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Verödete Landschaften – wie die Treuhand ein Land und seine Menschen abwickelte

Von Dirk Eberz
Alles nur Schrott? Die DDR galt vor ihrem Untergang offiziell als zehntgrößte Industrienation weltweit. Doch das sollte sich nach der Wende als eine gigantische Illusion erweisen. In den Bilanzen der Treuhand, die rund 8500 Staatsbetriebe abwickelte, stand am Ende ein dreistelliges Milliardendefizit. Was die Implosion der Ostwirtschaft für die Menschen bedeutet hat, ist hingegen meist verschwiegen worden.  Foto: dpa
Alles nur Schrott? Die DDR galt vor ihrem Untergang offiziell als zehntgrößte Industrienation weltweit. Doch das sollte sich nach der Wende als eine gigantische Illusion erweisen. In den Bilanzen der Treuhand, die rund 8500 Staatsbetriebe abwickelte, stand am Ende ein dreistelliges Milliardendefizit. Was die Implosion der Ostwirtschaft für die Menschen bedeutet hat, ist hingegen meist verschwiegen worden. Foto: dpa

Der Ostdeutsche neigt zum Jammern, ist trotz Billionentransfers in die neuen Bundesländer undankbar und wählt jetzt auch noch die AfD – so lauten die Klischees vieler Westdeutscher. Dabei haben die wenigsten eine Ahnung davon, welche dramatischen Umbrüche die Menschen nach dem Fall der Mauer verkraften mussten. Nur wenige Jahre nach der Euphorie der Einheit stehen Millionen auf der Straße. Die Treuhand, die Tausende Staatsbetriebe verwaltet, wird für den Historiker Marcus Böick von der Uni Bochum dabei zum negativen Gründungsmythos des Ostens nach der Wende.

Lesezeit: 7 Minuten
Der 35-Jährige hat nicht nur über die Treuhand geforscht. Böick ist auch in Sachsen-Anhalt aufgewachsen und hat im familiären Umfeld erfahren, was die ökonomische Rosskur nach der Wende mit den Menschen gemacht hat. Die Großmutter wird in die Frührente gedrängt, der Partner seiner Mutter verliert den Job als Schlosser, und ...
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Die Treuhandanstalt wickelte Tausende DDR-Betriebe ab

Die Treuhandanstalt hat die undankbare Aufgabe, ostdeutsche Staatsbetriebe nach der Wende fit für die Marktwirtschaft zu machen. Zwischen 1990 und 1994 werden die großen Industriekombinate der DDR aufgespalten, privatisiert, saniert oder stillgelegt. Mit dramatischen Folgen.

Der Osten wird innerhalb weniger Jahre weitgehend deindustrialisiert. Millionen verlieren ihre Arbeitsplätze. Bei ihrer Auflösung 1994 steht bei der Treuhand ein Verlust von 275 Milliarden D-Mark zu Buche. Zudem kommt es zum Missbrauch von Fördermitteln und Wirtschaftskriminalität. Nicht nur in den neuen Bundesländern wird die Behörde immer mehr zum Hasssymbol. 1991 wird Treuhandpräsident Detlev Rohwedder von Terroristen der RAF erschossen. Seine Nachfolgerin wird Birgit Breuel. Die Arbeit der Treuhand bleibt bis heute hoch umstritten und wird politisch instrumentalisiert.

Der Historiker Marcus Böick hat zur Treuhand promoviert

Dr. Marcus Böick ist Historiker an der Ruhr-Universität Bochum. Der 35-Jährige hat zum Thema „Manager, Beamte und Kader in einer Arena des Übergangs.

Eine Ideen-, Organisations- und Erfahrungsgeschichte der Treuhandanstalt und ihres Personals, 1990–1994“ promoviert. 2018 ist sein Buch „Die Treuhand. Idee – Praxis – Erfahrung 1990–1994“ erschienen. Zudem hat er im Auftrag des Bundeswirtschaftsministers als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem Projekt „Wahrnehmung und Bewertung der Arbeit der Treuhandanstalt“ mitgewirkt. Der Forschungsschwerpunkt hat dabei durchaus auch einen biografischen Hintergrund. Böick wird 1983 in Aschersleben (Sachsen-Anhalt) geboren und ist wie der Großteil seines Abiturjahrgangs in den Westen zum Studieren oder Arbeiten abgewandert. Seit der Wende hat sich die Einwohnerzahl seiner Heimatstadt fast halbiert.