Yvonne Catterfeld gibt Einblicke in das Leben mit ihrem Sohn und nimmt uns ein Stück mit in ihre Gefühlswert. Mit neuer Liebe im Gepäck zwischen Pflichtbewusstsein, Empathie, „Me time“, Karriere und das Wichtigste in Ihrem Leben. Als sensibler Mensch alles unter einen Hut zu bekommen, nicht immer einfach. Ihre Challenge: sich abzugrenzen, auf sich zu achten und sich trotzdem treu zu bleiben.
Im hautnah-Interview bei ”Music made in Germany” spricht Cattferld mit ihrer vertrauten Moderatorin Miriam Audrey Hannah, ihrer „Sister from another Mother“ über ihre Entscheidung nicht mehr Deutsch zu singen und die Entscheidung öfter zu sagen: Nein, das schaffe ich jetzt nicht. „Mit bestimmter Höflichkeit geht alles!“! Was ihre neue Single „Move“ alles bewirken kann und warum nur der erste Schritt der Schwerste ist, hier, verrät sie im Interview.
Die vollständige Radiosendung „Music Made in Germany“ mit „Miriam Audrey Hannah“ wird am Sonntag, 14. Juli, ab 16 Uhr auf RPR1. ausgestrahlt, das gesamte Gespräch ab heute (Freitag) im Interview-Podcast www.musicmadeingermany.de und überall, wo es Podcasts gibt.
Wir dokumentieren Auszüge aus dem Interview vorab im O-Ton:
Über Anspruch und Realität
Empathie, glaube ich, ist das Wichtigste im Leben. Es ist einer der schönsten Werte, finde ich. Der macht auch für mich Menschen aus, und das sind für mich dann auch die Menschen, die ich mag. Ich mag einen Menschen, wenn er Empathie hat. Aber wenn man natürlich diesen Anspruch hat, wie du sagst, und auch empathisch ist, ja, es ist auch für einen selber manchmal schwer, weil dieser Wert so groß ist, so übergeordnet, dass man sich selber halt manchmal dabei dann vergisst oder, ich sage jetzt mal, hinten rüber fällt. Ich glaube, man muss, wenn man ein empathischer Mensch ist, sehr auf sich selbst auch aufpassen und eine Empathie mit sich selber haben, was uns, glaube ich, dir vielleicht auch schwerer fällt. Weißt du, so ein Mitgefühl mit einem selbst.
Über Reiz- und Lebensüberflutung
„Es fehlt immer eine mindestens eine Stunde am Tag und mittlerweile ehrlicherweise ein halber Tag. Aber ich glaube, das geht uns allen so. Weißt du? Ich glaube, man ist so überflutet von Nachrichten, WhatsApp-Gruppen, beruflichen Sachen, privater Alltag. Ich merke manchmal auch, wie ich abends dann noch so viele Punkte übrig habe… Also bei mir läuft ja auch noch spät abends die Waschmaschine, nachts um 23 Uhr, weil ich die dann halt tagsüber vergessen habe. (…)
Ich denke, das ist so die Krankheit unserer Zeit, dass wir immer verfügbar sind und uns fühlen, als müssten wir es sein.
Yvonne Catterfeld
Was mir auffällt ist, dass man wirklich ständig am Telefon ist, wie irgendjemand was will, also auch berechtigterweise. Es ist Wahnsinn, wie viele Nachrichten man von verschiedenen Leuten bekommt und auch Aufgaben und Erwartungen. Ich finde das total krass. Auch an Festtagen. Ich finde es ja schön, wenn einem alle so eine tolle Zeit wünschen und schönen Geburtstag, Ostern, Weihnachten und so.
