Kurz vor der Landtagswahl sind in Rheinland-Pfalz die Weichen für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) neu gestellt worden. Der Landtag verabschiedete in der vergangenen Woche mit den Stimmen der Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen eine Neufassung des Nahverkehrsgesetzes – und schuf damit nach 25 Jahren eine neue gesetzliche Grundlage für das Angebot von Bussen und Bahnen im Land.
Im Mittelpunkt steht dabei die Neubestimmung des öffentlichen Personennahverkehrs als Pflichtaufgabe der Kommunen – „in den Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit“. Das Gesetz soll nach dem Willen der Regierung zu einer besseren Vernetzung von Bus- und Bahnverkehr führen. Auch Fahrradverleihsysteme, Fähren und Carsharing-Angebote können künftig in den Personennahverkehr integriert werden. Wenn die Verkehrsträger dann auch Kurzstrecken in ländlichen Regionen besser andienen, könnten ehrenamtliche Bürgerbusse (siehe Artikel oben) irgendwann überflüssig werden.
Mittelfristig ist ein einheitlicher landesweiter Nahverkehrstarif über die Grenzen der bisherigen Tarifverbünde hinaus geplant. Details zum Umfang, zu den konkreten Mindeststandards und zur Finanzierung des künftigen Angebots bleiben aber einem noch zu erstellenden Landesnahverkehrsplan vorbehalten. Bis dahin entstehen Land und Kommunen zunächst keine zusätzlichen Kosten.
Anstelle von fünf Verkehrsverbünden für Busse und zwei Zweckverbänden für den Schienenverkehr soll es künftig zwei Verkehrsverbünde geben, die sowohl für Straße als auch für Schiene zuständig sind – ÖPNV Rheinland-Pfalz Süd und Nord. Dort ist jeweils auch das Land mit einem 40-prozentigen Stimmenanteil vertreten.
Für Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) ist das neue Nahverkehrsgesetz ein Meilenstein. Den Kommunen gebe es „den Freiraum und die Unterstützung, die sie brauchen“, sagte er. Bisherige Einschränkungen im ÖPNV aufgrund der Freiwilligkeit der Aufgabe gehörten damit der Vergangenheit an. Das Gebot zu einer ausgeglichenen Haushaltsgestaltung hat hoch verschuldete Städte deswegen bislang daran gehindert, das ÖPNV-Angebot auszubauen. „Dieses Gesetz ist das modernste Nahverkehrsgesetz, das es in Deutschland geben wird“, sagte Wissing. Bleibt noch die Frage, woher das Geld kommt, mit dem die Kommunen die besseren Angebote verlässlich finanzieren.
So sprach denn auch der CDU-Abgeordnete Helmut Martin von „eklatanten Mängeln“ des Gesetzes trotz langer Vorlaufzeit. Die Informations- und Datengrundlage sei unklar, die Erfüllung der Pflichtaufgabe von der Kassenlage der Kommunen abhängig, und das Parlament werde bei wichtigen Fragen wie dem 365-Euro-Ticket übergangen. „Durch dieses Gesetz wird es für die Bürgerinnen und Bürger keine einzige spürbare Verbesserung geben“, glaubt Martin.
Die SPD hingegen verteidigte den Schritt. Kein anderes Bundesland habe sich bisher getraut, den ÖPNV zur Pflichtaufgabe zu machen, sagte der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Benedikt Oster. Es werde „in eine neue Ära des öffentlichen Personennahverkehrs“ führen. Für zusätzliche Mittel habe das Verkehrsministerium sofort 10 Millionen Euro vorgesehen. Dann müsse über weiteres Geld gesprochen werden.
Für die Grünen sagte die verkehrspolitische Sprecherin Jutta Blatzheim-Roegler, das neue Gesetz sei „richtungsweisend für die Mobilitätswende und den Klimaschutz“. Es schaffe auch die Grundlage für ein digitales Landestarif-Ticket.
Der verkehrspolitische Sprecher der AfD, Jan Bollinger, kritisierte hingegen, es würden unnötig komplizierte Strukturen geschaffen. Damit werde der ÖPNV weder zukunftsfähig noch effizienter.