Anfang der 1930er-Jahre hatte gegenstandslose Kunst in Paris einen schweren Stand. Neben den tonangebenden Surrealisten sahen sich Künstler wie Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp, Piet Mondrian oder Theo van Doesburg an den Rand gedrängt. Kunstkritiker wie der französisch-griechische Publizist Tériade schmähten die gegenstandslosen Kunstrichtungen als „streng dekorative Malerei“ und traten für die „figurative Bestimmung“ ein. Zugleich waren in Europa die Vorzeichen der heraufziehenden Katastrophe des Zweiten Weltkriegs zu spüren.
In dieser Situation gründete sich auf Initiative Arps und van Doesburgs 1931 in Meudon bei Paris die Künstlergruppe Abstraction-Création. In den sechs Jahren ihrer Existenz gewann sie einen Einfluss, der den Krieg überdauerte. Das Arp Museum Bahnhof Rolandseck hat dem Künstlernetzwerk nun eine Ausstellung gewidmet, die ein neues Licht auf seine Bedeutung wirft. Es handelt sich zudem um die erste umfassende Schau über dieses letzte kosmopolitische Künstlernetzwerk der Vorkriegszeit seit fast 50 Jahren.
Netzwerk vereinte unterschiedliche Strömungen
Unter dem Titel „Netzwerk Paris. Abstraction-Création 1931–1937“ präsentiert das Arp Museum nun 70 Werke von Mitgliedern der Künstlergruppe. Darunter sind Gemälde, Grafiken, Fotografien und Skulpturen von Hans Arp, Max Bill, Alexander Calder, Robert Delaunay, Theo van Doesburg, Barbara Hepworth, László Moholy-Nagy, Sophie Taeuber-Arp und Georges Vantongerloo.
„Die Künstler sahen sich mit existenziellen Nöten konfrontiert“, erklärt Kuratorin Astrid von Asten. Galerien zeigten wenig Interesse an gegenstandsloser Kunst. Zudem waren auch die unterschiedlichen Strömungen der gegenstandslosen Kunst uneins. Der Name Abstraction-Création vereinigte nun die beiden grundsätzlich verschiedenen Ausgangspunkte: einerseits die Abstraktion von Formen aus der Natur, wie sie Arps Werk verkörpert, andererseits die Kreation rein geometrischer Formen wie etwa bei Mondrian.
Die Ausstellung zeigt Beispiele beider Richtungen, wobei sie es auch ermöglicht, weniger bekannte Namen zu entdecken. Berühmt ist etwa Piet Mondrian für seine geometrischen Gemälde, auf denen schwarze Linien die Leinwand in Felder aufteilen. Weniger bekannt sind hingegen die ebenso bemerkenswerten Gemälde der britischen Malerin Marlow Moss, die im Unterschied zu Mondrian ihre Farbfelder auch durch Doppellinien voneinander abgrenzte.
Einige Mitglieder der Gruppe, die bis 1937 mehr als 90 Künstlerinnen und Künstler aus fast 20 Ländern vereinte, werden derzeit nicht nur in Remagen wiederentdeckt. So etwa die irische Malerin Mainie Jellett, die die National Gallery in Dublin derzeit in einer Doppelausstellung mit der Kubistin Evie Hone würdigt. Im Arp Museum ist eine Komposition Jelletts zu sehen, die aus abstrakten Formen einen farbintensiven Strudel formt. Eine Entdeckung ist auch Auguste Herbin, der als Mitbegründer der Abstraktion in Frankreich gilt. Seine Gemälde mit ihren farbigen, verschlungenen Formen zeigen eine ganz eigene Bildsprache, die fast an barocke Formen erinnert.
Eine zentrale Rolle spielte für das Künstlernetzwerk seine Publikation „Abstraction-Création. Art non-figuratif“. Hier konnten alle Gruppenmitglieder Fotos ihrer Werke einreichen und Texte dazu verfassen. Die Ausstellung zeigt Originalausgaben, aus denen hervorgeht, dass die Gruppe ihre Kunst auch als Eintreten für Freiheit und gegen den aufziehenden Nationalismus sahen. „Jeder Versuch, künstlerische Bestrebungen nach Kriterien von Ethnie, Ideologie oder Nationalität einzuschränken, ist abscheulich“, schrieb Arp 1933 in der zweiten Ausgabe.
Dass die von der Gruppe formulierten Prinzipien gegenstandsloser Kunst auch heute weiterentwickelt werden, belegen sieben Gegenwartspositionen. Die Ausstellung ergänzt die Werke der Moderne durch insgesamt rund 30 aktuelle Arbeiten von Rana Begum, Daniel Buren, Angela Bulloch, Imi Knoebel, Timo Nasseri, Kai Schiemenz und Beat Zoderer.
Eröffnung am Freitag, 4. Juli, um 19 Uhr; zu sehen bis 11. Januar 2026. Weitere Infos unter www.arpmuseum.org