Aber mittlerweile denke ich mir: Ja, gut, aber ich bin ein höflicher Mensch, ich antworte natürlich auch, dann antwortest du, dann ist aber der Tag schon wieder vorbei, weil du dann diesen Tag eigentlich den Menschen gewidmet hast, die dir geschrieben haben, nur aus Höflichkeit zu antworten, denn eigentlich weiß man ja, dass man jedem, der im Umkreis ist und überhaupt jedem, schöne Weihnachten wünscht. Weißt du, was ich meine? Und ich merke, dass so dieses ständige am Telefonsein mich überfordert und mir überhaupt nicht guttun und mich sogar lähmt und hindert.
Man muss echt, glaube ich, wie es mittlerweile viele machen, einfach sagen: „Ich bin jetzt gerade nicht verfügbar, einfach so eine Nachricht schreiben, dass man so auf den Knopf drückt und sagt: „Ich bin jetzt gerade mal raus. Und dann auch wirklich zu sagen: „Nein, ich bin jetzt gerade nicht verfügbar.“ Ich denke, das ist so die Krankheit unserer Zeit, dass wir immer verfügbar sind und uns fühlen, als müssten wir es sein.
Und das ist ja nicht nur in unseren Jobs so. Wenn man als recht empathischer Mensch, noch Anstand und Anspruch hat, hat man es verdammt schwer. Mitgefühl ist eigentlich der Tod für einen selbst, weil dann geht es los. Man fühlt sich in den anderen hinein und möchte die Bedürfnisse auch erfüllen und ich bin überhaupt ein Mensch, der dem Gegenüber was Gutes tun möchte – und ich fühle das bei dir auch. Wir sind uns echt ähnlich (lacht)
Über den Runterzähl-Trick – und den neuen Song “Move"
Ich habe den Song wirklich gefühlt, und der ist so schnell im Studio entstanden, weil ich mit der Idee schon ins Studio bin. Ich weiß nicht, ob du das kennst, aber es gibt so eine Methode, klingt supersimpel, ist supersimpel, aber dann ist es dann doch schwerer: Also, wenn man eine Überwindung, eine Hürde, vor sich hat, und die Angst und eine Sperre kommen hoch, aber du weißt, du musst jetzt über deinen Schatten springen, und du musst jetzt wirklich loslegen, du kannst jetzt nicht zurück, sondern du musst springen. Es gibt diese Methode, dass man einfach herunterzählt. Also fünf, vier, drei, zwei, eins und dann los. Es geht ja darum, die Challenges unseres Lebens, bei denen wir denken: „Okay, wir versagen, wir fallen, oder was geht schief? Dass man wirklich nicht so viel darüber nachdenkt, und der Kopf einfach nicht so grübelt, genau das ist ja oft unser Problem, der Kopf grübelt zu viel.
Aber ich war so stolz und habe danach wirklich gemerkt, dass mein Kopf mein größter Feind ist (neben der Zeit), und dass ich einfach wirklich loslegen kann, einfach wirklich diesen Gedankenstrom, der dann kommt, sofort überwinden sollte, indem man sofort loslegt.
Yvonne Catterfeld
Ein kurzes Beispiel: Ich war mal in so einem Kletterwald und mein damaliger Freund hat den höchsten Grad gewählt, ich war halt Anfängerin, es war der fortgeschrittene Kurs, und ich habe da oben gestanden und vor Panik fast geheult. Alle standen hinter mir, gewartet und ich habe da oben gestanden. Mein Kopf hat gerattert. Wie komme ich jetzt da rüber? Wie muss ich mich balancieren? Also all diese Fragen.
