Kreis Ahrweiler

Rechtsanwälte und Steuerberater an der Ahr im Notbetrieb: Versinken jetzt auch wichtige Fristen in den Fluten?

Von Ursula Samary
Von Flutschäden waren nicht nur Wohnhäuser, sondern selbstverständlich auch Bürogebäude betroffen.
Von Flutschäden waren nicht nur Wohnhäuser, sondern selbstverständlich auch Bürogebäude betroffen. Foto: dpa

Der Hilferuf der Rechtsanwaltskammer Koblenz nach der Flutkatastrophe lässt aufhorchen. Bei ihr melden sich viele Mandanten, die plötzlich keinen Kontakt mehr zu ihren Anwälten haben, weil Kanzleien im Großraum Bad Neuenahr-Ahrweiler teils völlig zerstört oder telefonisch nicht erreichbar sind.

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Der Präsident der Kammer, Justizrat Gerhard Leverkinck, hat einen Spendenaufruf gestartet, aber auch eine Plattform auf der Internetseite geschaffen, damit Kollegen Laptops, Telefonanlagen, Büromöbel oder auch freie Räume für den Neustart anbieten können. Die Solidarität unter den Kollegen sei groß, berichtet er im Gespräch mit unserer Zeitung.

Auch Anwälte, die selbst nicht vom Hochwasser betroffen waren, können größtenteils nicht arbeiten, weil das Internet im Kreis noch nicht überall funktioniert. Die Kammer habe deshalb auch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz, Thomas Henrichs, darüber informiert, dass betroffene Anwälte derzeit keine Möglichkeit haben, ihre überwiegend elektronisch geführten Akten sowie ihre Termin- und Fristenkalender einzusehen. Mit dem Schreiben ist der Wunsch verbunden, die Gerichte auf das Problem aufmerksam zu machen.

Richter können Anwälten, die ohne eigenes Verschulden eine Frist versäumen, auf Antrag die „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ gewähren, wie Justizministerium und Leverkinck erklären. Das gilt auch für Rechtsmittel wie eine Berufung. Aber die Entscheidungen fällen Richter allein in ihrer richterlichen Unabhängigkeit und sind keinesfalls anzuordnen. Deshalb hoffen die Verteidiger auf Einsicht. Kritisch werde es aber bei Verjährungsfristen, die etwa per Klageerhebung aufzuhalten wären. „Diese Fristen sind weg“, wenn dies nicht geschehen könne, erklärt Leverkinck. Die Folgen seien für Mandanten nicht aufzuhalten. Daher gebe es auch viele Vertretungswünsche.

In prekärer Lage sind auch viele Steuerberater, wie Kammerpräsident Walter Sesterhenn berichtet. Auch ihre Kanzleien wurden überflutet. Zudem kämpften viele Mitarbeiter noch mit den Folgen der Flut. Steuerberater versuchten, sich gegenseitig zu helfen. Wegen des tagelangen Ausfalls des Internets könnten auch nicht von den Wassermassen betroffene Steuerberater derzeit beispielsweise elektronisch keine steuerlichen Vorauszahlungen übermitteln. Daher bieten sich Kollegen an, dies in Überstunden zu übernehmen, wie Sesterhenn berichtet. Einige würden auch ihre Büros zur Verfügung stellen, während eigene Mitarbeiter dann im Homeoffice tätig sind. Das Mainzer Finanzministerium hat bereits einen Noterlass in Kraft gesetzt. Der helfe den Steuerzahlern etwa bei Stundungen, aber nicht bei den Abläufen der Steuerberater, die für Arbeitgeber zu festen Fristen elektronisch Daten zu Löhnen auch an die Sozialversicherungen melden müssten, betont Sesterhenn. Er habe deshalb auch das Landesamt für Steuern um Umsicht gebeten.

Unterdessen zeichnet sich eine Lösung für die im überfluteten Amtsgericht Bad Neuenahr völlig durchnässten Akten ab. Sie werden dem Landeshauptarchiv übergeben, das sie mit speziellen Methoden rekonstruieren will, berichtet Pressesprecher Christoph Burmeister. Es handelt sich dabei allerdings nicht um aktuelle, sondern nur um Archivakten. Alle Testamente, die beim Amtsgericht hinterlegt waren, sind trocken. Sie lagerten nicht im Keller, sondern in den oberen Stockwerken.

Ursula Samary

Firmen bekommen 5000 Euro Soforthilfe ohne aufwendiges Prüfverfahren

Die Landesregierung gewährt nicht nur Privatpersonen eine Soforthilfe, sondern auch Firmen. Zudem setzt sie Anreize für Spenden und Hilfe.

Soforthilfe für Betriebe: Für von der Flut besonders betroffene Betriebe gewährt das Land eine Soforthilfe von pauschal 5000 Euro, wie Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) bekannt gegeben haben. Anträge werden von den jeweiligen Kreisverwaltungen sowie der Stadt Trier entgegengenommen. Die Soforthilfe Unternehmen fließe ohne umfangreiche Prüfung. Es genüge der glaubhafte Nachweis, dass die Betriebsstätte im unmittelbaren Hochwasserschadensgebiet liegt und dass ein Schaden von mindestens 5000 Euro an dieser Betriebsstätte entstanden ist. Die Betriebs- oder Produktionsstätte muss räumlich getrennt von Wohnbereichen sein.

Spenden und Hilfen erleichtert: Das Finanzministerium will dringend notwendige Spenden für Flutopfer erleichtern. Steuerbegünstigte Körperschaften können Soforthilfen bis zur Höhe von 5000 Euro ohne weitergehende Prüfung an geschädigte Privatpersonen auszahlen. Öffentlichkeitswirksame Unterstützungsleistungen von Unternehmen an die Opfer der Hochwasserflut können als Betriebsausgaben abgezogen werden. Hilfen von Unternehmen an geschädigte Geschäftspartner können ebenfalls zur Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen als Betriebsausgaben abgezogen werden. Dies gilt auch, wenn etwa eine Firma ihre schweren Maschinen bei Aufräumarbeiten einsetzt. Für Spenden gilt bei der nächsten Steuererklärung: Als Nachweis gilt bis zum 31. Oktober 2021 zur Hilfe in Katastrophenfällen der Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung eines Kreditinstitutes, wie Finanzministerin Doris Ahnen (SPD) entschieden hat.

Vereine dürfen als gemeinnützig anerkannte Körperschaften Spenden zur Hilfe für die Flutopfer auch dann annehmen und hierfür Spendenbescheinigungen ausstellen, wenn sie nach ihrer Satzung keine mildtätigen Zwecke verfolgen. Auch Sport-, Musik- oder Brauchtumsvereine können damit Geld- oder Sachspenden mit dem ausdrücklichen Zweck „Flutopfer Soforthilfe“ annehmen, obwohl dies nicht ihrem eigentlichen Satzungszweck entspricht. „Die Spenden müssen dann aber auch entsprechend verwendet werden. Sie dürfen also nur den von der Flut selbst und unmittelbar Betroffenen zugutekommen“, erklärt das zuständige Ministerium. us

Flutkatastrophe im Ahrtal
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