwandlung des „Russischen Roulettes“ als aktueller Verweis eingeschlossen.

Aida | Giuseppe Verdi | Premiere 3.12.2023 | Oper FrankfurtMusikalische Leitung Erik NielsenInszenierung Lydia Steier
Trägt der gestärkten Bedeutung des Ramfis mit seinem bitterfeinen Bass fundiert Rechnung: Andreas Bauer.
Barbara Aumüller

In solchen kollektiv aggressiven Darstellungen hat Steiers Regie ihre Stärken, ebenso in der Profilierung von Amneris als Sadistin, die eine der Sklavinnen, die ihre unzähligen blonden Perücken herstellen müssen, zu Tode lyncht. Doch als nach der Pause der Triumphtross abgezogen ist und die Brutalität des Geschehens auch noch mit einem Kindesopfer an die vogelköpfigen ägyptischen Götter auf die Spitze getrieben wurde, da verliert Steiers Regie stark an Intensität.

Der weite, nach oben geöffnete Bühnenraum von Katharina Schlipf, der, verstärkt von Siegfried Zollers Kostümen, an Adolf Hitlers Führerbunker in Berlin erinnert, vereitelt nun die erforderliche dramatische Dichte. Aidas Zwiespalt zwischen ihrem Vater, dem äthiopischen König Amonasro, für den sie von Radamès künftige Kriegspläne ausspioniert, das Dreieck der Protagonisten, aber auch die von Steier durchaus eindringlich gestärkte, in sich zerrissene Figur des kriegstreibenden Oberpriesters Ramfis: Die Spannungen der Figuren in sich und untereinander gehen in diesem Raum verloren, bisweilen auch musikalisch.

Guanqun Yu beendet Auftritt trotz Verletzung

Was schade ist, denn Erik Nielsen, ehemaliger Frankfurter Kapellmeister, bereitet mit dem Opern- und Museumsorchester eine zutiefst innige, oft in den Schattierungen des Leisen sich bewegende Grundierung, die in den großen Szenen mit Chor und Extrachor zwar eindrucksvoll, aber musikalisch nie plakativ wirkt.

Ein schmerzvolles Unglück geschieht, als sich die chinesische Sopranistin Guanqun Yu im zentralen Wasserbassin verletzt; Respekt, dass sie den Abend zu Ende bringt und den Schlussapplaus im Rollstuhl entgegennimmt. Ein starkes Psychogramm des Bösen gelingt Claudia Mahnke als Amneris, und der bitterfeine Bass von Andreas Bauer Kanabas trägt der gestärkten Bedeutung des Ramfis fundiert Rechnung. Als Aidas Vater Amonasro muss sich Nicholas Brownlee, hier erschossen vom auch vokal direkt und zielsicher auftretenden Radamès des Tenors Stefano La Colla, als Untoter aus dem Wasserbecken erheben – eine weitere unfreiwillig komische Ungeschicklichkeit der Regie.

„Buh“-Rufe fürs Regieteam

Kein Skandal, sondern schlicht banal ist der Liebestod, den Aida und Radamès als lebendig Eingemauerte in einem Hinterzimmer sterben. Viele „Buh“-Rufe fürs Regieteam folgen dieser zwiespältigen Neuinszenierung auf vokal hohem Niveau aber dennoch.

Weitere Infos sowie Karten und Vorstellungstermine gibt's hier.