Und ich war am Ende so stolz, weil ich es einfach irgendwann nur intuitiv gemacht habe. Ich bin einfach losgelaufen, also auf was auch immer für ein Hindernis sich mir dargestellt hat. Bin auf die nächste Stufe, und ich bin irgendwann wieder unten angekommen. Aber ich war so stolz und habe danach wirklich gemerkt, dass mein Kopf mein größter Feind ist (neben der Zeit), und dass ich einfach wirklich loslegen kann, einfach wirklich diesen Gedankenstrom, der dann kommt, sofort überwinden sollte, indem man sofort loslegt. Fünf, vier, drei, zwei, eins, go. Und los. Und das mache ich jetzt fast mit allem so. Manchmal vergesse ich es auch und falle wieder in meine Muster, aber einfach dieses Loslegen: Es klingt so simpel und einfach, aber es gilt wirklich den Kopf zu überlisten. Und darum geht es in dem Song. Es ist Motivation, aber auch Erkenntnis
Über Zeit mit ihrem Sohn
Ich bekomme natürlich nicht alles hin, auch wenn das von außen vielleicht so scheint. Ich würde mal sagen, es ist immer mit Abstrichen, aber die Frage ist: Wo mache ich die Abstriche? Und die Abstriche möchte ich nicht bei meinem Kind machen. Das heißt also, ich nehme hin, dass ich Abstriche im beruflichen Leben mache, dass Menschen auf mich warten müssen oder auf meine Antwort. Das wissen alle. Oder die Abstriche, dass ich sage, im Urlaub, also wenn Schulferien sind, stehe ich nicht zur Verfügung. Da gibt es mal Ausnahmen, aber eigentlich, da habe ich für mich eine klare Linie, und ich versuche wirklich immer, alles zu schaffen, bis mein Sohn aus der Schule kommt. Das klappt natürlich nicht immer.
Manchmal muss man halt nachmittags irgendwie zum Termin, aber mein Sohn ist ja jetzt auch schon zehn. Der freut sich, wenn er mal zu einem Freund gehen kann, und dann ist der da auch glücklich, und ich finde das auch total wichtig. Es ist also ein bisschen einfacher geworden, aber ich versuche wirklich, am Nachmittag frei zu haben. Und ich lege auch mein Handy weg. Er mag das auch gar nicht, wenn ich Nachrichten schreibe. Wenn ich ein Telefonat habe oder irgendwas, sage ich ihm immer: Ich habe jetzt ein Telefonat, das ist dann auch für ihn okay. Aber ich mache das nicht so zwischendurch.
Und dadurch bleibt aber natürlich vieles liegen. Dadurch fängt dann halt die Arbeit abends an, oder wenn ich dann nachts auf der Couch oder im Bett bin, dass ich dann noch E-Mails mache, wo ich denke: „Oh, das muss ich jetzt noch dringend erledigen. Das ist halt so. Aber ich glaube, die Abstriche sind für mich okay. Wie gesagt, das weiß jeder, wer damit nicht klarkommt, ich kann es nicht ändern. (…)
Und ja, man muss auch auf sich schauen und für sich sprechen: „Du hast so viel mehr gemacht, als du eigentlich solltest. Dann bist du noch dein Sohn da“, also hattest du einen super erfolgreichen Tag, aber man selbst sagt zu sich: „Ich habe nicht alles geschafft. Und das ist das, woran ich zum Beispiel arbeiten muss. Ich kann mich erinnern, ich habe mal eine Phase gehabt, da habe ich ein Buch gehabt und so fünf kleine Erfolge am Tag hineingeschrieben. Das kann ja schon sein: „Ich habe heute eine schöne Brotbüchse für meinen Sohn gemacht.“ Oder irgendwas, weißt du, diese kleinen Dinge, oder Telefonate, die ich voraus schiebe.
Ich vergesse, was ich eigentlich schon gemacht und geleistet habe und ich vergesse die positiven Sachen. Das müsste man eigentlich immer machen, seine daily Erfolge aufschreiben, denn ich glaube, wenn man das macht, dann kann man am Abend wirklich sagen: „Okay, aber die anderen Sachen, die habe ich gut gemacht. Und mehr Zeit ist halt einfach nicht. Und das ist das, was ich meine, dieses Abstriche-Machen für etwas, dass ich wirklich sagen kann: „Ich bin einfach immer für meinen Sohn da und auch immer da gewesen.
Vom Leben außerhalb der Stadt
Wir hatten ja mal ein Hausboot früher, aber das haben wir leider verkauft. Ich dachte damals immer, ich kann da nicht mit meinem Sohn raufgehen, dann kriege ich die Krise. Ich hatte so Schiss, dass der da reinfällt. Und jetzt ist es halt weg. Aber ein Boot und so auf dem Wasser zu sein, weit weg von allen Menschen. Weißt du? Ich finde das herrlich, einfach Tiere zu beobachten. Also das ist das, wo ich wirklich auftanke, wenn ich in der Natur bin. Ich merke das auch jedes Mal. Ich habe ja früher in Berlin gelebt; wir hatten zwei Wohnungen, wo wir hin- und her gependelt sind. Eine war in der Stadt und die andere am Rande, und jetzt bin ich halt wirklich draußen, so am Rande von Berlin, und ich könnte gar nichts anderes mehr. Ich könnte nicht mehr in der Stadt leben.
Aber, wenn es zu still wird, also wenn man jetzt zu Hause zum Beispiel auf der Terrasse sitzt und man macht nichts, also gar nichts – das finde ich total schwer. Wenn ich alleine bin, fällt es mir wirklich schwer, nichts zu machen. Also, ich sitze wirklich selten da und mache nichts. Manchmal gelingt es mir und dann komme ich wirklich in dem Moment an. Manchmal kommen dann Emotionen hoch, das passiert dann auch, dass ich dann dasitze und denke: „Hey, warum werde ich jetzt plötzlich so emotional? Ja, weil du plötzlich Zeit hast, noch mal in dich hineinzuhorchen. Man macht dies und das, man macht ja so vieles am Tag, aber dieses Stillsitzen ist schon was. Deswegen Meditation, ich glaube, es ist schon was Cooles, in welcher Form auch immer. Und den Tieren zuzuhören ist auch eine Art Meditation. Ich glaube, es ist in jeglicher Form gut.
Über den Umgang mit Sorgen
Mein Sohn fragte mich neulich: „Mama, wie gehen denn Sorgen weg?“ Und dann kam ich mit so einem Eckhart Tolle Satz um die Ecke und wir haben über das Jetzt geredet. Es gibt nämlich ein Buch von „Eckhart Tolle, was für Kinder ist. Es ist sein absolutes Lieblingsbuch, kleiner Tipp für Mamas: „Miltons Geheimnis“. Es ist wirklich ein wunderschönes Buch mit schönen Zeichnungen, und das liebt er total, das liest er sich ganz oft durch. Und dann sind wir durch den Wald gegangen, Seifenblasen geblasen, und dann kam ein Schmetterling und setzte sich so auf seine Hand und das ist ihm doch nie passiert, dass sich ein Schmetterling auf seine Hand gesetzt hat. Dann habe ich zu ihm gesagt: „Guck mal, vielleicht hat der Schmetterling das irgendwie gespürt, dass du jetzt wirklich im Hier und Jetzt warst. So gehen Sorgen weg, mit Zeit und Zuwendung.“
Über Intuition
Da sind wir wieder bei „Lieber so als zu spät“ (ein Yvonne Catterfeld Song von früher). Oft verlängert man ja Dinge, von denen man weiß, dass sie eigentlich einem nicht guttun, oder man lässt Menschen bei sich, die einem nicht guttun. Da sind wir auch schnell wieder beim Thema Empathie und Loyalität, wenn man das Gefühl hat, man will den anderen auch nicht verletzen.
Ich finde aus meiner Erfahrung heraus klar, es ist immer schwer und man kann sich das jetzt auch für die Zukunft vornehmen, wenn man dieses Gefühl hat; es bleibt aber trotzdem schwer und man fühlt sich ja auch verbunden einer Situation oder einem Menschen. Aber ich glaube, das ist das Schöne am Älterwerden, dass die Intuition groß wird. Ich finde, Intuition ist nicht zu greifen mit dem Verstand und hat mir immer den richtigen Weg gewiesen. Und wenn ich mal nicht auf meine Intuition gehört habe, lag ich eigentlich immer falsch. Das gibt mir Bestätigung und Sicherheit in meinen Entscheidungen.